Ein abgestellter Kia Sorento im Unteren Sägerweg in Neuenbürg brannte komplett aus. Foto: Privat

24-jähriger mutmaßlicher Brandstifter schweigt weiter. Betroffene prangern Verwaltung an.

Neuenbürg/Pforzheim/Enzkreis - In der jüngsten Gemeinderatssitzung beklagten Betroffene der Fahrzeugbrände in Neuenbürg das Vorgehen der Stadtverwaltung. Staatsanwaltschaft Pforzheim und Polizei erklären, wie es um die Ermittlungen und den 24-jährigen Tatverdächtigen steht.

Emotional ging es beim Thema Fahrzeugbrände und Brandstiftungen in der Bürgerfrageviertelstunde der jüngsten Gemeinderatssitzung zu. Anwohner aus der Schauinslandstraße beschrieben ihre Situation nach den Brandanschlägen. Außerdem kritisierten sie Bürgermeister Horst Martin für sein Verhalten.

"Man kann sich nicht vorstellen, was da in einem passiert", beschrieb es eine Anwohnerin aus der Schauinslandstraße. Sie habe das "Inferno" gesehen. So stelle sie sich Kriegsgebiete vor. Sie und ihre Familie könnten nicht mehr schlafen, so groß sei die Verunsicherung. Man überlege sich, ob man Kameras an den Häusern anbringe.

Andreas Bittighofer fragte in Richtung Bürgermeister Martin: "Warum sind sie eigentlich nach den Brandstiftungen nicht bei uns vorbei gekommen?" Dies hätten sich viele Anwohner gewünscht. Martin könne doch auch mal Mitgefühl zeigen.

Eindrücklich schilderte Bittighofer, was in dieser Nacht passiert war und dass seine Söhne seither nicht mehr richtig schlafen könnten. Er störte sich zudem an den Äußerungen Martins, dass es in der Stadt keine Unruhe gebe. Hätte Martin mit ihm gesprochen, würde er wissen, dass das nicht stimme.

Nicht alle Spuren des Brandes beseitigt

Auch seien nicht alle Spuren des Brandes beseitigt. Noch immer befänden sich Ruß und Öl auf der Straße. Eine weitere Anwohnerin bestätigte dies. Ihr Hund laufe immer durch diesen Dreck und verschmutze dadurch anschließend daheim ihren Boden. Außerdem wollte Bittighofer von Martin wissen, ob der Verwaltung weitere Ermittlungserkenntnisse vorlägen.

Zum letzten Punkt entgegnete Bürgermeister Martin, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen leiteten. Die Verwaltung wisse deshalb auch nicht mehr. Er wundere sich manchmal, wo manche Zeitung ihre weiteren Erkenntnisse her habe. Es gelte auch für den Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung. Von Seiten der Verwaltung wurde zugesichert, sich um die Verschmutzungen zu kümmern.

Martin sprach den Anwohnern sein Mitgefühl aus. Außerdem bedankte er sich bei der Freiwilligen Feuerwehr, die einen guten Job gemacht habe. Er sei bei jedem Brand direkt oder innerhalb einer Stunde vor Ort gewesen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Er habe allerdings nicht bei jedem Betroffenen geklingelt. Er habe nicht die Öffentlichkeit suchen wollen, begründete er diese Entscheidung. Zu seinen Äußerungen in der Presse meinte Martin, dass er keinen Aufruhr wahrgenommen und dies dann so gesagt habe. Nach den ersten Bränden sei es seiner Einschätzung nach ruhig geblieben.

"Wir kennen uns ja", so der ehemalige Stadtrat Bittighofer zum Bürgermeister. Deshalb wollte er seinen Ärger nicht runterschlucken, sondern seine Probleme in der Bürgerfrageviertelstunde vortragen. "Es wäre einfach schön gewesen, wenn sie mal vorbei gekommen wären", so Bittighofer zu Martin. Er sei sehr enttäuscht über Martins Verhalten.

Seit zwei Wochen in Untersuchungshaft

Fast zwei Wochen nach dessen Verhaftung sitzt der 24-Jährige, der für die Brandanschläge im Enzkreis und Raum Pforzheim als dringend tatverdächtig gilt, noch immer in Untersuchungshaft. Dass sich daran so schnell wohl auch nichts ändern wird, erklärte nun der Pforzheimer Pressesprecher und Staatsanwalt Bernhard Ebinger: "Wenn jemand in U-Haft ist, ist es so, dass die Ermittlungen erstmal weiterlaufen."

