Ein Teil des Teams der Lebenshilfe Pforzheim in Neuenbürg: Einrichtungsleister David Kunzmann (von links), Krankenpflegerin Patrizia Lazzarotto, Altenpflegerin Isabell Wackenhut und der Bereichsleiter für Neuenbürg und Eutingen, Andreas Wetterling.Foto: Herfurth Foto: Schwarzwälder Bote

Lebenshilfe: Wohnheim seit 25 Jahren in Neuenbürg / Aus 20 Plätzen werden 30 – und der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt

Seit mittlerweile 25 Jahren gibt es in der Stadt Neuenbürg ein Wohnheim der Lebenshilfe Pforzheim.

Neuenbürg. Dirk Zeuchner, Geschäftsführer der Lebenshilfe, Andreas Wetterling, Bereichsleiter für Neuenbürg und Eutingen, und David Kunzmann, Einrichtungsleiter, berichten, wie sich die Einrichtung im Laufe der Jahre verändert hat, warum die Arbeit der Lebenshilfe für Betroffene so wichtig ist und wie Corona sie vor eine noch nie dagewesene Herausforderung gestellt hat.

Das Wohnheim für Menschen mit Behinderung der Lebenshilfe Pforzheim in Neuenbürg ist inmitten einer Wohnsiedlung in der Hornisgrindestraße zu finden. Bis 1995 war die Immobilie als "Haus der Familie" in den Händen des Vereins Familienbildung Enzkreis. "Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten hat uns der Verein damals angesprochen, und die Lebenshilfe hat im Enzkreis ohnehin nach einer Räumlichkeit gesucht", erklärt Zeuchner.

Bei einem Rundgang zeigt Einrichtungsleiter Kunzmann das Haus und wie die Zimmer eingerichtet sind. "Das Haus ist in drei Wohngruppen mit je zehn Personen aufgeteilt. In den Gemeinschaftsräumen wird gegessen und es finden Aktivitäten statt und dann hat jeder noch ein individuelles Zimmer, das er selbst gestalten kann", erklärt er. Der Tagesablauf sei strukturiert. "Es wird zusammen gekocht oder man unternimmt Ausflüge, einige gehen auch in der Werkstatt arbeiten", sagt Kunzmann.

Altersspektrum: 23 bis 90 Jahre

Zu Beginn habe es maximal 20 Plätze gegeben. Auch das Klientel sei ein anderes gewesen: "Mit dem Angebot wurden früher überwiegend Senioren angesprochen. Davon wollten wir uns bewusst lösen. Heute haben wir ein Altersspektrum von 23 bis 90 Jahren", so Kunzmann. Der Altersunterschied sei laut dem Einrichtungsleiter kein Problem. "Es entwickeln sich andere Themenfelder, das schafft Vielfalt und davon profitieren alle", sagt er.

Bis 2001 war die Werkstatt auch noch im Gebäude selbst untergebracht. Früher habe man versucht, Arbeiten und Wohnen unter ein Dach zu bringen.

Davon sei man dann allerdings abgekommen, weil es darum ging, Lebensrealitäten zu trennen. "Viele merken gerade, wie schwierig es sein kann, wenn sie wegen Corona im Homeoffice sind", findet Zeuchner. 2004 wurde das Haus saniert. Aus 20 Plätzen wurden 30 und der Bedarf sei damit noch lange nicht gedeckt. "Die Plätze sind rar und sehr begehrt. Wie wir der Nachfrage zukünftig gerecht werden sollen, ist fraglich", erklärt Wetterling. So große Räume wie in Neuenbürg bekomme man heute auch gar nicht mehr bewilligt. "Die Förderung bestimmt die Größe", erklärt Zeuchner. Für die Lebenshilfe, die aus dem Haus in Neuenbürg aufgrund der aktuelle Landesheimbauverordnung irgendwann raus muss (wir berichteten), bedeutet das, künftig die Platzanzahl auf 24 reduzieren zu müssen.

