In Gebärdensprache übersetzte die gehörlose Mareike Moskaliuk das Lied "Mein kleiner grüner Kaktus", welches das Publikum am ersten Abend der diesjährigen Reihe "Bibel im Gespräch" anstimmte. Zu den Gästen der von Pfarrerin Charlotte Moskaliuk (links) moderierten Talkrunde gehörten auch David Kuhn, Ulrich Gratz und Dorothee Mundle (von rechts). Foto: Ferenbach Foto: Schwarzwälder Bote

Glaube: Auftakt der Reihe "Bibel im Gespräch" mit Gottesdienst und Talkrunde / Umgang mit Schmerz als zentrales Thema

Die evangelische Verbundkirchengemeinde startete mit einem Gottesdienst und einer Gesprächsrunde in die Veranstaltungsreihe "Bibel im Gespräch". In den nächsten Tagen wird mit verschiedenen Experten der Umgang mit Leid thematisiert.

Neuenbürg. Mit einem Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche Neuenbürg und einer Talkrunde im Format für junge Erwachsene startete die Reihe "Bibel im Gespräch" am Sonntag in die fünfte Runde. Im Zentrum der einzelnen Veranstaltungen, die von der evangelischen Verbundkirchengemeinde Neuenbürg organisiert werden und sich über zwei Wochen erstrecken, steht das Thema "Warum lässt Gott das zu?"

"Die Frage nach dem unschuldigen Leid ist eine der wichtigsten und schwersten Fragen an den christlichen Glauben", so die Veranstalter im Programmflyer. Diese wird aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Ansätzen beleuchtet, wozu erneut zwei hochkarätige Referenten verpflichtet werden konnten. Zum einen Theologe Siegfried Zimmer, der gleich zum Auftakt im sehr gut besuchten Gottesdienst die unterschiedlichen Auffassungen beziehungsweise Ausprägungen von menschlichem Leid, dessen Sinnhaftigkeit und den Umgang damit thematisierte. Zum anderen den Theologen Winfried Hänle, der am Mittwoch, 3. April, ab 19.30 Uhr einen Vortrag zum Thema "Wie kann Gott das zulassen?" halten wird.

Einen weiteren Vortragsabend gibt es mit dem Theologen Zimmer am Donnerstag, 28. März, ab 19.30 Uhr zum Thema "Haben wir Gutes von Gott empfangen, sollten wir das Schlechte nicht auch annehmen?". Erstmals findet am Samstag, 6. April, ein Studientag zum Thema "Hiob, der Rebell" statt, welcher ebenfalls von Zimmer geleitet wird und zu dem eine Anmeldung erforderlich ist. Austragungsort ist jeweils das evangelische Gemeindehaus am Schlossberg.

Talkrunde bringt persönliche Erfahrungen mit Leid zur Sprache

Mit einem sehr persönlichen Erfahrungsaustausch zum Thema "Ich hab’s leid! – Wenn das Leben anders läuft" am Sonntagabend sollten insbesondere junge Erwachsene für die Reihe "Bibel im Gespräch" gewonnen werden. Zufrieden zeigten sich am Ende aber auch Moderatorin und Gemeindediakonin Christiane Lächele sowie Pfarrerin Charlotte Moskaliuk, die die Talkrunde leitete, über die Resonanz.

War der Saal des evangelischen Gemeindehauses Buchberg doch gut gefüllt mit Jugendlichen, aber auch mit Zuhörern fortgeschrittenen Alters, die die Erfahrungen der vier geladenen Gäste mit dem Thema "Leid" knapp zwei Stunden lang aufmerksam verfolgten und sich zum Teil auch zu Fragen und kurzen Statements auf den noch freien Stuhl mit ins Podium setzten.

Die seit ihrem zehnten Lebensjahr gehörlose Mareike Moskaliuk aus Würges in Hessen, der junge Realschullehrer David Kuhn, der aufgrund einer Erkrankung nicht mehr Vater leiblicher Kinder werden kann, Ulrich Gratz, Pfarrer und Notfallseelsorger im Landkreis Ludwigsburg, sowie Dorothee Mundle, Therapeutin im Psychosozialen Dienst der Kinderklinik Tübingen, schilderten sehr offen und lebensnah, wie das Leid ihr Leben bis heute geprägt hat und wie ihr Glaube dadurch immer wieder auf die Probe gestellt wurde.

Weitestgehend einig waren sich die Gesprächsteilnehmer darüber, dass es wichtig ist, über sein Leid zu reden, zumal niemand davon verschont bleibe. Nach dem ersten Schock, der auch sprachlich lähmen könne, helfe eine offene Kommunikation und das Aushalten des Leids ohne ein Relativieren durch gut gemeinte Ratschläge den Betroffenen und den Angehörigen am besten weiter.

"Es gibt immer eine eigene Betroffenheit, man muss jedoch Strategien haben, um zum Beispiel nach dem Tod eines Kindes der Familie als Lotse wieder zurück ins Leben zu helfen", schilderte Mundle ihre Erfahrungen im Alltag mit lebensbedrohlich erkrankten Kindern. "Eine gute Begleitung ins Sterben ist auch eine gute Begleitung ins Leben, wobei es wichtig sei, das individuelle Tempo für diese Prozesse zu erkennen und zu berücksichtigen", führte die Therapeutin aus.

"Wir wachsen nicht daran, dass es uns gut geht"

"Der Glaube und das Grundvertrauen, dass Gott mich hält, sind für mich die Basis meiner Arbeit. In Vielem liegt eine Wahrheit, die wir nicht verstehen können, zumindest nicht in diesem Leben", meinte Pfarrer Ulrich Gratz. Für Europäer ist es aus seiner Sicht eher befremdlich, wenn jemand lautstark klagt, was auch David Kuhn bemängelte: "Wir haben keine Klagekultur in Deutschland, auch in der Kirche überwiegt die Orientierung hin zum Positiven", führte der Vater zweier Pflegekinder aus.

"Die Gehörlosigkeit gab mir das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Das Leid kann aber auch verborgene Fähigkeiten ans Licht bringen und uns zu Menschen und Plätzen führen, wo wir diese entfalten können", erklärte Moskaliuk, die dank eines Implantats ihr Hörvermögen teilweise zurückgewinnen konnte, und heute einen Gebärdensingchor leitet, auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Leid.

"Wir wachsen nicht daran, dass es uns gut geht, kritische Momente werfen uns auf uns zurück", lautete das Statement von Mundle. Der Klage mehr Raum geben, Schweigen und Spannung aushalten, Hadern, Neid und Wut zulassen, um dann gegebenenfalls aus der Distanz eine gewisse Erkenntnis und Tiefgründigkeit zu erlangen, lautete das Fazit aus den ausgetauschten Erfahrungen.