Sofern sich die Vorwürfe gegen den Verdächtigen im Zuge dieser Ermittlungen nicht entkräften lassen, bliebe er in Haft. Falls es zu einer Anklage kommt, bleibe der Verdächtige in aller Regel für die Dauer des Verfahrens in Haft. Solange dieser jedoch nicht rechtskräftig verurteilt sei, gelte laut Ebinger die Unschuldsvermutung. Daher seien Verfahren, bei denen jemand in Haft genommen wird, beschleunigt zu bearbeiten. Sofern der Verhaftete oder dessen Verteidiger nicht vorzeitig Rechtsmittel wie beispielsweise eine Haftprüfung beantragen, werde spätestens nach sechs Monaten geprüft, ob der Verbleib der verhafteten Person in Haft noch sachgemäß ist.

Aber wann wird ein Tatverdächtiger in U-Haft genommen? "Dafür braucht es einen gewissen Verdachtsgrad", erklärte Staatsanwalt Ebinger. Demnach reichten ein Anfangsverdacht – für die Aufnahme der Ermittlungen – oder ein hinreichender Verdacht – der Ermittlungsstand, bei dem eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch – nicht aus. Erst der dringende Tatverdacht in Kombination mit einem der drei Haftgründe Verdunkelungs-, Flucht-, oder Wiederholungsgefahr veranlasse einen Haftrichter zur Vollstreckung eines Haftbefehls, so Ebinger weiter. Bei dem verhafteten 24-Jährigen sei diese Kombination nach wie vor gegeben.

24-Jährige schweigt weiterhin zu den Taten

Das bestätigte auch Polizeisprecher Raphael Fiedler auf Nachfrage: "Manchmal passiert es ja doch, dass man jemanden nach weiteren Ermittlungen ausschließen kann. Aber das ist hier nicht der Fall." Der 24-Jährige schweige indes weiterhin zu den Taten. "Wir haben keine konkreten Hinweise, die auf weitere Tatverdächtige schließen lassen", so Fiedler weiter. "Aber wir können es noch immer nicht ausschließen." Mittlerweile sei nun die 20-köpfige Ermittlungsgruppe "Lenkrad" auf sechs Ermittler reduziert worden. Laut Polizeisprecher ließe sich eine solch große Ermittlungsgruppe nicht aufrecht erhalten. "Aber immerhin noch sechs – und die Arbeiten weiter an den Hinweisen." Damit gebe es noch genug zu tun für die sechs verbleibenden Polizisten. "Die Dringlichkeit, die wir am Anfang hatten, als wir noch gar keinen Tatverdächtigen hatten, ist natürlich jetzt auch weniger geworden", erklärte Fiedler.

Wie die Ermittler dem Tatverdächtigen auf die Spur gekommen sind und wie dieser die Fahrzeuge in Brand gesteckt haben soll, dazu gibt die Polizei noch immer nichts preis. "Dazu wollen wir nichts sagen, weil das Täterwissen darstellt", mauerte der Polizeisprecher. "Wenn man dazu etwas in der Öffentlichkeit berichtet, könnte der Tatverdächtige seine Aussagen danach anpassen." So viel sei aber gewiss: "Der Täter ist entsprechend planmäßig vorgegangen oder hatte zumindest einen genauen Ablauf."

Ebenfalls unklar ist noch, welches Strafmaß den Tatverdächtigen im Falle einer Verurteilung erwarten könnte. Dazu müssten Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst die Sachlage ermitteln, erklärte Ebinger. "Wenn jemand vorsätzlich einen Brand legt, bekommt er eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr", so der Staatsanwalt weiter. Da es bei der Brandstiftung aber verschiedene Tatbestände – oder, wie der Jurist sagte, Qualifikationen – gebe, könne das Strafmaß auch wesentlich höher angesetzt werden. Laut Brandstiftungs-Paragraf 306 des Strafgesetzbuchs könnten bis zu zehn Jahre Haft winken. "Und", unterstrich der Staatsanwalt: "Alles bis zu zwei Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden, darüber nicht."