Der Bundestag. Foto: Ajdin Kamber / shutterstock.com

Neuwahlen in Deutschland sind seltene Ausnahmefälle – nur unter bestimmten Voraussetzungen kann der Bundespräsident das Parlament auflösen. So läuft der Prozess ab.

In Deutschland spricht man von „Neuwahlen“, wenn ein Parlament – meist der Deutsche Bundestag – vor Ablauf seiner regulären vierjährigen Amtszeit neu gewählt wird. Solche vorgezogenen Wahlen finden nur in Ausnahmefällen statt und können nur vom Bundespräsidenten angeordnet werden. Der Bundestag selbst hat kein Recht, sich aufzulösen und eine Neuwahl zu initiieren.

 

Voraussetzungen für vorgezogene Neuwahlen

Das Grundgesetz sieht zwei Situationen vor, in denen der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen anordnen kann:

  1. Vertrauensfrage (Artikel 68 GG): Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin kann im Bundestag eine Vertrauensfrage stellen. Falls die Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen verweigert, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Dies ist in der Vergangenheit dreimal geschehen: 1972, 1983 und 2005. → Hier erfahren Sie, wie die Vertrauensfrage abläuft.

  2. Kanzlerwahl ohne absolute Mehrheit (Artikel 63 Absatz 4 GG): Kann nach einer Wahl kein Kanzler mit absoluter Mehrheit gewählt werden, könnte der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Wenn nach mehreren Wahlgängen nur eine einfache Mehrheit zustande kommt, hat der Bundespräsident die Möglichkeit, den Bundestag aufzulösen oder die gewählte Person zum Kanzler zu ernennen.

→  Unterschied zwischen Vertrauensfrage und Misstrauensvotum

Ablauf und Fristen bei Neuwahlen

Kommt es zur Auflösung des Bundestages, so müssen Neuwahlen gemäß Artikel 39 GG innerhalb von 60 Tagen erfolgen. Dabei werden die organisatorischen Abläufe wie bei einer regulären Bundestagswahl beibehalten, jedoch mit verkürzten Fristen. Laut § 52 Absatz 3 des Bundeswahlgesetzes kann das Innenministerium die Wahlvorbereitungszeiten per Verordnung halbieren, was in der Vergangenheit bereits umgesetzt wurde.

Auswirkungen für Wählerinnen und Wähler

Für die Wählerinnen und Wähler bleibt der Ablauf einer Neuwahl weitgehend unverändert. Wahlberechtigte, die sich nicht automatisch in die Wählerverzeichnisse eintragen lassen, wie dauerhaft im Ausland lebende Deutsche, müssen erneut Anträge auf Eintragung stellen. Auch Briefwähler müssen für die Neuwahl einen neuen Antrag stellen.


Verschiebung der regulären Bundestagswahl

Eine Neuwahl verschiebt den Zeitpunkt der nächsten regulären Bundestagswahl. Durch eine Neuwahl beginnt eine neue vierjährige Legislaturperiode, die den Wahlzyklus neu startet. Das bedeutet, dass die nächste reguläre Wahl dann vier Jahre nach dem Datum der Neuwahl stattfindet und nicht mehr am ursprünglich geplanten Termin. Zum Beispiel wurde nach der Neuwahl 2005 die nächste reguläre Wahl erst 2009 angesetzt, also vier Jahre später.