Der Notarzt-Standort befindet sich in einem ehemaligen Autohaus direkt an der B 463 Foto: Bernklau

In einem ehemaligen Autohaus in Wildberg direkt an der Bundesstraße 463 hat der siebte Notarzt-Standort seine Arbeit aufgenommen. Betrieben wird er – zunächst als Provisorium – von der Johanniter-Unfallhilfe.

Wildberg/Bad Herrenalb - Defibrillator und Elektrokardiogramm (EKG), Notfallmedikamente, chirurgisches Besteck, spezieller Kindernotfallkoffer, Absaugpumpe und Beatmungssets – das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) der Johanniter-Unfall-Hilfe ist vollgepackt mit lebensrettender, medizinischer High-Tech-Ausrüstung.

Stephanie Uhrig, Rettungswachenleiterin der Johanniter für Nagold und Wildberg und Dr. Annette Renz, Notärztin des Klinikverbundes Südwest, hatten daher auch alle Hände voll zu tun, Wildbergs Bürgermeister Ulrich Bünger beim Vor-Ort-Termin das Fahrzeug und seine Ausstattung kurz und kompakt näher zu bringen.

Verkehrstechnisch zentral an der Bundesstraße 463 stationiert

Dass das NEF nämlich tatsächlich an seinem neuen Standort längere Zeit parkt, ist eher ein Bild mit Seltenheitswert. Seit Anfang September ist das neue Rettungsmittel auf dem Gelände der Kfz-Prüfstelle verkehrstechnisch zentral an der Bundesstraße 463 stationiert und hatte bereits in den ersten Wochen rund 50 Einsätze, darunter mehrere Reanimationen. Das NEF ist von Montag bis Freitag jeweils 8 bis 19 Uhr im Einsatz, im November wird noch ein zusätzlicher Rettungswagen der Johanniter rund um die Uhr am Standort stationiert.

"Ohnehin hat uns die Stadt herzlich aufgenommen"

"Rund 15 hauptamtliche Kräfte der Johanniter werden an der Wildberger Wache tätig sein", erläutert Stephanie Uhrig. "Ohnehin hat uns die Stadt mit Bürgermeister Ulrich Bünger sehr herzlich aufgenommen und bei der Standortsuche enorm unterstützt." Ein Kompliment, welches Bürgermeister Bünger nur zurückgeben kann: "Wir haben uns ganz bewusst für den Standort stark gemacht, da er ein enormes Plus an Sicherheit für die Wildberger, aber auch weit darüber hinaus bietet – das Einsatzgebiet des neuen NEF erstreckt sich beispielsweise auch bis in den Nachbarlandkreis Böblingen – was auch sinnvoll ist, wenn man beispielsweise einmal die geografische Nähe Gültlingen-Deckenpfronn betrachtet", so Bünger. "Im Sinne der Bürger werden wir als Gemeinde auch bei der Suche nach einem festen finalen Standort der Rettungswache aktiv bleiben. Gerade was die Sozialräume der Mitarbeiter angeht, darf es aus unserer Sicht gerne noch etwas größer und moderner werden, als es das aktuelle Provisorium vorhält."

Digitale Datenübertragung in die Schockräume

An Bord des neuen Fahrzeugs ist auch in Wildberg, wie seit 2021 bei allen NEFs im Landkreis Calw, eine mobile Sonografie-Ausrüstung. Die Ultraschalltechnologie mit ihrer ortsunabhängigen Bildgebung in Echtzeit ermöglicht den Rettungsteams das präklinische Erkennen von lebensbedrohlichen Verletzungen des Thorax (Brustkorbs), aber sie kommt auch bei Verdacht auf innere Blutungen, eine Thrombose oder auf ein Aneurysma zum Einsatz. Neu zudem die digitale Verbindungsmöglichkeit in die Schockräume: "Mittels Datenübertragung können perspektivisch ab Ende des Jahres zudem Vitalparameter und erste Diagnosen bereits vor Eintreffen des Rettungswagens mit dem Patienten in die Klinik übermittelt werden – ein enormer Zeitvorteil, der Leben retten kann", unterstreicht Dr. Renz.

