Fritz Kuhn beim Amtsantritt. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Peter Petsch

In Stuttgart wolle er nicht leben, sagte Fritz Kuhn einst in jugendlichem Sturm und Drang. So kann man sich täuschen. Nun lebt er hier, gar als erster Bürger dieser Stadt. Als erste Amtshandlung will er ein Bäckerseminar geben.

Stuttgart - Heißt es nun Weckle oder Schrippen? Der neue Stuttgarter OB Fritz Kuhn (57) ist weltläufig genug, um beim Bäcker stets das Richtige zu bestellen. In Berlin ist er nicht verhungert, in Stuttgart auch nicht. Solche Erfahrung möchte er weitergeben und dem Sozialdemokraten Wolfgang Thierse gerne beim Einkaufen helfen. Thierse hatte über spießige Schwaben in Berlin gelästert und sich beschwert, dass der zugewanderte „Wecken“ die eingeborene Schrippe verdränge. Kuhn will Thierse nach Stuttgart einladen, „zu einem von mir geleiteten Seminar über unterschiedliche Gebäcksorten“, sagte er bei seiner Amtseinführung am Montag im Rathaus. Dann kann er ihm auch erklären, dass die Sozis in Stuttgart kleine Brötchen backen. Doch der Allgäuer Kuhn hat auch schon mal einen halben Thierse gemacht – und über Stuttgart gelästert. „Ich könnte dort keinerlei emotionale Bindung aufbauen,“ sagte er vor 25 Jahren als Landtagsabgeordneter aus Tübingen, „es ist keine Stadt, in der ich leben wollte.“ So kann man sich täuschen. Die Jugendsünde ist ihm längst verziehen. Mittlerweile hat er Buße getan und zwölf Jahre in Luginsland gelebt. Bevor es ihn nach Berlin zog – und nun wieder zurück. Eines allerdings kann man ihm nur schwer nachsehen: Fritz Kuhn ist Fan von Bayern München.

Als Kuhn jüngst bei Erwin Pelzig in dessen Fernsehsendung war, überreichte ihm der Kabarettist ein Torwarttrikot des FC Bayern. Mit der Nummer 12 und dem Aufdruck „Kuhn“. Ein vorausschauendes Geschenk. Kuhn hätte das strapazierfähige Stück Stoff am Montag im Rathaus gut brauchen können. Und die robuste Natur des einstigen Bayerntorwarts Oliver Kahn auch. Jeder wollte was von ihm. Dort, wo das Gewühl am größten war, steckte Kuhn. Mit Müh und Not konnten ihn die Saalordner vor dem Amtseid aus dem Gewimmel der Fotografen befreien. Sein Anzug überstand es unbeschadet. Er auch. Wenngleich etwas verärgert. Aber der Kahn, Spitzname King Kahn, war ja mitunter auch allergisch gegen zu viel Verkehr in seinem Strafraum. Das Geschenk gab es übrigens nicht umsonst, sondern nur gegen das Versprechen Kuhns, das Trikot bei einem Heimspiel des VfB zu tragen. Dagegen scheint es fast harmlos, mit einem Pro-21-Button auf der Montagsdemo aufzutauchen. Ob King Kuhn die Mutprobe wagt? Um Stimmen braucht er ja nicht mehr buhlen, in acht Jahren ist er zu alt, darf nicht mehr zur Wahl antreten. Als neuer Job winkt vielleicht dann ein Aufsichtsratsposten beim FC Bayern, das wär was: das Duo Fritz Kuhn und Edmund Stoiber als grün-schwarze Doppelspitze.

Man muss dankbar sein, es hätte auch ein KSC-Trikot sein können. Doch genug mit dem Fußball, kommen wir zur Kultur. Jazzer Wolfgang Dauner verriet, „dass Fritz Kuhn bisher nur zwei Platten von mir hat“. Das müsse besser werden, warf Dauners Frau, die Künstlerin Randi Bubat, umgehend ein. Immerhin habe Kuhn die Kultur am Ende seiner Rede erwähnt. „Nur kurz, aber immerhin.“ Doch da werde man genau hinschauen. „Die CDU hat viel für die Kultur getan, vorneweg Wolfgang Schuster“, sagt sie, „die Grünen haben da nicht immer so viel Zuneigung erkennen lassen.“ Thomas Schnabel, Direktor des Hauses der Geschichte, „fand die Rede gut, doch lassen Sie uns mal schauen, was daraus wird“. Moderator Wieland Backes war angenehm überrascht von Kuhn. „Seine Rede war der Höhepunkt des Abends, direkt, anspruchs- und humorvoll“. Kuhn habe viel lockerer als im Wahlkampf gewirkt. Und Backes verriet, er habe Kuhn mal in seine Talksendung „Nachtcafé“ im SWR eingeladen, Kuhn habe aber leider absagen müssen. Das Thema war „Aufstieg und Fall“.

Nun müssen wir noch ein Rätsel lösen. Wie um Himmels willen konnte Kuhn bei der Wahl seines Fußballclubs so danebenliegen? „Mein Vater und mein Bruder waren für 1860 München und den 1. FC Nürnberg . Da brauchte ich einen anderen Verein.“ Aber mussten es die Bayern sein? Der VfB gibt nicht auf, er hat Fritz Kuhn ein Trikot mit der Nummer eins überreicht. Und nachdem Kuhn mittlerweile bekennt, „Stuttgart ist eine wunderbare Stadt“, wird’s vielleicht auch noch was mit dem richtigen Club.

Gesehen: Kuhns Gattin Waltraud Ulshöfer, die Söhne Mario und Leon, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Vorgänger Wolfgang Schuster, die Minister Franz Untersteller und Winfried Hermann, die Oberbürgermeister Boris Palmer, Frank Mentrup, Barbara Bosch, der Chef der EnBW, Frank Mastiaux, Stadtdekan Christian Hermes, Prälat Ulrich Mack, der frühere OB-Kandidat Rezzo Schlauch, die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Barbara Traub, und viele andere.