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Kommunales: Begehren gegen Baugebiet erfüllt alle geforderten Bedingungen / Räte fordern faires Verhalten auch von Gegnern

Am Sonntag, 2. August, wird es in Neuweiler einen Bürgerentscheid über die Zukunft des geplanten Neubaugebiets "Hohenzeil" im Ortsteil Zwerenberg geben. Die dafür notwendigen Beschlüsse in der jüngsten Gemeinderatssitzung fielen einstimmig.

Neuweiler. Womit das Gremium, wie es Gemeinderätin Doris Hammann in ihrer Stellungnahme ausdrückte, einen "echten Beitrag zur Demokratie" würdige, "dem wir zustimmen müssen". Denn von der Unumgänglichkeit der aktuell zwei geplanten Neubaugebiete für Neuweiler (neben Hohenzeil in Zwerenberg das Baugebiet "Steigäcker" in Neuweiler) und dem Bestand der eigenen Entscheidungen dazu scheinen die 14 Gemeinderäte samt Bürgermeister Martin Buchwald nach wie vor überzeugt. Nochmal Hammann: "Es ist schade, dass es so weit kommen musste."

Unmittelbar zuvor zwei Bürgschaften auf den Weg gebracht

Beleg für die konstante Meinungsposition des Gesamtgemeinderats zu den beschlossenen Neubaugebieten: Unmittelbar vor dem Entscheid zum Bürgerbegehren brachten die Räte nahezu einstimmig zwei Bürgschaften auf den Weg. Mit diesen will die für die Erschließung der Baugebiete beauftragte "LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH" aus Stuttgart (KE) die für die notwendigen Grundstückskäufe aufzunehmenden Kredite absichern. Auf Nachfrage von Gemeinderat Jonathan Stockinger erläuterte Bürgermeister Buchwald, dass diese Bürgschaften zwar nicht Teil des mit der KE abgeschlossenen Städtebaulichen Vertrags seien, sie aber einer "gängigen Praxis" entsprächen – und Grundbedingungen seien, damit die extrem zinsgünstigen Kommunalkredite auch an die KE fließen könnten.

Über 2,8 Millionen Euro beläuft sich die Bürgschafts-Summe für den so abgesicherten Kredit für das Baugebiet "Hohenzeil" in Zwerenberg – was 80 Prozent der eigentlichen Kreditsumme entspräche. Mit zwei Enthaltungen segnete der Gemeinderat diese Bürgschaft ab. Mit nur einer Enthaltung genehmigte das Gremium anschließend auch die 2,32-Millionen-Euro-Bürgschaft für das Baugebiet "Steigäcker" in Neuweiler. Dem sich dann die Beratung und eigentliche Diskussion um das eingereichte Bürgerbegehren gegen das Zwerenberger Baugebiet anschloss – mit nun klar definierten Fronten zwischen Gemeinderat und den in der Waldschulhalle reichlich anwesenden Vertretern der Gegner einer Bebauung von "Hohenzeil".

Die formale Seite des Bürgerbegehren: Von den 216 eingereichten Unterschriften für die Durchführung eines Bürgerentscheids wurden 208 von der Verwaltung als rechtmäßig gewertet. Damit wurde die für Neuweiler gesetzlich geforderte Mindestbeteiligung von 184 Bürgern (entsprechend sieben Prozent von 2625 Wahlberechtigten) erreicht und überschritten – womit das Bürgerbegehren als zulässig gewertet werden müsste. Und mit dem positiven Entscheid des Gemeinderats über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens tickt nun die Uhr – denn nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung muss spätestens innerhalb von vier Monaten nach dem Beschluss der notwendige Bürgerentscheid auch durchgeführt werden. Letztmöglicher Termin wäre damit der letzte (Wahl-)Sonntag vor dem 21. August.

Offizielle Versammlung im Vorfeld geplant

Auf Vorschlag der Verwaltung einigte sich der Gemeinderat daher darauf, am Sonntag, 2. August, den Bürgerentscheid vorzunehmen – in der Hoffnung, dass bis dahin die aktuellen Einschränkungen durch die Corona-Krise aufgehoben sein würden. Und man beispielsweise vor diesem Termin noch eine offizielle Bürgerversammlung zum Thema Baugebiet "Hohenzeil" organisieren könnte. Gesetzliche Pflicht sei es, so Neuweilers Hauptamtsleiter Wolfgang Dürr, die Positionen von Gegnern und Befürwortern des Baugebiets in einer Broschüre allen Wahlberechtigten zukommen zu lassen. Aber – da waren sich alle Gemeinderäte einig – besser sei eine echte Bürgerversammlung, weil man da einen echten Meinungsaustausch ermöglichen könnte mit Nachfragen und tiefergehenden Erläuterungen. Am besten neutral moderiert, damit auch wirklich alle Seiten die gleiche Chance erhielten, ihre Positionen darzustellen.

