International gut vernetzt: Carlo Chatrian lent künftig die Geschicke der Berlinale. Foto: dpa

Der Italiener, bisher Leiter des Filmfests Locarno, übernimmt das Berliner Festival

Berlin - Die Debatte um die Nachfolge des langjährigen Berlinale-Chefs Dieter Kosslick wurde über Monate derart leidenschaftlich geführt, dass dem aus Altersgründen fälligen Personalwechsel schließlich die Bedeutung eines symbolisch aufgeladenen Paradigmenwechsels zukam. Da passt es ins Bild, dass die Nachricht über die neue Führung am Potsdamer Platz bereits Tage vor der geplanten Bekanntgabe am Freitag durchgestochen wurde. Die Zeiten, in denen kulturpolitische Entscheidungen allenfalls Eingeweihten interessant erschienen, sind vorbei. Beim Film geht es auch um Glanz und Glamour, und das Votum für den Schweizer Filmpublizisten und Festivalleiter von Locarno, den 46-jährigen Carlo Chatrian, kann als äußerst glamourös bezeichnet werden. Der Mann sieht gut aus, spricht Englisch mit einem sympathischen italienischen Akzent, ist international gut vernetzt und wird in Cineastenkreisen als Kenner geschätzt. Die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters angeleitete Findungskommission hat aus der scheinbar schwer zu lösenden Pflicht eine gelungene Kür gemacht.

Monika Grütters hatte im Vorfeld wiederholt durchblicken lassen, wie wichtig ihr diese Personalentscheidung war. Und da sie an ihrem Plan festhält, die offizielle Entscheidung über die neue und vollständige Berlinale-Leitung erst nach der Aufsichtsratssitzung der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH am Freitag bekanntzugeben, darf man vermuten, dass dass neben dem künstlerischen Leiter Chatrian eine weitere Person benannt wird, der die kaufmännische Leitung der Berlinale angetragen wird.

Die Entscheidung für Chatrian reicht weit über die Welt des Kinos hinaus. Der Streit um die Berliner Volksbühne ist mit der Demission des Intendanten Chris Dercon zwar beruhigt, aber noch keineswegs beendet. Die Berufung des Italieners ist da ein Signal. In einer Zeit, in der nationale Verengungen wieder opportun erscheinen, wird der Anspruch auf internationale Geltung bekräftigt, die keinen Rückzug auf nationale Homogenität zulässt.