Montags und samstags behandelt Sandra Lechleiter ihre Patienten in der Praxis ihres Hauses in Rotenbach. Im Labor nimmt sie unter anderem Abstriche und Operationen vor. Fotos: Ferenbach Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Fischtierärztin Sandra Lechleiter aus Neuenbürg betreut Zierfische in ganz Süddeutschland und sogar in Japan

Die Corona-Pandemie verändert auch die Lebensgewohnheiten der Menschen. Statt in den Urlaub zu fahren, planen und gestalten sie ihre Gärten, Wohnungen oder Häuser. Auch Haustiere sind sehr beliebt. Vor allem auch die Aquaristik und der Gartenteich sind dabei im Kommen.

Neuenbürg. In Zeiten von Corona ist neben Outdooraktivitäten direkt vor der Haustür auch das häusliche "Cocooning" wieder angesagt. Wohnung, Terrasse und Garten werden aufgemöbelt, um sich ein behagliches Zuhause mit Wohlfühlatmosphäre zu schaffen oder sich ein Stück Urlaubswelt in die eigenen vier Wände zu holen. Als Ersatz für fehlende Freunde wird bei manchem Kind der Wunsch nach einem Haustier als Spielkamerad lauter. Dabei denkt man am ehesten an Vierbeiner, wie Hunde, Katzen oder Meerschweinchen. Doch auch der Trend zu Gartenteichen und Aquaristik hält an und dürfte durch die Pandemie noch verstärkt werden, wie Sandra Lechleiter, Fachtierärztin für Fische aus Neuenbürg, meint. Laut dem Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands befanden sich im Jahr 2019 in vier Prozent der deutschen Haushalte 1,9 Millionen Aquarien. Der Umsatz bei Zierfischen lag bei 182 Millionen Euro, der von Zierfischfutter bei 53 Millionen Euro.

Praxis in Rotenbach und Hausbesuche in Süddeutschland

Seit Oktober 2006 wohnt Lechleiter mit ihrer Familie in dem damals erworbenen Haus in der kleinen Rotenbach-Siedlung am Rande Neuenbürgs. Dort, am Ufer des gleichnamigen Bachs und in der Nähe vieler "weicher" Quellen, fand die 57-Jährige die idealen Voraussetzungen, um ihrem Beruf als selbstständige Veterinärin nachzugehen. Sie gehört zu den deutschlandweit 33 Fachtierärzten für Fische, wovon lediglich fünf selbstständig sind. Die weitaus größere Zahl arbeitet bei den tierärztlichen Untersuchungsämtern der jeweiligen Bundesländer. Auch Lechleiter war vor ihrer Selbstständigkeit im Jahr 1998 zunächst als Pathologin, dann als Fachärztin beim Fischgesundheitsdienst des tierärztlichen Untersuchungsamtes in Stuttgart tätig. 1996 legte sie die entsprechende Fachtierarztprüfung ab. Das Einzugsgebiet ihrer Kunden und Patienten erstreckt sich seither auf den gesamten süddeutschen Raum.

Zudem betreut sie deutschlandweit sämtliche Filialen der Firma Kölle-Zoo. Montags und samstags arbeitet sie zu Hause, erledigt Büroarbeit, betreut Kunden in der Praxis, führt Untersuchungen und Operationen durch oder schreibt an diversen Fachartikeln. Von Dienstag bis Freitag ist sie täglich auf Tour bei Zoofachgeschäften, Großhändlern für Aquaristik und Zierfischhaltern. Zwischen 200 und 600 Kilometer legt sie dabei für bis zu acht Termine zurück. Daneben ist die mit dem beim Ministerium für Ländlichen Raum bis 2011 tätigen Fischereibiologen Thiylbert Strubelt verheiratete Mutter einer erwachsenen Tochter bis in die Abendstunden telefonisch erreichbar. "Über größere Distanzen hinweg werden in der Regel erst einmal telefonisch Ratschläge erteilt, wie bei auffälligem Verhalten der Fische zu verfahren ist", schildert Lechleiter. "Eventuell kann der Kunde selbst einen Abstrich von Kiemen oder Schleimhaut machen und mir dazu eine Aufnahme unter dem Mikroskop zusenden. Oder er lässt diesen von einem Institut in der Nähe, welches virologische Untersuchungen durchführt, untersuchen."

Charaktere der Kois prägen Beziehung zueinander

Für Interessenten bietet Lechleiter dazu in den Herbst- und Wintermonaten Seminare in ihrer Praxis an. "Da werden die Teilnehmer dann in der Entnahme von Abstrichen und deren Begutachtung unter dem Mikroskop bis hin zur Erstellung einfacher Diagnosen geschult. Diese können für eine Erste-Hilfe-Leistung, beispielsweise bei Infektionen, aber durchaus zielführend sein. Die dazu erforderlichen Betäubungsmittel sind – ebenso wie viele Medikamente – frei verkäuflich im Handel erhältlich", führt sie aus.

