Ein Anblick an dem sich die Geister scheiden. Für die einen sind Windräder eine Verschandelung der Landschaft, für die anderen ein notwendiger Schritt in Richtung nachhaltiger Energie. Foto: Biermayer Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Gemeinderat berät Teilflächennutzungsplan "Windenergie" / Beschluss bis Ende des Jahres

Der Ausbau der Windenergie ist erklärtes Ziel der baden-württembergischen Landesregierung. Der Windenergieerlass ist seit dem vergangenen Jahr außer Kraft. Zudem gibt es einen neuen Windatlas für das Land. Diese Entscheidungen haben auch Auswirkungen auf kommunaler Ebene, die nun den Neuenbürger Gemeinderat beschäftigen.

Neuenbürg. "Heute wird nichts beschlossen, sondern erst einmal beraten", stellte Bürgermeister Horst Martin in der jüngsten Gemeinderatssitzung klar. Die Windenergie ist seit jeher ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Ist es eine saubere Zukunftstechnologie oder verschandeln Windräder die Landschaft? Wo sind geeignete Standorte und was sind die Auswirkungen auf die Natur? Bei solchen Fragen stehen sich Gegner und Befürworter oft unversöhnlich gegenüber.

Dass dieses Thema im Gemeinderat wieder auf der Tagesordnung steht, hat mehrere Gründe. Zum einen hat die Firma BayWa schon vor längerer Zeit einen Antrag gestellt, im Gebiet Langenbrander Höhe/Hirschgarten fünf Windräder bauen zu dürfen. Auf Antrag der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft (VG) Neuenbürg und Engelsbrand beim Landratsamt wurde im Oktober die Genehmigung für dieses Vorhaben ein Jahr zurückgestellt. Man wollte sich mehr Zeit für Beratungen nehmen.

Zum anderen gab es neue politische Entscheidungen auf Landesebene. Die grün-schwarze Regierung hat einen neuen Windatlas herausgegeben. In ihm sind alle Gebiete verzeichnet, die in Baden-Württemberg als Windradstandorte infrage kommen. Der Windatlas 2019 löst seinen Vorgänger von 2011 damit ab.

Bisher kamen nur wenige Flächen im Verbandsgebiet überhaupt infrage, da das Kriterium einer Mindestwindgeschwindigkeit von 5,25 Metern pro Sekunde in einer Höhe von 100 Metern oft nicht erfüllt wurde.

Im neuen Windatlas werden nun andere Größen herangezogen. Der Orientierungswert ist jetzt die "mittlere gekappte Windleistungsdichte" in einer Höhe von 160 Metern. Dahinter verbirgt sich die Leistung, die der Wind beim Durchströmen des Rotors pro Rotorkreisfläche an einem Standort im Mittel erzeugt. Gekappt deshalb, da ein Windrad ab einer Windgeschwindigkeit von 15 Metern pro Sekunde keine weitere Energie erzeugen kann. Deshalb werden Geschwindigkeiten darüber mit eben diesem Kappungswert verrechnet. Ab 215 Watt pro Quadratmeter spricht die Landesregierung von einem sinnvoll nutzbaren Gebiet.

Das hat nun zur Folge, dass im Verbandsgebiet wesentlich mehr Flächen infrage kommen als bisher. Ein Blick in den Windatlas 2019 zeigt, dass bis auf des Enztal und seine Hänge eigentlich alle Flächen im Verbandsgebiet infrage kommen – allerdings nur unter leistungstechnischen Gesichtspunkten.

Denn natürlich gibt es Gesetzte und Richtlinien, die Anwohner und Natur schützen. Zudem haben die Kommunen die Möglichkeit, durch sogenannte "weiche Faktoren" weitere Flächen auszuschließen.

Die VG war bisher nicht untätig. Man hat sich in seitherigen Planungen auf die Daten von 2011 bezogen. Dieser Bezugsrahmen ist nun aber hinfällig und ein neuer sowie aktualisierter Teilflächennutzungsplan muss her. Deshalb schlug Bürgermeister Martin dem Gemeinderat weitere Schritte vor. Man solle nun auf Grundlage der neuen Daten die entsprechenden Flächen identifizieren und sowohl harte als auch weiche Faktoren erörtern, um einen Teilflächennutzungsplan aufstellen zu können.

