Links der Wiese-Fluss, rechts die Bundesstraße – dazwischen die grüne Wiese, auf der ein Nahversorgungszentrum entstehen soll. Foto: Anja Bertsch

Die Pläne für ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese am Hausener Ortseingang nehmen Gestalt an. Was bedeutet das für die Traditionsläden im Dorf?

Es ist nicht mehr viel übrig an Gewerbe und Nahversorgung im Hebeldorf: Metzger, Bäcker, Bank und Apotheke als kleinere Anbieter für den täglichen Bedarf, Brennet und Autokabel als große Gewerbebetriebe: Allesamt nach und nach geschlossen, beziehungsweise (Stichwort Autokabel) kurz davor.

 

Aufschwung oder Totenglöcklein?

In der Gemeinderatsdebatte um ein neues Nahversorgungszentrum zwischen Bundesstraße, (Fluss) Wiese und Brücke am Hausener Ortseingang diente eben dieser Abwärtstrend denn auch als Argument für das Projekt, das in den Augen der Befürworter einen Kontrapunkt setzen könnte. Im Ort indes bezweifelt so mancher, dass ein Märktezentrum auf der grünen Wiese ein geeignetes Gegenmittel ist – und sieht dadurch im Gegenteil auch noch für die verbliebenen ortsansässigen Geschäfte das Totenglöcklein läuten.

Betroffene üben sich in Gelassenheit

Die Betroffenen selbst – Inhaberin Petra Seger für den Frischmarkt Seger im Burichweg, Andreas Paul für Pauls’s Markt und Paul's Mühle in der Hebelstraße – beobachten die Vorgänge durchaus mit scharfem Auge – und üben sich zugleich vorerst in Gelassenheit, so das Signal, das beide gegenüber unserer Zeitung senden.

Petra Seger übt sich in Gelassenheit. Foto: Anja Bertsch

Was ein zusätzlicher großer Lebensmittelmarkt vor Ort wohl für ihre Zukunft bedeutet? „Veränderung“, so die lapidare Antwort von Petra Seger im Gespräch mit unserer Zeitung. „Man wird sehen, was wird und wie es für uns rauskommt. Ändern kann ich es ohnehin nicht.“ Von den Plänen erfahren habe sie glücklicher Weise nicht erst aus der Zeitung; viel mehr sei sie vom Hausener Bürgermeister in einem Gespräch vor einigen Wochen schon informiert worden.

Institution seit über 60 Jahren

Ihr Lebensmittelmarkt ist eine echte Institution im Hebeldorf: Seit mehr als sechs Jahrzehnten finden die Hausener hier auf überschaubarem Raum ein kaum überschaubares Sortiment an Lebensmitteln. Wer mag, kann bei Segers zudem sein Glück beim Totto Lotto versuchen, und die Post- und Päckchengeschäfte lassen sich nebst Infoaustausch und Schwätzchen auch gleich erledigen. Die zahlreichen Stammkunden wissen den Laden als Nahversorger vor Ort ebenso zu schätzen wie als Treffpunkt mit persönlicher Note.

Die Kunden entscheiden

In eben dieser persönlichen Bindung und Wertschätzung sieht Petra Seger denn auch einen entscheidenden Faktor. „Ob unser Laden hier eine Zukunft hat, liegt in den Händen der Kundschaft. “ Die Erfahrungen nach der entscheidenden Gemeinderatssitzung Anfang Oktober geben ihr da Anlass zur Zuversicht: Sie habe in den vergangenen Tagen eine Menge Zuspruch erfahren, berichtet Seger – Leute, die seit längerem einfach mal wieder den Weg in den Laden gefunden haben, und andere, die ausdrücklich betont haben, wie froh sie um den Laden vor Ort sind.

Frischeangebot als Pluspunkt

Einen weiteren großen Pluspunkt, zumindest gegenüber einem Discounter, der ja im Gespräch ist, sieht die Inhaberin im Frischeangebot: In ihrem Laden finden die Kunden das Vollsortiment abgepackter Lebensmittel ebenso wie frisches Obst und Gemüse, Backwaren teils aus dem eigenen Ofen und die Wurst- und Fleischtheke mitsamt selbstgemachten Salaten und Frikadellen.

