Bernd Nickel (unteres Bild links) weist Gemeinderäten und Jägern den Weg. Er berichtet zusammen mit Frank Kapahnke über ein nicht alltägliches Projekt im Hofbosch. Es beinhaltet Truppbepflanzungen, Eichen, dienende Bäume, Tümpel, Wurzelteller, Wuchshüllen, am besten nasses Wetter, Ökopunkte und einen Blick bis ins Jahr 2221. Fotos: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Hofbosch: Warten auf 10 500 Wuchshüllen / Hoffen auf keinen heißen Sommer / Ein Projekt für Natur und Ökopunktekonto

Natürlich ist dies ein Schock für Fans der Fichte, angeordnet wie Zinnsoldaten. Denn im Hofbosch entsteht etwas Spannendes für Freunde der Natur. Grob umschrieben: Eichenpflanzung auf etwa vier Hektar Fläche. Der Forstmann geht bei einem Ortstermin mit dem Gemeinderat ins Detail.

Bösingen. Dass Eichenpflanzung zu kurz gegriffen ist, wird schnell klar. Das fragliche Areal sieht beinahe wie ein Schlachtfeld aus (nach dem 2020er-Windwurf, der 1300 Festmeter betraf), doch mit einem Charme, der in der näheren Umgebung seinesgleichen sucht. Da ist etwas Großes im Entstehen. Wenn denn nichts Unglückliches dazwischenkommt. Wie etwa der vierte trockene Sommer in Serie. Immerhin spendet ein Regenschauer an diesem Abend Trost und Hoffnung.

Für Frank Kapahnke (Forstamt Rottweil, Gebietsleitung Neckar-Albvorland) und Bernd Nickel (Leiter des Forstreviers Epfendorf, zu dem Bösingen gehört) könnte es mit diesem feuchten Wetter durchaus noch sechs Wochen so weitergehen. Zu viel habe die Natur aufzuholen. Und falls doch die Sonne wochenlang runterknallt, gibt es Gedankenspiele, die Feuerwehr zum Notbewässern dieser Fläche unweit der Kasperleshöfe einzuschalten.

Auf vier Hektar Fläche

Ein Sturmereignis hat vor gut einem Jahr die Fragilität des Waldes in Zeiten der Klimaveränderung offengelegt. Die etwa 60 Jahre alten Fichten erwiesen sich als anfällig und fielen. Das Problem mit dem Borkenkäfer und der Trockenheit hat der Sache nicht gedient. Im Gegenteil. Um nun der Natur etwas Gutes zu tun mit Blick auf Nachhaltigkeit und der Gemeinde Bösingen mit Blick auf ihre Finanzen kam die Idee ins Spiel, die nun umgesetzt ist. Trocken formuliert: das Generieren von Ökopunkten.

Konkret bedeutet dies, dass 10 500 Pflanzen gesetzt wurden. Und zwar als Truppbepflanzung. Keine Reihenpflanzung. Da musste sorgfältig ausgewählt werden, was wo auf dieser Fläche hinkommt. Im Prinzip beinahe eine Generalstabsarbeit, wie der Blick auf Nickels Landkarte bestätigt.

Nun säumen 280 Trupps besagte vier Hektar. Jede mit einer Eiche im Mittelpunkt. Also 70 pro Hektar. Und mit dienenden Pflanzen um sie herum. Diese sind etwa zu 50 Prozent Hainbuche und Weißtanne (neongelbe Markierung an der Hülle) sowie etwa zu 50 Prozent Winterlinde (orange). Dazu kommen einige Exoten wie Kirsche (blau) und Feldahorn (weiß).

Blick ins Jahr 2221

Alles Pflanzen, von denen sich die Fachleute erhoffen, dass sie den veränderten klimatischen Bedingungen mutig trotzen. Und hier wird nicht in Jahrzehnten gedacht wie bei Fichten, sondern in Jahrhunderten. Eine stolze Eiche entfaltet erst nach 200 Jahren ihre ganze Pracht. Generell. Und auch beim Holzpreis.

Nicht zu vergessen sind drei Tümpel auf dem Areal. Jeder etwa 250 Quadratmeter groß. Da kam den "Landschaftsgärtnern" der Untergrund zugute. Sie stießen auf eine Tonschicht, die dicht macht und somit das Wasser hält. Nach momentanem Stand könnte jeder dieser Seen noch etwa 30 bis 40 Zentimeter Wasser vertragen.