Er hatte zudem in die Sitzung am Dienstag eine Expertin zum Thema eingeladen. Stadt- und Landschaftsplanerin Anke Uhlig von der bhm Planungsgesellschaft erklärte den Stadträten die Sachlage.

"Vor allem der Artenschutz war in der Vergangenheit immer wieder ein Grund, warum Windräder nicht gebaut werden konnten", so Uhlig. Deshalb brauche man aktuelle Daten zum Vorkommen windkraftsensibler Vogel- und Fledermausarten. Man greife dafür auf Daten des Landesumweltministeriums und des Nabu zurück. Zudem habe die Gemeinde Engelsbrand einen eigenen Ornithologen beauftragt.

Schwellenwert bei Rotmilanen angepasst

Ein bisheriges Problemtier sei der Rotmilan gewesen. Das Landesumweltministerium habe aber den Schwellenwert für ein signifikantes "Rotmilan-Dichtezentrum" von vier auf sieben Brutpaare angehoben. Somit kämen auch dadurch mehr Flächen infrage. Außerdem bedürfe es einer schalltechnischen Untersuchung möglicher Standorte.

Als Zeitplan, auch bedingt durch das BayWa-Genehmigungsverfahren, ist ein Beschluss bis Sommer 2020 geplant. Davor haben alle Gremien Zeit, ihre Bedenken einzubringen. "Das ist ein knackiger Zeitplan", erkannte Uhlig. Doch wegen der neuen Rechtssicherheit sei sie zuversichtlich, dass man diesen einhalten könne.

Die Stadträte waren mehrheitlich wenig begeistert davon, dass nun wieder mehr Flächen in Neuenbürg für Windräder infrage kommen. Joachim Techert (UWV) zeigte sich skeptisch gegenüber dem generellen Nutzen von Windenergie und Neuenbürg als deren Standort. Auch Frank Wendelstorf, Ortsvorsteher aus Waldrennach, bezweifelte die Effizienz von Windenergie.

Werner Hess (SPD) wollte wissen, wie es sich mit Abstandsregeln zu Wohngebieten verhalte. Uhlig erklärte, dass 700 Meter Abstand angestrebt würden. Dieser Wert sei jedoch nur empfohlen und nicht verbindlich. "In Bayern sind es aber 2000 Meter", meinte Alfred Gerwig (UWV). Martin gab zu bedenken, dass jedes Bundesland dies für sich regle und Baden-Württemberg sich eben so entschieden habe. Alexander Pfeiffer (UWV) warf scherzhaft die Idee in den Raum, ob Neuenbürg sich dann nicht einfach Bayern anschließen könne.

Ein paar Räte bemängelten zudem die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit mancher Entscheidungen. Vor allem die neue Regelung zum Rotmilan sorgte für Kopfschütteln. Dies sei nur eine Vorabinformation des Umweltministeriums, so Uhlig. Dadurch werde aber ersichtlich, dass es politisch gewollt sei, Genehmigungsverfahren für Windräder zu beschleunigen.

Peter Kreisz (GL) störte sich an der negativen Einstellung mancher Räte gegenüber der Windenergie. "Ich höre nur: Wir wollen das nicht", meinte er. Der Klimawandel müsse jedoch zu einem Umdenken führen. Auch Neuenbürg solle Verantwortung übernehmen und seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Diese Kritik wollten die anderen Räte nicht auf sich sitzen lassen. Techert sagte, eine kritische Einstellung gegenüber der Windkraft sei nicht generell schlecht. Zudem warnte er vor einem möglichen Problem der Energieversorgung, falls der Wind mal nicht wehe. Michael Klarmann (CDU) fügte an, die Windkraft sei nicht zwangsläufig die Glückseligkeit und ein massiver Eingriff in die Natur.

Man könne viel fordern, schloss Martin. Allerdings sei landespolitisch von den Kommunen gefordert, der Windenergie "substanziell" Raum zu geben. Mit einem Teilflächennutzungsplan habe man immerhin Einfluss darauf, an welchen Standorten im Stadtgebiet Windräder gebaut werden können. So käme es beispielsweise zu keiner Zerstückelung, sondern die Anlagen würden gebündelt gebaut, meint Denis Kraft vom Tiefbauamt. Ob letztendlich Windräder kämen, hinge davon ab, ob sich ein Unternehmen auf etwaige ausgewiesene Flächen bewerbe. Mit der BayWa gibt es immerhin schon einen Interessenten.