Wirtschaft: "Immer an das große Potenzial des Unternehmens, seine Technologien und an die Mitarbeiter geglaubt"
Die Familie Weber, Gründer und langjähriger Eigentümer des Zulieferunternehmens aus Markdorf, hat den maßgeblichen Teil der Weber Automotive Gruppe zurückgekauft. Das betrifft auch das Werk in Neuenbürg, das künftig ebenfalls unter dem Namen Albert Weber GmbH firmieren wird.
Markdorf/Neuenbürg. Der Erwerb der Anteile erfolgte im Rahmen eines sogenannten Asset Deals, bei dem die entsprechenden Vermögenswerte in eine neue Gesellschaft eingebracht werden, die den Geschäftsbetrieb fortsetzt, heißt es in einer Pressemitteilung der Familie Weber.
Die Weber Automotive GmbH hatte im Juli 2019 Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Seitdem waren die Geschäftsführung und der Generalbevollmächtigte Martin Mucha unter Aufsicht und mit Unterstützung des gerichtlich bestellten Sachwalters Christian Gerloff auf der Suche nach Investoren. Die Familie Weber war Alleininhaber des Unternehmens, bis sie 2016 die Mehrheit der Anteile an den Finanzinvestor Ardian verkaufte. Künftig ist die Familie Weber wieder alleiniger Eigentümer der Weber-Gruppe. Die Geschäftsleitung von Weber Automotive informierte die Belegschaft bereits über die Veränderungen.
Der Kaufvertrag wurde Anfang Mai unterzeichnet. Er umfasst neben den Produktionsstandorten der Weber Automotive GmbH in Markdorf, Bernau und Neuenbürg auch die Beteiligungen an der Weber Magdeburg GmbH, der Weber Automotive Corp., USA, und der Albert Weber Hungária Kft., Ungarn. Nicht mit erworben wurde die Beteiligung an der SaarOTEC in St. Ingbert. Für diese strebt die Eigenverwaltung eine andere, unabhängige Einzellösung an. Der Kaufvertrag stehe, wie üblich, unter diversen Bedingungen für Käufer und Verkäufer – das Closing (also der Tag, an dem das Geschäft vollzogen wird) werde erst in einigen Wochen stattfinden, heißt es weiter. Über den Kaufpreis haben die Parteien Stillschweigen vereinbart.
Christian Weber als Gesellschafter der Weber Holding GmbH und Sprecher der Familie Weber: "Wir haben immer an das große Potenzial des Unternehmens, seine Technologien und an die Mitarbeiter geglaubt. Daher sind wir ausgesprochen glücklich, Weber Automotive als Gesellschafter wieder zu alter Stärke zurückführen zu können". Es seien vor allem die Mitarbeiter, aber auch die großen Stammkunden gewesen, "die uns in vielen Gesprächen immer wieder das Vertrauen ausgesprochen und uns darin bestärkt haben, diesen Schritt zu gehen. Wir danken allen Beteiligten für die sehr konstruktiven und zielgerichteten Gespräche in den vergangenen Monaten, die nun zu dieser hervorragenden Lösung für Weber Automotive und seiner Belegschaft geführt haben", so Weber weiter.
"Einen Investor für das Unternehmen zu finden, gestaltete sich insbesondere in der aktuell schwierigen und unsicheren wirtschaftlichen Lage als besonders herausfordernd. Ich bin deshalb sehr froh, dass es gelungen ist, den Geschäftsbetrieb fortzusetzen und dem Unternehmen eine neue Perspektive zu geben", sagt Gerloff, der das Insolvenzverfahren als Sachwalter überwacht hat.
Rahmenbedingungen für Fortbestand gesetzt
"Wir haben in der Insolvenz wesentliche Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Fortbestand von Weber Automotive gesetzt. Nach dem Verfahren ist das Unternehmen für die Zukunft gut gewappnet", betont Rechtsanwalt Mucha, der für die Dauer des Verfahrens als Generalbevollmächtigter in das Unternehmen eingetreten ist und die Geschäftsführung bei der Restrukturierung unterstützte.
Während des gesamten Insolvenzverfahrens blieben die Kunden dem Unternehmen treu, sodass der Geschäftsbetrieb ohne Einschränkungen fortgesetzt werden konnte. Mitte April 2020 hat Weber Automotive aufgrund von Covid-19 Kurzarbeit angemeldet.
Weber Automotive fertigt Antriebskomponenten für Pkw, Nutzfahrzeuge und Freizeitmobile. Dabei liegt der Fokus auf der Bearbeitung von komplexen Motor- und Getriebekomponenten und der Montage kompletter Systeme. An sieben Produktionsstandorten in Deutschland, den USA und Ungarn beschäftigt das Unternehmen mehr als 1500 Mitarbeiter. Zu den Kunden weltweit Automobil- und Nutzfahrzeughersteller sowie Zulieferer. Weber: "Weber Automotive hat in den vergangenen Jahren damit begonnen, auf Grundlage seiner Technologieführerschaft sein Geschäftsmodell weiter zu diversifizieren und über den Automobilsektor hinaus weitere Branchen zu erschließen. Diesen Weg werden wir konsequent fortsetzen und massiv in neue Antriebstechnologien wie Elektroantriebe, Brennstoffzellen und synthetische Kraftstoffe investieren." Durch hohe technische Fertigungskompetenzen gepaart mit hochmoderner IT und einem hohen Automatisierungsgrad könne man auch im Bereich der Medizintechnik bei der Fertigung von Implantaten oder im Flugzeugbau neue Kundengruppen erschließen, so Weber weiter.