Ob diese Punkte für die Zukunft tragen? „Abwarten“, formuliert Petra Seger ihre Devise – und verweist darauf, dass dieses Warten und Weitermachen ja auf jeden Fall noch einige Zeit andauern wird: Mit Blick auf die Umsetzung des Projekts ist mal von zwei, mal von drei oder sogar fünf Jahren die Rede.

Verständnis für den Richtungsentscheid

Auch Andreas Paul bemüht sich im Gespräch mit unserer Zeitung um eine ausgewogene Perspektive, und darum, den Ball flach zu halten. Gemeinsam mit seinem Bruder Michael betreibt er Paul’s Mühle und Paul’s Markt; das Sortiment reicht von Getränken über Gartenartikel bis zum Futtermittel für Tiere.

Die Inhaber von Paul’s Markt setzen darauf, dass das neue Angebot keine direkte Konkurrenz bedeutet. Foto: Anja Bertsch

„Klar ist: In Hausen muss was passieren. Wenn immer mehr Gewerbe wegbricht, kann das auf Dauer nicht gutgehen“, zeigt er aus Gemeindeperspektive Verständnis für den Richtungsentscheid des Gemeinderats.

Noch ist vieles unklar

Mit Blick auf die konkreten – oder doch eher noch unkonkreten – Planungen will er sich noch nicht beunruhigen lassen. Welche Anbieter sich auf dem Grundstück ansiedeln, und ob es überhaupt so weit kommt, sei noch längst nicht ausgemacht. Auf jeden Fall dürfte noch einiges Wasser die Wiese hinabfließen, bis an besagtem Wiese-Ufer etwas Neues entsteht, prognostiziert Paul. Zusätzlich zur obligatorischen Zeitspanne, die ein solches Projekt ohnehin brauche, gebe es für das konkrete Areal doch einige grundsätzlichere Herausforderungen.

Hochwasserschutz und Verkehrsanbindung als Herausforderungen

Die Anbindung an die B 317 zum Beispiel, bei der die Verkehrsbehörden ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Oder die Lage des Grundstücks am Wieseufer, die einen erheblichen Aufwand in Sachen Hochwasserschutz nötig macht (das Grundstück muss aufgeschüttet werden), und auch mit Blick auf den Wasserschutz  einige Anforderungen mit sich bringen dürfte. „Bevor da etwas passiert, sind noch viele Hürden zu überwinden“, ist Paul überzeugt.

Keine direkte Konkurrenz

Und auch wenn diese womöglich ausgeräumt werden können, sei noch keineswegs ausgemacht, welches Angebot auf dem Grundstück seinen Platz finden soll, und ob dies in direkter Konkurrenz steht. „Klar, wenn das ein Lebensmittelmarkt inklusive großem Getränkemarkt wird, können wir diese Sparte wohl dichtmachen“, räumt Andreas Paul ein. Das Aus für seinen Betrieb würde allerdings auch das keineswegs bedeuten, ist er sicher: Dass der Futtermittel-Handel als weiteres wichtiges Standbein durch die Neuansiedlung Konkurrenz bekomme, sei kaum zu erwarten.

Kritik an fehlenden Infos

Wenngleich Paul den Entwicklungen vorerst gelassen entgegensieht, sieht er in der Kommunikation der Gemeinde einen Versäumnis: Zwar sei er von der Richtungsentscheid nicht komplett überrumpelt worden, sondern habe im Vorfeld der Gemeinderatssitzung von den Plänen erfahren. Das allerdings nur aus dem Kreis der Gemeinderäte, keineswegs von Bürgermeister Philipp Lotter selbst, der weder ihn noch sein Bruder Michael als Mit-Inhaber des Geschäfts kontaktiert habe. Die entsprechende Mitteilung Lotters sei daher doch eine „etwas komische Aussage“.

Schon in der Gemeinderatssitzung waren Stimmen lautgeworden, die kritisiert hatten, dass die betroffenen Traditionsbetriebe vor Ort von den für sie womöglich existenzbedrohenden Plänen nicht informiert worden seien. Dem hatte Lotter im Nachgang zur Sitzung in einem Statement gegenüber unserer Zeitung explizit widersprochen.