Treffen auf dem Reiterhof: Gut zwei Dutzend Langenwinkeler brachten am Mittwoch ihren Unmut über die Standortwahl für das neue Lahrer Krankenhaus zum Ausdruck. Aufs Bild, auf dem im Hintergrund die betroffene Fläche zu sehen ist, wollten nicht alle. Foto: Bender

Gegen die Neubau-Pläne für das neue Lahrer Krankenhaus formiert sich im betroffenen Stadtteil Widerstand. Sie halten den avisierten Standort für nicht geeignet und fühlen sich von der Verwaltung nicht informiert, klagen Einwohner.

Die Stimmung ist sachlich, die Mienen sind ernst: Gut zwei Dutzend Langenwinkeler haben sich am Mittwochabend auf dem Gelände des Reitvereins zusammengefunden. Hier am westlichen Dorfrand soll nach Plänen der Stadt das neue, 330 Betten große Lahrer Klinikum errichtet werden. Zumindest haben die Frauen und Männer das so in der Zeitung gelesen.

 

„Offiziell wissen wir gar nichts“, sagt Melanie Kappus und erntet zustimmendes Kopfnicken. Die junge Familienmutter hat nach einem LZ-Bericht über die Krankenhaus-Pläne eine Umfrage unter Freunden und Bekannten gestartet. Ergebnis: „Der Großteil im Dorf hat gar nicht auf dem Schirm, wie konkret das Ganze ist – und vor allem, wie schnell jetzt alles gehen soll.“

Wie mehrfach berichtet, hat die Stadt nach einem monatelangen Suchlauf einen Standort-Favoriten für den geplanten Klinik-Neubau auserkoren, und mit dem Ortenaukreis als Bauherr grundsätzlich auch schon Einigung über die Fläche auf Langenwinkeler Gemarkung erzielt. Ende September beauftragte der Gemeinderat hinter verschlossenen Türen die Verwaltung, einen Grundsatzbeschluss vorzubereiten. Demnach soll die Stadt den Standort dem Kreis anbieten und für die notwendige Infrastruktur sorgen. Bereits am 23. Oktober wird das (öffentliche) Ja des Gemeinderats erwartet, einen Tag später das Vorhaben im Kreistag präsentiert.

Dorfbewohner wollen keine „Klinik-Verhinderer“ sein

„Ohne, dass wir wissen, was wirklich geplant ist“, sagt Wolfgang Lauer und hebt die Schultern. Er zeigt zwar Verständnis, „dass man nicht bis ins letzte Detail vorab informieren kann. Aber die Kommunikation aus dem Rathaus ist de facto gleich null.“ Auch Manuel Erfurt hätte gerne „wenigstens ein Minimum an Informationen gehabt“. Denn dann hätten die Langenwinkeler schon frühzeitig ihre Bedenken gegen den avisierten Standort äußern können. Wie die anderen, die an diesem Abend das Wort ergreifen, ist Lauer und Erfurt wichtig zu betonen, „dass wir definitiv nicht gegen ein neues Krankenhaus sind. Aber hier ist nicht der geeignete Platz.“ Darüber müssten die Lahrer Bescheid wissen, finden sie.

Die Wahl der Stadt fiel auf eine Fläche, die im Norden direkt an den Autobahnzubringer angrenzt und im Süden neben dem Reit- auch an den Fußballverein. Im Osten liegt der Friedhof, im Westen ein kleiner Wald. Der Bereich vor der ersten Baumreihe, so berichten die Langenwinkeler, sei schon seit Jahren Tabuzone, genauer: eine Ausgleichsfläche für das frühere Landesgartenschau-Gelände und das Baugebiet Hosenmatten. „Jetzt soll es plötzlich egal sein, dass dort gefährdete Tiere und wertvolle Pflanzen leben?“, fragt Kappus. Sie habe schon mit dem Lahrer Nabu Kontakt aufgenommen (siehe Info). Das Areal sei längst ein Naherholungsgebiet.

Freilich sorgen sich die Dorfbewohner neben Flora und Fauna auch um ihr eigenes Wohlbefinden. „Wenn ständig Rettungswagen anfahren und Hubschrauber landen, ist es vorbei mit der Ruhe“, sagt eine Frau. Schon im „normalen“ Krankenhaus-Verkehr sehen die Langenwinkeler eine Belastung – vor allem in den Autos, die aus Richtung Süden anrollen: „Da fährt ja niemand erst auf den Zubringer, sondern direkt zum Krankenhaus, und damit mitten durch den Ort.“

Abwarten oder gleich handeln?