"Viele Kunden kenne ich schon seit 25 Jahren", meint die Veterinärin, zu deren Hauptpatienten die japanischen Edelkarpfen, die sogenannten Kois, zählen. Rund 200 Koi-Besitzer gibt es laut Lechleiter in ihrem direkten Umfeld bis 30 Kilometer Entfernung. Die vordergründig oft als Prestigeobjekt oder Geldanlage angesehenen Haustiere werden ihrer Erfahrung nach gerne von den Chefs mittelständischer Familienunternehmen angeschafft, da diese eher selten in Urlaub fahren könnten und sich daher zuhause eine Oase der Ruhe und Entspannung schaffen würden. Meistens ist Lechleiter dann vor Ort "in einem umwerfenden Garten", am Teich oder Becken des Halters, um nicht nur die Zierfische, sondern auch deren unmittelbaren Lebensraum zu begutachten und Gesundheitschecks durchzuführen.

Die je nach Zuchtrasse und Ausprägung der Farbpigmente unterschiedlich gescheckten Karpfen haben laut Lechleiter auch sehr individuelle Charaktere. Innerhalb einer Gruppe könnten sich im Lauf der Zeit Rollen entwickeln, wie der des Chefs, des Schüchternen oder des Verfressenen.

"Herrchen und Frauchen können da schon mal stundenlang über das Sozialgefüge und die Marotten ihrer Lieblinge erzählen, denen sie mitunter Namen geben und mittels Belohnungen ein bestimmtes Verhalten antrainieren", meint sie. "Die friedfertigen Tiere sind untereinander nicht sichtbar aggressiv, vielmehr handzahm und lassen sich auch streicheln", beschreibt die Fachärztin die besondere Beziehung. Die im Vergleich zu Forellen höher entwickelten Karpfen erkennen aufgrund eines sehr gut ausgeprägten Gehörs ihren Besitzer an dessen Trittschall oder Stimme. "Kois können Farben unterscheiden und haben einen ausgeprägten Geruchs- und Geschmackssinn. Sie bevorzugen süße, eiweißreiche, aber auch würzige Kost, wenngleich sie im Grunde Allesfresser sind und – wie bei den meisten Fischen – auch der eigene Nachwuchs auf der Speisekarte steht", informiert Lechleiter.

Der Aufwand für eine artgerechte Haltung sei jedoch vergleichsweise hoch. Rund zehn bis 50 Kois könne man in einem Becken mit 20 bis 50 Kubikmeter Fassungsvermögen halten, benötige aber eine ausgefeilte Technik zur Wasseraufbereitung mit Heizung, Filter und Pumpe. Hinzu käme der Aufwand für vernünftiges und altersgerechtes Futter. "Da kommen schnell mal zwischen 50 und 150 Euro im Monat zusammen, wohingegen ein normales Aquarium mit Zierfischen schon ab zehn bis 20 Euro im Monat zu betreiben ist. Eine naturnahe Umgebung mit Rückzugsbereichen, eine gute, sauerstoffreiche Wasserqualität sowie das Vermeiden einer Überfütterung sind der Gesundheit der Tiere förderlich. Sie können dann bis zu 30 Jahre alt werden und eine Länge von bis zu einem Meter erreichen" erläutert die Expertin.

Im Fall einer Infektionskrankheit empfiehlt sie je nach Diagnose die Quarantäne der betroffenen Exemplare sowie eine Behandlung über Zusätze im Wasser oder im Futter. Bis heute hat die Fischveterinärin, die schon als Gymnasiastin Tierärztin werden wollte, ihre Berufswahl nicht bereut, auch wenn er mitunter mit hohen Belastungen verbunden und eine Urlaubsvertretung nicht so einfach zu bekommen ist. "Ich bin jeden Tag mit Begeisterung dabei", so Lechleiter, deren eigene Haustierhaltung eine Hündin und ein mit Fischen und Krebsen bewohntes Aquarium umfasst.

Einmal im Jahr fliegt sie nach Japan, wo sie die Konishi Koifarm bei Hiroshima, als einzige deutsche Tierärztin in Japan, betreut. "Natürlich sind diese jährlichen Besuche immer sehr ereignisreich und ich kann mein Wissen über Fischzucht und -haltung dort einbringen. Auch die Gesundheitschecks bei den abgefischten Koi sind immer wieder schön, denn die Koifarm arbeitet sehr sauber und züchtet immer wieder tolle Fische in vielen Varietäten", meint Lechleiter.