Seit Tagen dominiert der Moderator Thomas Gottschalk die Schlagzeilen, weil er mit provokanten Ansichten Werbung für sein neues Buch macht. Dabei zeigt sich, dass er die Massen noch immer bewegt – wenn auch auf fragwürdige Weise.
Ein Jahr ist es her, seit Thomas Gottschalk bei seiner Abschiedsvorstellung von „Wetten, dass...?“ in einer riesigen Baggerschaufel aus dem ZDF-Studio gekarrt wurde – nicht ohne vorher in einem langen Monolog sinngemäß kundzutun, dass er heutzutage im Fernsehen nicht mehr sagen dürfe, was er denke. Diese Abschiedsworte scheinen ihm nicht gereicht zu haben, denn auf 320 Seiten führt der 74-Jährige in dem am 16. Oktober erschienenen Buch „Ungefiltert“ mit dem Untertitel „Bekenntnisse von einem, der den Mund nicht halten kann“ seine These noch weiter aus. Darüber hinaus teilt er in langen, verschachtelten Sätzen seine Ansichten zum Showbusiness, zu Politik, der Generation Z, zu Influencern und Stars, zu Zigeunersoße und Gendern mit. Nichts, was er dabei kundtut, wurde nicht schon hundertfach diskutiert – meist sogar öffentlich von ihm selbst.
Um für das Buch zu werben, hat Thomas Gottschalk im „Spiegel“ ein Interview gegeben und die WDR-Talkrunde „Kölner Treff“ besucht. Seitdem zeigt sich, dass der Entertainer alles ist, nur nicht egal. Denn mit bewusst provokanten Aussagen wie beispielsweise, dass er Frauen im TV nur rein dienstlich angefasst habe, dominiert er seit Tagen die Schlagzeilen. In die allgemeine Empörung mischen sich nun auch Passagen aus seinem 2015 veröffentlichten Buch „Herbstblond“, in denen Gottschalk darüber schreibt, seine Söhne geohrfeigt zu haben.
Thomas Gottschalk dominiert die Schlagzeilen
All die Schlagzeilen dürften ihn freuen, auch wenn er stets behauptet, den Shitstorm zu fürchten, den man heutzutage bei jeder unbedachten Äußerung zu fürchten habe. Dass seine Aussagen in dem „Spiegel“-Interview unbedacht waren, ist wohl kaum glaubhaft, zumal die Zitate in der Regel dem Interviewten beziehungsweise seinem Management vorgelegt werden, bevor sie abgedruckt oder online gestellt werden.
Auch im „Kölner Treff“ hätte er noch einmal die Gelegenheit gehabt, die eine oder andere Aussage geradezurücken. Der ihm deutlich wohlgesonnene Gastgeber Micky Beisenherz fragte zwar hin und wieder kritisch nach, behandelte Gottschalk jedoch respektvoll und baute ihm mehrere Brücken – über die sich Gottschalk jedoch nahezu starrsinnig weigerte zu gehen. Insgesamt machte er einen mürrischen Eindruck und auch Beisenherz äußerte nach der Talkrunde sein Bedauern darüber, dass Gottschalk die Lockerheit abhanden gekommen sei, die ihn früher auszeichnete.
Thomas Gottschalk greift Cheyenne Ochsenknechts Hand
Besonders unangenehm fiel dabei eine Szene auf, die ausgerechnet passierte, als es um den ewigen Vorwurf ging, Gottschalk habe in seiner Sendung unpassenderweise weibliche Gäste angetatscht. Dazu erzählte er einen Schwank aus seinem Leben, als er als 15-Jähriger die Hand auf das Knie seines Schwarms legte, die diese jedoch mit spitzen Fingern zurück wies. Gottschalk wollte mit dieser Anekdote erklären, dass er seitdem wisse, wie man sich Frauen gegenüber zu verhalten habe. Irritierend nur, dass er zur Veranschaulichung mehrfach ungefragt die Hand seiner Nebensitzerin Cheyenne Ochsenknecht ergriff. Diese fühlte sich – für offenbar alle außer Gottschalk deutlich erkennbar – nicht wohl bei der Berührung. Schauspielerin Natalia Wörner, deren Gesichtsausdruck im Laufe des Gesprächs zwischen Beisenherz und Gottschalk immer gequälter wurde, appellierte später an den 74-Jährigen, die Stimme zu erheben, wenn es um Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen geht. Dies blockte er jedoch ab, was Wörner zu der abschließenden Bemerkung brachte, dass es darum gehe, sich selbst kritisch zu hinterfragen.
Dazu ist Gottschalk, ob in seinem Buch oder bei seinen öffentlichen Auftritten, nicht bereit. Vielmehr will er das tun, was er in seinem Buch „Ungefiltert“ bestreitet: Herumrennen und behaupten, dass früher alles besser war und dass man heute nichts mehr sagen dürfe. Auch als „alter Nörgler“ will er nicht wahrgenommen werden. Doch genau den Eindruck macht er, wenn er alle Influencer über einen Kamm schert und noch scheinbar stolz darüber berichtet, dass er die Webvideoproduzentin Sally Özcan in einer Talkshow als „Backliesl“ bezeichnete. Selbst Superstar Taylor Swift, über die er sich mehrfach in seinem Buch äußert, kann er nichts abgewinnen.
Sein Auftreten und seine Ansichten schmerzen all diejenigen, die ihren „Thommy“ so gerne weiterhin gemocht und ihn für seine unbestreitbare Lebensleistung wertgeschätzt hätten, die jedoch mit dem jammernden „alten weißen Mann“, als der er sich selbst gerne bezeichnet, nicht mehr viel anfangen können. Andererseits gibt es auch einige Menschen seiner Generation, die es sich ebenfalls nicht vorstellen können, auf Worte wie „Zigeunersoße“ verzichten zu können und die sich in Gottschalks ungefilterter Gedankenwelt zu Hause fühlen werden. Der frühere „Wetten, dass...?“-Moderator hat sich jedenfalls dazu entschieden, das Wohlwollen der breiten Masse gegen Aufmerksamkeit um jeden Preis einzutauschen. Und diese hat er auf jeden Fall erhalten.