Emotionen beim Neujahrsempfang in Neufra: Auf Erschütterung über die plötzliche Abschiebung eines engagierten Afghanen folgte große Freude – Ortsvorsteher Willy Schaumann wurde mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Rottweil geehrt.
Der Rückblick auf das vergangene Jahr ist in Neufra immer auch ein Reigen an Danksagungen. Dank an die Vereine, die Ortschaftsräte und Bürger, die mit ihrem Einsatz zum lebens- und liebenswerten Neufra beitragen.
Ehrenamtliche Tätigkeit vorbildlich
„Was hier in Neufra an ehrenamtlicher Tätigkeit geleistet wird, ist vorbildlich und kann gar nicht genug gelobt werden“, sagte Ortsvorsteher Willy Schaumann. Schaumann erwähnte Alexander Butsch und Sven Warnack, die als First Responder im vergangenen Jahr zu 55 Einsätzen gerufen wurden. Er dankte dem Ehepaar Ulmschneider für ihren Einsatz rund um das Kapfkreuz, Franz Pill für sein stets großes Engagement, Frederick Weisser, der beim Dorffest erneut die „Starzel in Flammen“ setzte und Rudolf Ettwein, für seine Unterstützung in der Fritz und Agi Steinbach Stiftung.
Afghanische Männer helfen überall mit
Die fleißige Mithilfe der 16 afghanischen jungen Männer, die seit einem Jahr in Neufra leben, kam für viele Bürger indes unerwartet. Groß sei die Aufregung anfangs gewesen, erinnerte Schaumann. Fragen zu ihrem Benehmen wurden laut und die Sorge, ob Neufraer Kinder noch allein auf die Straße könnten. Das Gegenteil der Befürchtungen sei eingetreten. Jeder, der sie treffe, sei über ihre Hilfsbereitschaft und Zuvorkommenheit erfreut. Bei jeder Anfrage, habe er auf die helfenden Hände der Afghanen zählen können.
Plötzlich wendet sich das Blatt
Überwältigt zeigte sich Schaumann auch von der Mitarbeit einiger Neufraer Bürger. Es wurden für die Afghanen Deutschkurse durchgeführt, Fahrräder organisiert, an einer Verkehrsübung teilgenommen und die ersten Jobs gefunden. „Es lief alles rund, alle waren glücklich“. Dann wendete sich das Blatt. Die ersten Jungs bekamen Post vom Landratsamt, erzählte Schaumann: „Umzug nach Hochmössingen.“ Die Arbeitsplätze waren gefährdet. Einer der Jungs hatte eine Zusage in der „Bikebox“. Unmöglich ohne Auto zwischen Hochmössingen und Neufra zu pendeln.
Kurzentschlossen habe sich die Familie Schaumann entschieden, ihm nach Rücksprache mit dem Landratsamt, im Hause Schaumann Unterkunft zu gewähren. Zwar wusste Schaumann, dass der Aufenthaltsstatus in der Schwebe lag und die Flucht des jungen Mannes über Bulgarien, also über ein EU-Land, geführt habe, wo das Asylverfahren hätte stattfinden sollen, aber dennoch sei für ihn unfassbar, was dann passierte.
Polizei klopft nachts an der Tür
Es war zwei Uhr in der Früh als Sturmläuten und Klopfen gegen die Tür die Familie aus dem Schlaf riss. Das Haus hell erleuchtet von Scheinwerfern. Vier Polizisten standen vor der Tür, während weitere vier das Familienhaus umstellten. Das Zimmer sei erstürmt und der junge Afghane abgeführt worden. Schaumann stockte die Stimme: „Eine kurze Umarmung und weg war er“. Noch am selben Tag landete die Maschine mit dem Afghane an Board in Bulgarien. „Wir sind sprachlos“. Jetzt befinde er sich im Lager in Sofia unter „menschenunwürdigen Zuständen, im eiskalten Zimmer“. In Deutschland würde in Kleinbetriebe händeringend nach Arbeitskräften, auch ohne berufliche Qualifikation, gesucht.
„Warum werden solche intelligente, wissbegierige, interessierte und arbeitswillige Flüchtlinge abgeschoben?“, schüttelt Schaumann traurig den Kopf.
Eine emotionale Rede, nach der Oberbürgermeister Christian Ruf im nächsten Programmpunkt fortführend musste. Dennoch gelang es Ruf, Schaumann ein Lachen zu entlocken. Schaumanns ehrenamtliche 30-jährige Amtszeit im Ortschaftsrat, davon 15 Jahre als Ortsvorsteher, würdigt Ruf mit dem Verdienstabzeichen in Gold des Städtetags und einer persönlichen Bitte: Dem Eintrag ins Goldenen Buch der Stadt Rottweil.
BU: Fotos: Schmidt