Einrichtung akzeptiert

Ob die Lebenshilfe künftig in Neuenbürg bleibt, ist noch nicht entschieden. "Im westlichen Enztal fehlt so eine Einrichtung. Ob es aber Neuenbürg, Straubenhardt oder Birkenfeld wird, das ist variabel", sagt Zeuchner. Allerdings habe das Haus Buchberg, wie das Wohnheim auch genannt wird, gute Erfahrungen mit der Stadt und den Menschen gemacht. "Wir gehören zu Neuenbürg, man kennt uns hier", sagt der Einrichtungsleiter. Wenn man in eine neue Gemeinde kommt, kann es schon mal zur Reibereien kommen, weiß Wetterling aus Erfahrung. "Sicherlich gab es vor 25 Jahren auch kritische Stimmen in Neuenbürg, aber inzwischen ist es völlige Normalität, hier müssen wir keine Aufklärungsarbeit leisten", sagt er. Was dem Bereichsleiter viel häufiger auffalle, sei das fehlende Verständnis der Politik. "Trotz Bedarf will man die Häuser weiter verkleinern, das verstehe ich einfach nicht", erklärt er. Dabei sei die Arbeit der Lebenshilfe für Angehörige so wichtig.

"Die Belastung für das Elternhaus ist enorm. Die Betreuung ist mehr als ein Fulltime-Job. Viele können das nicht auf Dauer machen und dafür sind solche Einrichtungen unverzichtbar", sagt Zeuchner. Außerdem würden sich die Einrichtungen der Lebenshilfe von den klassischen Pflegeheimen unterscheiden. "Wir stellen nicht nur die Pflege, sondern auch die Betreuung in der Vordergrund. Die Menschen verbringen oft viele Jahre bei uns, anders als in Heimen", findet Kunzmann.

Die Corona-Krise hat aber auch Kunzmann und sein Team aus Kranken- und Altenpflegern und Heilerziehern vor Herausforderungen gestellt. "Die Lebenshilfe hat alleine für die Corona-Schutzmaßnahmen einen sechsstelligen Betrag ausgegeben und die Finanzierung ist noch ungewiss", sagt Zeuchner. Wie viele andere Einrichtungen, stellte sich auch die Lebenshilfe zu Beginn die Frage, wo sie Schutzmasken- und Anzüge herbekommen sollten. "Glücklicherweise konnten wir schnell alle Standorte mit dem nötigen Equipment versorgen", so Zeuchner.

Das Wohnheim blieb 16 Wochen lang, von März bis Juni geschlossen. "Die sozialen Kontakte haben sehr gefehlt. Viele können aufgrund ihrer Behinderung auch nicht telefonieren. Das war eine schwierige Zeit", erklärt Kunzmann. Sowohl Mitarbeiter, als auch Bewohner hätten aber mit Verständnis reagiert und sich an die Anforderungen gehalten. "Bis jetzt hat sich bei uns keiner mit Corona angesteckt", sagt Kunzmann sichtlich erleichtert.

Die Mitarbeiter seien mit so viel Engagement bei der Sache, dass der Krankenstand in Neuenbürg und Eutingen auch zurückgegangen ist, erklärt Wetterling. "Sonst ist der Krankenstand mit zehn Prozent auch nicht hoch, aber die zahlen sind noch mal um zwei Drittel zurückgegangen", erklärt er.

Der Bereichsleiter können sich vorstellen, dass die steigende Verantwortung bei vielen dazu geführt hat zu sagen: "Ich bin da."

Nun sei es aber die Aufgabe von Kunzmanns Team, dass die Verordnungen nicht in Vergessenheit geraten. "Es darf sich keine Normalität entwickeln, wir müssen trotzdem noch auf Abstand, Masken tragen und auf die Hygiene achten", stellt Wetterling klar.

Deshalb werde die Lebenshilfe trotz 25-jährigem Jubiläum in diesem Jahr kein Fest feiern. "Wir wollen, dass alle gesund bleiben. Außerdem hätte niemand was davon, wenn wir nur Kaffee und Kuchen machen würden, wenn, dann wollen hier alle schon eine große Feier mit Familie und Freunden und einer Wurst auf dem Grill", sagt Kunzmann abschließend und lacht.