Dass die Natur eine gewisse Vielfalt schätzt, zeigte sich bereits in dem Jahr, in dem diese Fläche zum großen Teil sich selber überlassen wurde. So ist die Rede von Gelbbauchunke, Wildente und Brombeerteppich. Letzteres klingt lieblich, hat sich allerdings für die Männer der Praxis als eine gewisse Herausforderung dargestellt.

Für Männer der Tat

Schließlich sollte jede der 10 500 Pflanzen nachhaltig Kontakt mit dem humosen Boden finden. Und da stören zum Beispiel Brombeerteppiche und Fichtenwurzelteller das fließbandartige Anpflanzen massiv, dem Theoretiker ein gewisses, knapp bemessenes Zeitfenster zubilligen.

So war es halt deutlich anspruchsvoller, verlangte mehr Vorbereitung, doch der Revierleiter ist voll des Lobes über seine Männer der Tat. Nur zur Einordnung für die interessierten Gemeinderäte: 16,5 in der Stunde waren schließlich machbar statt 35 auf dem Papier.

Dass die Corona-Pandemie sogar das Arbeiten im Forst nicht gänzlich in Ruhe lässt, hat sich angedeutet, als die für das Gelingen des Projekts lebensnotwendigen Wuchshüllen nicht geliefert wurden. Ohne Wuchshüllen wären die jungen Pflanzen eine Delikatesse für Reh und Hirsch gewesen – und zwar ein kostenfreies Fünf-Sterne-Menü an gedecktem Tisch.

Wie sich herausgestellt hat, legten die Wuchshüllen zwar keinen längeren Zwischenstopp im Suezkanal zurück, doch es war ein Zitterspiel, bei dem Bernd Nickel nach eigenen Worten laut werden musste, bis sie endlich geliefert wurden. Gerade rechtzeitig mit Blick auf das Pflanzen, die Jahreszeit und das gesamte Projekt.

Was das Projekt kostet

Kostenfrei ist all dies natürlich mitnichten. Die Gesamtplanungssumme betrug laut Forst 65 000 Euro. Stand heute seien es 68 500 Euro. Vor allem der relativ aufwendigen Kulturvorbereitung geschuldet, wie oben angedeutet.

Es wäre natürlich fatal, all das Gesehene und Gehörte allein mit dem Forstamt in Verbindung zu bringen. Eine wesentliche Rolle spielt hier die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rottweil, in Person von Joachim Gommel (Bau, Naturschutz, Gewerbeaufsichtsamt). Ein unermüdlicher Verfechter für die Sache. Er wird mehrmals an diesem Abend erwähnt.

Und er, beziehungsweise die Behörde, kommt erneut konkret ins Spiel, wenn die Fläche zur Bepunktung ins Rennen geht. Dann erst lässt sich sagen, was die Gemeinde für Werte geschaffen hat.

Auch dauert es seine Zeit, bis Revierleiter Bernd Nickel innerlich erfreut durchatmen kann. In etwa fünf Jahren sollen all die jungen Bäume etwa einen Meter aus den Wuchshüllen herausragen. Wenn nicht, so Nickel mit Verve in der Stimme, gehe er in den Vorruhestand.

Spannend wird es sowieso sein, wie die Pflanzen über den Sommer kommen. Sollten zum Beispiel 30 Prozent von ihnen massiv schwächeln, wäre es kein Vergnügen, in jede Wuchshülle zu blicken, um die Zu-kurz-Gekommenen auszusortieren.

Doch daran denken die Fachleute nicht. Die bisherige Entwicklung sei überraschend positiv, freuen sich Kapahnke, Nickel und Bürgermeister Johannes Blepp. Und sie wissen, dass permanentes Überwachen die kommenden Jahre bestimmt. Ebenso die Jungbestandspflege. Im Gemeindewald. Und generell.

Jäger mit im Boot

Im Hofbosch ist nun ein wichtiger Baustein gesetzt, um sich im Forst vielfältig aufzustellen. Dass dazu aber auch die Jäger gehören, kündigt ein Knall an. Ein Schuss, der just in diesem Moment aus Richtung Harzwald zu hören ist und als Zeichen verstanden wird. Und sei es nur als Ansage an den Wettergott, gnädig mit der Natur und den Sündern auf Erden zu sein.