Die neue Siedlung im Modell: 2013 sollen die neuen Bewohner einziehen können. Foto: SWSG

SWSG baut für 14,9 Millionen eine neue Siedlung in Rohr – Mieterinitiative fordert bezahlbare Wohnungen.

Stuttgart - Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) investiert 14,9 Millionen Euro in den Neubau ihrer Siedlung an der Rohrer Höhe. Die Bewohner sollen Mitte 2013 einziehen. Der Mieterverein kritisiert das Vorhaben als unsozial spricht von einer „systematischer Verdrängung“ der alten Mieter.

Die schwangere junge Frau hat gehofft, dass sie noch einige Jahre mit ihrem Mann und dem noch ungeborenen Kind an der Rohrer Höhe wohnen kann. „Es wäre so schön, wenn der Kleine im Waldrand spielen könnte“, sagt sie. Jetzt hat die jahrelange Ungewissheit über die Dauer der Mietverhältnisse dort ein Ende: Bis zum kommenden Februar muss die Familie eine neue Bleibe gefunden haben. Die SWSG hat sie darüber informiert, dass die Siedlung bis auf die Häuser linker Hand der Steigstraße Richtung Wald abgerissen wird. Von den rund 60 Mietern sind die 44 Mietern rechter Hand der Steigstraße von den Plänen betroffen.

Im Modell ist die schmucke neue Siedlung zwischen Brenntenhau, Thing-und Steigstraße bereits fertig. „Mit den acht Doppel- und elf Reihenhäusern für Eigentümer sowie 21 frei finanzierte Mietwohnungen bieten wir eine gute Mischung aus Wohneigentum und Mietwohnungen“, sagen die SWSG-Geschäftsführer Helmuth Caesar und Wilfried Wendel. Die Neubauten ähneln im Format und der sachliche Architektur den alten Gebäuden. Die Preise fürs Wohneigentum sind laut Wendel noch nicht spruchreif.

Viele Bewohner sind Rentner oder Frührentner

Nach der Statistik des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands (IVD) werden für 150 Quadratmeter große Reihenhäuser in guter Lage etwa 340.000 Euro bezahlt. Die Mieten sollen laut SWSG bei etwa 10 Euro pro Quadratmeter dem Mietspiegel entsprechen. Derzeit liegen sie an der Rohrer Höhe noch zwischen 5 und 7 Euro kalt. An eine Rückkehr ist aus Kostengründen für die wenigsten Mieter zu denken. Viele sind Rentner- oder Frührentner. Rund die Hälfte ist über 50, davon sind 65 Prozent älter als 60 wie Elefteherios Babassidis. „Mein Sohn hat sich extra in der Nähe eine Wohnung gekauft und nun soll ich umziehen. Ich will hier bleiben“, sagt der 60 Jahre alte Frührentner, der seit 30 Jahren an der Rohrer Höhe wohnt und verweist darauf, dass man alte Bäume nicht verpflanzt.

Der alte Baumbestand wird in der Siedlung tatsächlich erhalten. Für die Mieter aber sollen vergleichbare Wohnungen gesucht und sie finanziell beim Umzug unterstützt werden. „Die Bedürfnisse klären wir in Einzelgesprächen. Für einige kommt ja auch ein Wechsel ins Pflegeheim in Frage, bei dem wir behilflich sind“, verspricht Wendel. „Hoffentlich wird meine Wohnung erst abgerissen, wenn ich ein Pflegefall bin“, witzelt der 78-jährige Erwin Faußner. Er wohnt seit 50 Jahren auf der Seite der Steigstraße außerhalb der Neubaufläche. Die Familie, die auf Nachwuchs wartet, räumt ein, dass sich die SWSG bemüht, eine neue Wohnung in der Nähe anzubieten. „Bisher wurden uns zwei Vorschläge gemacht. Beide boten keine vergleichbaren Spielmöglichkeiten im Freien und waren mit 700 Euro Kaltmiete 200 Euro teurer als unsere jetzige Wohnung“, stellt die werdende Mutter fest.

Dass für die Rohrer Höhe endlich ein Konzept vorliegt, nachdem jahrelang kaum in die Siedlung investiert wurde, weil unklar war, ob abgerissen oder saniert, sie verkauft wird oder im Bestand bleibt, wertet die SWSG als Erfolg. Der Mieterverein Stuttgart sieht darin eine systematische Verdrängung der Mieter am sozialen Rand raus aus der Stadt.„Seit 40 Jahren wurde nichts gemacht, damit der Neubau billiger ist als die Renovierung und die Mieten hochgeschraubt werden können“, sagt Angelika Brautmeier, Geschäftsführerin des Mietervereins Stuttgart und zieht Parallelen zu SWSG-Siedlungen wie im Hallschlag. „Nach der Modernisierung können auch dort die Bewohner die Mieten nicht bezahlen und müssen weg ziehen“.

„Die SWSG nimmt bei Neuvermietungen , was der Markt hergibt“

Die Mieterinitiative Hallschlag kritisiert, dass die SWSG ihre knapp 16 Millionen Euro Jahresüberschuss durch zu hohe Mieten und eine Vernachlässigung der Instandhaltung erwirtschaftet habe. „Die SWSG nimmt bei Neuvermietungen , was der Markt hergibt“, lässt die Initiative verlauten und fordert, statt Überschüsse in zweistelliger Millionenhöhe anzuhäufen bezahlbare Mietwohnungen für Gering- und Normalverdiener zu schaffen.

Das gleiche Anliegen hatte auch der für die Rohrer Höhe zuständige Bezirksbeirat Vaihingen. „Wir wollten in der Siedlung 50 Prozent Sozialwohnungen haben, damit die Bewohner zurückkönnen und es sowieso zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart gibt. Das scheiterte am Gemeinderat“, sagt Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt. Für den Mieterverein ein weiteres Zeichen dafür, dass es am politischen Willen für sozialen Wohnungsbau fehlt.