Fachkräftemangel gerade auch bei Notfallmedizinern

"Zusammen mit den Notarztstandorten Nagold und Altensteig soll der neue Standort maßgeblich zur verbesserten Notfallversorgung im südlichen Landkreis beitragen", ergänzt Alexandra Freimuth, Regionaldirektorin des Kreisklinikums Calw-Nagold im Klinikverbund Südwest (KVSW). Letzterer zeichnet sich für die Notarztbesetzung der NEF-Standorte verantwortlich. "Mit Nagold, Altensteig, Calw, jetzt Wildberg und seit dem Rückzug der Sana Klinik jüngst auch Schömberg und Bad Wildbad unterstehen dem KVSW mittlerweile sechs der sieben NEF-Standorte im Landkreis Calw – voraussichtlich um den Jahreswechsel wird auch noch Bad Herrenalb wieder in unsere Verantwortung der notärztlichen Dienstbesetzung übergehen – eine enorme Herausforderung angesichts des Fachkräftemangels gerade auch bei Notfallmedizinern", weiß Freimuth zu berichten.

6000 Euro für die entstandenen Zusatzaufwendungen

Um parallel auch die sieben weiteren NEF-Standorte im Landkreis Böblingen plus in Leonberg in Teilen zusätzlich den Hubschrauber der DRF, Christoph 41, jeweils 24/7 besetzen zu können, wird der KVSW zum einen vom Deutschen Institut für Katastrophenmedizin (IFK) in Tübingen mit Notärzten unterstützt, bildet aber vor allem selbst aus. Um die notwendige Zusatzbezeichnung "Notfallmedizin" zu erlangen, muss ein Notarztkurs absolviert werden, der 80 Stunden umfasst. Anschließend müssen 50 Notarzteinsätze abgeleistet werden, eine mündliche Prüfung schließt den kostenintensiven Kurs ab. "Wer nach Erhalt der Urkunde innerhalb von sechs Monaten nochmals 144 Stunden als Notarzt im Rettungsdienst in Baden-Württemberg nachweisen kann und im KVSW angestellt ist, erhält von uns rund 6000 Euro für die entstandenen Zusatzaufwendungen rückvergütet."

Frist zukünftig auf 12 Minuten verkürzt

Trotz übernommener Fortbildungskosten und attraktiver Vergütungsmodelle sind Notärzte in Baden-Württemberg genau wie Notfall- und Rettungssanitäter Mangelware. Schrieb das Rettungsdienstgesetz in Baden-Württemberg bislang vor, dass Rettungskräfte die gesetzliche Hilfsfrist von 15 Minuten in 95 Prozent aller Notfalleinsätze erreichen müssen, so verkürzt sich die Frist zukünftig auf 12 Minuten. Das Land hatte hierfür im September den Rettungsdienstplan aus dem Jahr 2014 neu gefasst.

Jährliche Kosten bei 500 000 Euro pro Standort

Im Schnitt belaufen sich die Gesamtkosten aller Beteiligten für einen NEF-Standort jährlich auf rund eine halbe Millionen Euro. Daraus, dass Notarztstandorte nicht nur für die Rettungsdienste – im Fall von Wildberg die Johanniter – sondern auch für den KVSW einen nicht unerheblichen finanziellen und logistischen Mehraufwand bedeuten, macht die Regionaldirektorin keinen Hehl: "Derzeit evaluieren wir noch die ersten Wochen, aber um dauerhaft die zusätzlichen Schichtpläne abzudecken, inklusive perspektivisch noch mit Bad Herrenalb, müssen wir im ärztlichen Dienst sicher nachjustieren", sagt Freimuth. "Inwieweit hier eine komplette Refinanzierung mittels Einsatzvergütung durch die Kostenträger stattfindet, wird sich zeigen. Im ersten Schritt geht es aber zunächst einmal um die Verbesserung der notärztlichen Versorgung der Patienten hier im Flächenlandkreis."