Waldrefugien sind eine Art kleine Bannwälder, in denen der Wald seiner Entwicklung und seinem Zerfall ungestört überlassen wird. Foto: Tröger

Althengstett wird das Alt- und Totholzkonzept des Landes umsetzen und dafür Waldbestände im Gemeindewald dauerhaft aus der Nutzung nehmen. Damit sollen die ökologischen Ziele der letzten Forsteinrichtung umgesetzt werden.

Althengstett - Forstrevierleiter Jürgen Martinek führte den Althengstetter Gemeinderat "im Schnelldurchgang" in das Alt- und Totholzkonzept des Landes ein. Im baden-württembergischen Staatswald wurde es bereits 2010 verbindlich eingeführt. Mit dem Konzept soll nun auch in Althengstett der Lebensraum für Arten, die auf Alt- und Totholz angewiesen sind, gesichert und die biologische Vielfalt gestärkt werden.

Das Konzept besteht aus drei Elementen: Einzelne Habitatbäume wie Großhöhlen- und Horstbäume werden dauerhaft im Gelände markiert. Habitatbaumgruppen aus zehn bis 15 Bäumen werden mit weißen Wellenlinien markiert und digital erfasst. Das dritte Element sind die Waldrefugien, im Gelände gekennzeichnete alte Baumbestände von mindestens einem Hektar Größe, die ihrer natürlichen Entwicklung und dem Zerfall überlassen werden. Sie werden in der Forsteinrichtung kartografisch erfasst und müssen von der unteren Naturschutzbehörde anerkannt werden. Die drei Elemente sollen auf der gesamten Waldfläche ausreichend vernetzt sein, um die Biodiversität zu erhalten und zu fördern.

Auf knapp 25 Hektar

Es wird die Ausweisung von neun Waldrefugien auf knapp 25 Hektar Waldfläche empfohlen, was etwa fünf Prozent der Holzbodenfläche entspricht. Holzbodenfläche ist gleich Fläche mit Baumbestand, wie Martinek erläuterte. Anhand einer Karte zeigte er die bisher zusammen mit der Abteilung Forstbetrieb und Jagd am Landratsamt ausgewählten Flächen. Er betonte, dass man nicht die produktivsten Flächen ausgesucht habe, "sondern Laubbaumflächen, die auf wenig produktiven Zuwachs ausgelegt sind. Entscheidend ist die Vernetzung der einzelnen Trittsteine, damit Wanderungen stattfinden können", so Martinek.

Rätin Amei Fischer (Grüne) hatte sich vorgestellt, dass eher größere Gebiete sinnvoll wären. Die Festlegung auf eine Größe von eins bis drei Hektar pro Refugium käme von oben, entgegnete Martinek. Fischer regte an, eine Führung durch die vorgestellten Refugienflächen zu machen.

Ob Refugien zwingend seien oder ob man das machen könne, fragte Ute Steinheber (CDU). Die klare Ansage von Bürgermeister Clemens Götz: "Wir machen das, weil es vernünftig ist."

Äste müssen liegen bleiben

Fragen zur Verkehrssicherungspflicht entlang von Wegen und Nutzflächen, die an Waldrefugien grenzen, hatten Thomas Schmidt und Jörg Nonnenmann (beide Freie Wähler). "Verkehrssicherung darf man machen, entfernte Bäume oder Äste muss man dann aber liegen lassen", so der Förster. Generell gilt, dass Jagd stattfinden kann und die Gebiete frei begehbar sind.

Angelika Holzäpfel (CDU) regte an, sich mit der Feuerwehr zusammenzusetzen, denn "in trockenen Totholzgebieten steigt die Waldbrandgefahr".

Zwei Fragen hatte Lothar Kante (SPD). Zum einen wollte er wissen, ob der BUND eingebunden gewesen sei. Martinek antwortete: "Ich denke, dass wir nicht anecken." Es habe zwar keinen Arbeitskreis gegeben, der Förster sieht trotzdem die Belange des BUND ausreichend berücksichtigt. Ob schon durchgerechnet sei, wie viele Ökopunkte es pro Refugium gibt, wollte Kante weiter wissen. "Es gibt vier Ökopunkte pro Quadratmeter Refugiumfläche. Bei 25 Hektar sind das also eine Million Punkte", rechnete Martinek vor.

Auf Ökopunkte verzichten?

Philipp Jourdan (Grüne) wollte einen fünften Punkt in den vierteiligen Beschluss aufgenommen haben: "Wir verzichten auf die Ökopunkte und machen das Ganze um seiner selbst willen." Wo man dann Ökopunkte herhole, war die Sorge von Nonnenmann. "Wenn wir nicht weiter Baugebiete entwickeln, brauchen wir keine Ökopunkte", so Jourdan. Rüdiger Klahm (CDU) betonte: "Ich bin dagegen, auf Ökopunkte zu verzichten. Der Gemeinderat behält dann das Heft in der Hand." Auch Bürgermeister Götz widersprach Jourdan: "Ich halte Ökopunkte für sinnvoll. Wie wir sie ausgeben, ist dann unsere Wahl."

Martin Jourdan (UW) fragte in die Runde, ob jedem klar sei, dass das Ganze für immer ist, und erinnerte: "Wir machen doch schon seit Jahren Biodiversität. Wir holen das Stammholz raus und alles andere bleibt liegen." 25 Hektar sei eine große Fläche, die man nicht mehr nutzen könne. Bei einer kürzlichen Losvergabe hätten einige Interessenten nichts bekommen, gab Martin Jourdan zu bedenken. "Wir wissen nicht, was in 20, 30 oder 40 Jahren ist", entgegnete Martinek, "die Refugien werden auf jeden Fall für sehr lange Zeit nicht mehr bewirtschaftet." Es sei richtig, dass der Brennholz-Hype anhalte. "Viele Leute glauben jedoch, dass außer Laubholz nichts brennt", so der Förster. Mittlerweile gebe es jedoch vermehrt Leute, die auch Nadelholz kaufen.

Situation in Nachbarorten

Rainer Kömpf (UW) fragte, ob die Idee der Trittsteine an der Gemeindegrenze ende und wie es in den Nachbargemeinden aussieht. Gechingen sei auf dem gleichen Stand wie Althengstett und setze das dreiteilige Konzept auf sieben Prozent seiner Waldfläche um, sagte Martinek dazu. In Simmozheim werden nur Waldrefugien ausgewiesen und "in Ostelsheim haben wir den Auftrag, Flächen zu benennen".

Wie zu gewichten sei, dass beim Zerfall CO und Methan entstehe, wollte Markus Schwarz (UW) wissen. "Der Zerfall geht langsam und gleichzeitig baut sich wieder etwas auf. Das ist schwierig zu gewichten", antwortete Martinek.