Ein Hoffen und Appell um Fairness in der Auseinandersetzung um das Baugebiet "Hohenzeil", das Gemeinderat Manuel Günther zum Thema auch von den Einreichern des Bürgerbegehren ausdrücklich einforderte. Wenn diese sich beschwerten, dass Vertreter der KE in den (bereits angelaufenen) Grundstücksverhandlungen zu "Hohenzeil" unlautere Mittel einsetzten und unzulässigen Druck auf die Grundstückseigentümer ausübten (wie es Vertrauensmann Werner Stockinger in der Sitzung formuliert hatte; siehe Infokasten), dürften auch die Gegner von "Hohenzeil" ihrerseits keinen Druck auf jene Grundstückseigentümer ausüben, die ihre Flächen gerne an die KE veräußern wollten.

(ahk). Beim Bürgerentscheid am Sonntag, 2. August, sollen die Wahlberechtigten in Neuweiler die Frage beantworten: "Sind Sie dafür, den Beschluss des Gemeinderats vom 26. November 2019 zu Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet ›Hohenzeil‹ aufzuheben?" Der Wortlaut entspricht der Frage aus der Unterschriften-Aktion zum Bürgerbegehren. In der Sitzung des Gemeinderats trug Werner Stockinger als Vertrauensmann des Bürgerbegehren die Positionen der Gegner von "Hohenzeil" ausführlich vor. Die wesentlichen Punkte:  "Die Bürger wenden sich gegen das geplante Baugebiet, weil es für Zwerenberg viel zu wuchtig ist."  "Es geht nicht darum, dass man in Zwerenberg keine Baugebietsentwicklung will, aber eben eine viel kleinere Variante."  "Es kann nicht sein, dass die Bürger unserer Ortsteile bei Bauinteresse nur von einem Ortsteil Bauplätze angeboten bekommen und in ihrem Heimatort kein Angebot vorhanden ist."  "Ein- oder Zweifamilienhäuser (sind) sehr wohl möglich, auch im Gebiet ›Hohenzeil‹. Fachpersonal des Landratsamtes wird Ihnen das bestätigen, Herr Buchwald."  "Von einer Erschließung weiterer Flächen außerhalb der Ortslage wird dringend abgeraten" – von Regionalverband bis Landrat.  "Baugebietsgrößen von 3,5 Hektar in Zwerenberg mit einem Zeitfenster von fünf bis acht Jahren der Umsetzung und Abschlüsse ist utopisch."  "Für die Vermarktung der Bauplätze außerhalb der Gemeinde Werbung zu machen, kann nicht das Ziel sein, weil sonst einheimische Bürger unserer Gemeinde nahezu leer ausgehen."  "Die bisherige Kooperation mit der KE muss aufgelöst und für beendet erklärt werden."  "Herr Buchwald, es muss damit aufgehört werden, dass teilweise bei den Grundstückseigentümern im planungsbefindlichen Baugebiet ›Hohenzeil‹, welche Flurstücke nicht verkaufen wollen, mit fast schon unlauteren Methoden vorgegangen wird, um doch noch alle neun notwendigen Grundstücke zu bekommen."

Die wichtigsten Argumente für ein großes Baugebiet in Zwerenberg spielten in der bisher von den Beteiligten sehr emotional geführten Diskussion noch gar keine Rolle.

Es gibt im Nordschwarzwald und dem Kreis Calw eine grassierende Wohnungsnot, die sich in den kommenden Jahren noch verstärken wird – wie der zuständige Regionalverband jüngst in mehreren Studien eindrucksvoll belegt hat.

Neuweiler wird sich – auch mit seinen Ortsteilen – an der Bewältigung dieser übergreifenden Herausforderung ebenfalls zu beteiligen haben. Zwerenberg gehört daher nicht nur den Zwerenbergern. Außerdem ist eine finanziell eher schwach aufgestellte Kommune wie die Gemeinde Neuweiler mittel- und langfristig auf die Mehreinnahmen aus höheren Schlüsselzuweisungen von Bund und Land angewiesen – wozu es eine (möglichst stark) wachsende Einwohnerschaft braucht. Mehr Bürger sichern mehr Einnahmen. Und damit sämtliche Infrastruktur der Gemeinde.

Die Wagenburgmentalität des Bürgerbegehrens widerspricht hier den Interessen der Gemeinde. Und sie ist auch extrem unsolidarisch dem gesamten Landkreis gegenüber.