Der Entwurf zum Relief des Volkschor Sängerheims in der Schwenninger Erzbergerstraße ist ebenso in der Sammlung Heinichen enthalten. Foto: Kratt

Die Kunstsammlung der Städtischen Galerie ist seit Kurzem um wichtige Werke gewachsen: Mit der Schenkung Heinichen gehen nicht nur Kunstwerke, sondern auch das Archiv der kleinen Galerie Schwenningen in den Besitz der Stadt über.

VS-Schwenningen - Die rund 50 Kunstwerke sowie noch einmal deutlich mehr Plakate und Einladungskarten aus den Beständen der kleinen Galerie Schwenningen, die die Künstler- und Architekten-Familie Heinichen an die Stadt weitergibt, bilde eine Teil der Identität der Städtischen Galerie, wie dessen Leiter Stephan Rößler deutlich macht. All diese Werke besitzen nicht nur einen hohen finanziellen, sondern auch vor allem einen kunsthistorischen Wert.

Kleine Galerie als "Leuchtturm"

Die kleine Galerie nämlich sei ein "Leuchtturm der Kunstgeschichtsschreibung" und werde für Forschungsanfragen immer wieder ausgewählt. 1959 hatte Karl Heinichen, stadtbekannte Architekt und Kunstliebhaber, in der Alten Herdstraße ein neues Architekturbüro erworben, wo er zusätzlich zusammen mit dem Schwenninger Künstler Felix Schlenker Werke mit Avantgarde-Kunst ausstellen wollte. Das Ziel: die "Moderne" nach Schwenningen zu bringen. Was bei der kleinen Galerie zwischen 1961 und 1968 herauskam, war, so Stephan Rößler, "ein Zeugnis der frühen Bundesrepublik, um ein Verständnis für die frühe Avantgarde in der Mitte der Gesellschaft zu schaffen".

Vermittlungsarbeit durch Kunst

Schlenker habe enge Künstler-Kontakte nach Stuttgart gehabt und überhaupt einen "unheimlich guten Riecher" für das, was er ausstellte, erklärt derweil Jane Heinichen, Tochter des Architekten, die selber begnadete sowie studierte Künstlerin und Kunstkennerin ist, sie es zusätzlichen in den pädagogischen Bereich gezogen hat. Bis zu ihrem Ruhestand war sie zuletzt als Rektorin an der Goldenbühl-Gesamtschule tätig und ist immer noch vielseitig kulturell und sozial engagiert. Ihrem Vater und Felix Schlenker sei es bei der kleinen Galerie nicht unbedingt um Besucherzahlen gegangen, obwohl die bald regelmäßigen Ausstellungen rund Ludwig Wilding, Almir Mavignier, Fritz Ruoff, Bernd Berner oder Getulio Alviani immer beliebter wurden. "Sie betrieben Vermittlungsarbeit", erklärt Jane Heinichen. Beide Freunde wollten eine eigene künstlerische Sprache finden, die nach der NS-Herrschaft die Wege in eine demokratische Gesellschaft zeigt, möchte die gebürtige Schwenningerin auch den gesellschaftspolitischen Bezug nicht außer Acht lassen. Diese avantgardistischen Blicke, die eine Position zur Gesellschaft beziehen, hätten Mut gebraucht, weil sie auf wenig Akzeptanz gestoßen seien.

Verbindung zum Bürk-Areal

Hier zieht Heinichen sogar auch eine Verbindung zum geplanten Bürk-Areal, für das es auch Mut brauche. "Es ist unbedingt nötig, solche kulturellen Orte zu haben, um sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinandersetzen zu können", hält die Schenkerin ein flammendes Plädoyer für das neue Museumsprojekt.

Persönliche Bezüge werden deutlich

Die Schenkung Heinichen beinhaltet also zum einen die Bestände der kleinen Galerie, von den für Galerieleiter Rößler vor allem die von Schlenker und dem Bildhauer und Grafikdesigner Franz Bucher in den ersten Jahren gestalteten Plakate und Publikationen mit besonderer Qualität und Haptik herausstechen. Zum anderen drückt sie in den übrigen Kunstwerken den starken persönliche Bezug, den die Familie Heinichen zu den jeweiligen Künstlern hatte, aus. Jane Heinichen betont die Freundschaft zum Künstler Romuald Hengstler, von dem mehrere Arbeiten – unter anderem der Entwurf der Fassadengestaltung des Volkschor Sängerheims in der Erzbergerstraße – das Depot der Städtischen Galerie von nun an bereichern.

Zusammen mit ihrem Bruder Veith habe Jane Heinichen bei der Schenkung keinesfalls die Erwartung, dass daraus eine Dauerausstellung entsteht. Durch Ausleihen oder thematische Ausstellung gehe es vielmehr darum, "es zu ermöglichen, dass Kunst sichtbar und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird."

Info: Die Bestände der Städtischen Galerie

Die Sammlung Heinichen ergänzt den Bestand der Städtischen Galerie, in deren Besitz bisher die Sammlung Gremliza, Ehepaar Deimling, Christian Link sowie die Sammlung Felix Schlenker ist. Derzeit sei man mit der Digitalisierung der mehr als 3000 Kunstwerke beschäftigt, berichtet Galerieleiter Stephan Rößler. Im Frühjahr 2023 sollen die Werke dann auf der Homepage der Städtischen Galerie veröffentlicht werden.