Das ZDF hat gleich fünf Kommissare angeheuert, um dem Verbrechen Herr zu werden. Diese Woche begannen im Römerkastell auf dem Hallschlag die Dreharbeiten für die Serie "Soko Stuttgart". Wer sind die neuen Ermittler? Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie:
Der Oberbürgermeister gab sich die Ehre. Wolfgang Schuster war am Montag nach Bad Cannstatt geeilt, um dem Filmteam seine Aufwartung zu machen, einige warme Worte zu sagen und die dicke Broschüre über die "Stuttgarter Sicherheitspartnerschaft" zu verteilen. Solch hochherrschaftlicher Auftritt zeigt schon, welchen Nachholbedarf man hierzulande hat. Oder kann sich jemand vorstellen, dass Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit oder Hamburgs Stadtoberhaupt Ole von Beust an eine Filmkulisse eilen, um stolz zu verkünden, dass ihre Städte in einer Reihe mit Wismar, Leipzig, Köln, Wien, Kitzbühel und München stehen und eine eigene Soko haben.
Nun werden also die Heidenheimerin Nina Gnädig, der Stuttgarter Benjamin Strecker und die Rei'gschmeckten Karl Kranzkowski, Astrid Fünderich und Peter Ketnath in Stuttgart auf Verbrecherjagd gehen. 20 Folgen werden in den nächsten sechs Monaten auf dem Hallschlag gedreht. Das soll erst der Anfang sein. "Ich gehe fest davon aus, dass wir länger hier bleiben", sagt Klaus Bassiner, Hauptredaktionsleiter Reihen und Serien beim ZDF, "wenn wir nicht über die 20 je 45 Minuten langen Folgen hinauskommen, wäre das eine echte Pleite." Zum Vergleich: Die Mutter der Krimireihe, die "Soko 5113", wird seit 31 Jahren gezeigt. Sie wird in München gedreht, Heimatsitz der zuständigen Produktionsfirma Bavaria.
Stuttgart als Drehort ist dagegen für deutsche Fernsehschaffende fast so exotisch wie Hawaii. Was reihenweise die Absolventen der Ludwigsburger Filmhochschule ins Exil treibt. Auch dem Esslinger Oliver Vogel ging es vor zehn Jahren so. "Ich musste fluchtartig Stuttgart verlassen und landete in Sachsen." Mittlerweile arbeitet er bei der Bavaria. Und war maßgeblich daran beteiligt, dass das ZDF in die Reithalle im Römerkastell einzog. "Ich habe Stuttgart vorgeschlagen", sagt er, "und bin allen ständig in den Ohren gelegen, wie toll es hier ist." Neben "den vielen Facetten der Stadt" haben aber auch handfeste Argumente die Kollegen überzeugt.
"Ich habe im Rathaus angerufen und hatte sofort einen Termin bei Herrn Schuster", sagte Vogel, "und das Ordnungsamt hat gesagt: Wenn ihr freitags anruft, könnt ihr samstags drehen." Das sei ein probates Mittel, um Produktionen anzulocken. Weiteren Lockstoff steuerte die Filmförderung Baden-Württemberg bei. Von dem Acht-Millionen-Etat trägt sie 920000 Euro. "Das geht weit über das hinaus, was wir sonst bezahlen", sagt Uwe Rosentreter, Pressesprecher der Filmförderung. Aber man verspricht sich von der "Soko Stuttgart" mehr als nur schöne Bilder aus Stuttgart. Filmförderung-Chefin Gabriele Röthemeyer freut sich auf "Auskommen und Perspektive für unsere Filmhochschüler".
Große Hoffnungen verknüpfen sich da mit einer Vorabendserie, die vom Jahresende an jeweils donnerstags um 18 Uhr ausgestrahlt wird. Kann sie dies überhaupt einlösen oder täuscht die Krimireihe falsche Tatsachen vor? Vogel: "Fast alle der 35 Beschäftigten kommen aus der Region, "auch die Postproduktion findet hier statt." Damit ist gemeint, geschnitten werden die Folgen in Ludwigsburg, der Ton wird in einem Studio in Ludwigsburg bearbeitet und die Kopien in Baden-Baden hergestellt.
Darüber hinaus werde man mit der Filmhochschule Ludwigsburg zusammenarbeiten, sagte Klaus Bassiner. Man suche derzeit einen Komponisten für die Filmmusik, und "zwei Regiestudenten werden je zwei Folgen machen". Guido Lukoschek, Referent des Direktors der Hochschule, hatte denn auch einige Studenten mit ins Römerkastell gebracht. "Wir haben eine Masterklasse gegründet und unter 50 Bewerbern zehn ausgewählt: Sie werden neun Drehbücher für die Serie schreiben." Die auch verfilmt werden.
"So eine Zusammenarbeit ist einmalig", sagte Bassiner. Wenn wir schon bei Superlativen sind, mit 1600 Quadratmetern ist die Reithalle auf dem Hallschlag laut Vogel "das größte Studio für eine Krimiserie, das es in Deutschland gibt". Eine Wache samt Leitzentrale, Verhörraum, Zelle, Kriminaltechnik, Fitnessraum finden sich hier, auch das Innere des Boots, auf dem Kommissar Jo Stoll auf dem Neckar lebt. Solche Eigenheiten sollen für Lokalkolorit sorgen und nicht der Zungenschlag. Nur die Nebenfiguren wie Comedian Michael Gaedt als Kneipier schwätzen Schwäbisch, die Hauptfiguren reden Hochdeutsch. Man wolle schließlich überall verstanden werden, sagt Bassiner.
Schauspieler Karl Kranzkowski ist übrigens Hals über Kopf fürs Schwäbische entflammt. Er will mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Stuttgart ziehen und sucht eine große Wohnung oder ein Haus. Bezahlbar natürlich. Doch das ist der härteste Fall, den man hierzulande lösen kann.