Als "sichtbares Symbol dieser Transformation" und Nachhaltigkeit soll die Weber Automotive GmbH zeitnah in Albert Weber GmbH umbenannt werden. Damit will die Firma zu ihren Wurzeln zurückkehren.
Auch Weber Automotive könne sich den gegenwärtigen starken operativen Auswirkungen der Corona-Krise nicht entziehen. Trotzdem ist Weber "sehr optimistisch, zügig wieder zu voller Kapazität zurückzukehren, sobald eine Normalisierung des öffentlichen Lebens das zulässt." Die Sicherheit der Mitarbeiter stehe dabei immer im Vordergrund – zudem stehe die Firma dazu in regelmäßigem Austausch mit den Kunden.
Seit 2012 habe sich der Umsatz mehr als verdoppelt, entsprechend sei auch die Anzahl der Mitarbeiter gestiegen, teilt die Firma weiter mit. Dieses Wachstum erfolgte nicht nur organisch, sondern auch durch Zukäufe im In- und Ausland, was mit hohen Investitionen verbunden war. Zusätzlich investierte das Unternehmen in neue Geschäftsfelder und Neuanläufe.
Die Familie Weber wird als neuer Eigentümer des Unternehmens sowie der Betriebsimmobilien nicht mehr in der operativen Führung des Unternehmens tätig sein, "sondern die Erfahrung, strategische Kompetenz und ihr Netzwerk dem Unternehmen über einen Familienbeirat zur Verfügung stellen", heißt es weiter. Die Führung auf Ebene der Weber Holding GmbH werde zukünftig durch Roger Breu erfolgen, die operative Führung der neuen Albert Weber GmbH soll Martin Bleimehl übernehmen.
Die Weber Automotive GmbH hatte im Juli 2019 Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt, im Oktober 2019 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Eigenverwaltung bot dem Unternehmen einen rechtlichen Rahmen, um sich bei laufendem Geschäftsbetrieb in enger Abstimmung mit den Gläubigern neu aufzustellen.
Im Unterschied zu einem regulären Insolvenzverfahren blieb dabei die unternehmerische Verantwortung in den Händen der Geschäftsführung, die die Sanierung mit Unterstützung des Sanierungsexperten Rechtsanwalt Martin Mucha selbst steuerte.
Das Insolvenzrecht erlaubt dies in Fällen, in denen Unternehmen bei wirtschaftlichen Problemen frühzeitig selbst tätig werden und genügend Handlungsspielraum für eine Lösung besteht. Beides war bei Weber Automotive der Fall. In der Eigenverwaltung setzt das zuständige Amtsgericht keinen Insolvenzverwalter, sondern einen sogenannten Sachwalter ein. Dieser überwacht das Verfahren im Interesse der Gläubiger.
Pforzheim/Neuenbürg. Nach der Bekanntgabe des Unternehmens Weber Automotive GmbH, mit dem Hauptsitz in Markdorf, dass die Gründerfamilie des insolventen Unternehmens große Teile, darunter auch den Standort in Neuenbürg, im Rahmen eines Asset Deals zurückgekauft hat, fordert die IG Metall Pforzheim in einer Pressemitteilung Sicherheit und Zukunftsperspektive für die rund 140 Beschäftigten im Breiten Tal in Neuenbürg.
"Seitdem das Unternehmen vor rund neun Monaten die Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt hatte, leben die Beschäftigten und deren Familien in steter Ungewissheit ihrer persönlichen Zukunft und der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes", erläutert der zuständige Gewerkschaftssekretär der IG Metall Pforzheim, Kai Müller.
In ruhigeres Fahrwasser
Zusätzlich trügen die Beschäftigten derzeit bereits eine große finanzielle Last durch Kurzarbeit. Nun sei es an der Zeit, den Beschäftigten echte Sicherheiten zu bieten. Immerhin sei der frühere und jetzt wieder neue Eigentümer an der Ursache der derzeitigen Insolvenz "nicht ganz unbeteiligt gewesen", so Müller weiter.
Nach dem unfruchtbaren Streit zwischen dem französischen Finanzinvestor Ardian und der Familie Weber gehe es nach Auffassung der IG Metall jetzt darum, das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen.
Der Erwerber muss nach der Vorstellung der IG Metall Pforzheim mit zukunftsfähigen Konzepten, einer klaren Standortzusage und geregelten Arbeitsbedingungen um das Vertrauen der Beschäftigten werben.
Das branchenübliche Instrument, um die Mindestbedingungen für Beschäftigte zu regeln und damit sowohl Planbarkeit für Unternehmen als auch die gerechte Beteiligung der Beschäftigten herzustellen, seien die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie, heißt es in der Pressemitteilung der Gewerkschaft weiter.
Der zuständige Gewerkschaftssekretär fordert die Verantwortlichen des Unternehmens auf, in den nächsten Wochen mit der IG Metall in Gespräche über zukunftsfähige Tarifverträge einzusteigen. Dies sei durchaus ein übliches Verfahren, so die Gewerkschaft. Zuletzt habe man bei der Firma Elumatec in Mühlacker nach der Insolvenz erfolgreich Tarifverträge abgeschlossen.
Bessere Abfederung
Gerade in schwierigen Zeiten bedeuteten Tarifverträge oft den einzigen Schutz für Beschäftigte und deren Familien vor dem finanziellen Ruin, ergänzt der Sprecher der IG Metall Pforzheim, Arno Rastetter. Durch die tarifliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes könnten etwa die finanziellen Einbußen durch die krisenbedingte Kurzarbeit deutlich besser abgefedert werden.