Ungewiss scheint für die Dorfbewohner die Zukunft der ansässigen Vereine. Dass sich das Klinikum auf Dauer mit Reit- und Spielbetrieb verträgt, kann sich kaum jemand vorstellen. Die Unruhe im Umfeld eines Krankenhauses würde die Pferde schrecken, andersherum, so die Befürchtung, könnten die Fußballer schnell zum Störfaktor für den Klinikbetrieb werden – nicht zuletzt, wenn sie abends zum geselligen Teil übergehen.

Immer wieder ist am Mittwoch die Langenwinkeler Sorge herauszuhören, als „Krankenhaus-Verhinderer“ abgestempelt zu werden. OB Markus Ibert bilanzierte nach der nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung vergangene Woche, bei der auch der Langenwinkeler Ortschaftsrat dabei war, dass das Dorf zum Krankenhaus stünde. Damit werde Druck aufgebaut, „der fast schon an Erpressung grenzt“, findet Kappus. Wie andere sieht sie im sogenannten Zuckerhof weiter westlich der B 415 entlang, in unmittelbarer Nähe zur Autobahn gelegen, einen deutlich besser geeigneten Klinik-Standort: „Da wird niemand gestört.“ Lauer fragt sich derweil, „warum nicht zwischen Langenwinkel und Kippenheimweiler gebaut wird. Da soll ja auch die neue Kreisstraße hin.“

Eine frische Markierung auf der Straße beim Sportgelände. Die Langenwinkeler fragen sich: Ist das ein Eckpunkt des neuen Krankenhauses? Foto: Bender

Antworten auf ihre Fragen erhoffen sich die Langewinkeler am 17. Oktober. An diesem Tag findet ab 20 Uhr in der Turn- und Festhalle eine öffentliche Ortschaftsratssitzung statt. Thema: der geplante Klinikneubau. Die Einladung dazu verschickte die Stadtverwaltung wenige Stunden vor dem Treffen am Mittwochabend.

Über das weitere Vorgehen bis zur Ortschaftsratssitzung sind sich die knapp 30 Dorfbewohner uneins: Während die einen abwarten wollen, „was uns die Entscheider am 17. Oktober zu sagen haben“, würden andere gerne „lieber heute als morgen“ Unterschriften gegen das Krankenhaus am geplantem Standort sammeln. Melanie Kappus, die die Zusammenkunft beim Reitverein initiiert hatte, weist auf das kleine Zeitfenster bis zur Entscheidung im Kreistag hin: „Wir müssen etwas tun, bevor alles beschlossen ist.“ Sie ist sich sicher: „Im Ort gibt es noch viele mehr, die das genauso sehen.“

Auch vom Lahrer Nabu-Chef kommt Kritik

„In puncto Naturschutz ist der geplante Klinik-Standort in Langenwinkel nicht im Sinne des Erfinders“, sagte Udo Baum, Vorsitzender des Lahrer Nabu, am Donnerstagmittag unserer Redaktion. Der Haltung des Nabu-Vorstands wollte er vor dessen Sitzung am Abend nicht vorgreifen, doch seine Meinung ist klar: „Das ist ein No-Go.“ Damit bezieht sich Baum nicht nur auf mögliche Folgen für Tiere und Pflanzen, die durch Bau und Betrieb beeinträchtigt würden: „Es ist nicht üblich, dass man solche Dinge in nicht-öffentlichen Sitzungen behandelt.“ Laut Baum wurde ein Teil der Fläche, auf der das Krankenhaus entstehen könnte, in den 1970er-Jahren zu Biotopen entwickelt. Später seien weitere Äcker als Ausgleichsflächen hinzugekommen. „Ich bin gespannt, wie die Stadt dann die Ausgleichsfläche zur Ausgleichsfläche umsetzen will.“ Auch der vorgeschriebene Abstand zum Wald sei ein Problem, so Baum. „Werden die 30 Meter eingehalten, steht die Klinik direkt in Langenwinkel.“