Ein Paar liegt im Bett: Für eine bundesweite Studie zum Sexualverhalten wollen Forscher des Instituts für Sexualforschung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf 5000 repräsentativ ausgewählte Erwachsene befragen. Foto: dpa

Wie steht es um die sexuelle Gesundheit und die erotischen Vorlieben der Deutschen? Eine neue große Studie soll dies jetzt ergründen.

Hamburg - 70 Jahre nach dem legendären Kinsey-Report startet eine große Sex-Studie in Deutschland. Wir sprachen mit dem Leiter der Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“ (GeSiD), Arne Dekker (48), Soziologe und Sexualwissenschaftler am Institut für Sexualforschung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Herr Dekker, braucht Deutschland noch eine Sex-Studie? Gibt es nicht schon genug Blicke durchs Schlüsselloch?

Überraschenderweise ist das nicht so. Es gibt nicht genug Sex-Studien. Wir haben kein voyeuristisches Interesse und wollen nicht etwas Unterhaltsames produzieren. Es geht um die sexuelle Gesundheit. Und dazu gibt es in Deutschland keine bevölkerungsrepräsentativen Daten. Entweder sind es Untersuchungen zu sehr spezifischen Zielgruppen oder zu Fragestellungen. Das eigentlich Neue an dieser Studie ist, dass wir eine breite Untersuchung zur sexuellen Gesundheit der Gesamtbevölkerung machen.

Um welche sexuell übertragbaren Krankheiten geht es konkret?

Über Aids und HIV wissen wir sehr gut Bescheid. Es gibt aber Daten, die belegen, dass in den vergangenen Jahren die Gefahr, sich mit Syphilis, Gonorrhö oder Chlamydien anzustecken, angestiegen ist. Wir wissen aber erstaunlich wenig darüber, wieso und auf welchem Wege diese sexuellen Krankheiten übertragen werden.

Ist der Fokus der Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“ (GeSiD) nur auf medizinische oder auch auf soziale und psychosoziale Themen gerichtet?

Neben der Übertragung sexueller Infektionskrankheiten gibt es noch eine Reihe anderer Themen wie sexualisierte Gewalt oder Auswirkung von Internetkonsum in den verschiedenen Altersgruppen. Themen, die nicht nur epidemiologisch interessant sind, sondern auch mit einem sozialwissenschaftlichen und sozialmedizinischen Anspruch verbunden sind.

Inwieweit nehmen Sie bei der Befragung auf die Intimität der Teilnehmer Rücksicht?

Die Einschränkungen entstehen schon dort, wo die Teilnehmer nicht bereit sind zu persönliche Fragen zu beantworten. Generell gilt: Die Teilnahme an der Untersuchung ist freiwillig und natürlich kann man auch einzelne Fragen verweigern. Niemand muss etwas sagen, was ihm unangenehm ist. Deshalb ist die Studie auch moralisch vertretbar.

Für die Studie werden 5000 ausgewählte Männer und Frauen befragt. Sind sie noch auf der Suche nach Teilnehmern?

Die Befragten werden zufällig aus den Karteien von insgesamt 200 Einwohnermeldeämtern gezogen. Das erste Drittel der Befragten ist schon angeschrieben worden, die übrigen folgen in zwei Wellen. Die Studie geht jetzt los und endet im April 2019. Die ersten Ergebnisse sollten Ende 2019 vorliegen.

Die deutsche Sex-Studie erscheint 70 Jahre nach dem legendären Kinsey-Report des US-Sexualforschers Alfred Kinsey. Ist das der große Übervater?

Es gibt eine Menge anderer Studien in Europa und in den USA. Aber natürlich war Kinsey einer von denen, die den Weg bereitet und mit der Erforschung des Sexualverhaltens des Menschen angefangen haben.