Seit August ist Martina Baleva neue Leiterin der Schwenninger Museen. Von Anfang an hat sie eine Mammutaufgabe zu stemmen: die Gestaltung des neuen Museumsquartiers. Welche Verbindung hat sie zu dem Großprojekt und welche Chancen sieht sie darin? Und warum müssen Uhrenindustrie- und Heimatmuseum vorübergehend schließen?
So richtig zur Ruhe gekommen ist Martina Baleva, seitdem sie die Leitung der Schwenninger Museen inne hat, eigentlich noch nie. Nahezu täglich pendelt sie zwischen ihren Wirkungsstätten in Schwenningen, dem Heimat- und Uhrenmuseum oder dem Uhrenindustriemuseum (UIM), sowie dem Kulturamt am Villinger Romäusring hin und her. Bereits an ihrem ersten Arbeitstag habe sie an einer Sitzung zwischen Kulturamt und Amt für Gebäudewirtschaft und Hochbau (GHO) teilgenommen, um das neue Museumsquartier zu planen und Strategien zu entwickeln.
Nachfolgerin von Hütt
Dabei im Mittelpunkt steht das, was die Nachfolgerin von Michael Hütt, der vor rund zwei Jahren in den Ruhestand gegangen ist, überhaupt in die Doppelstadt gezogen hat: die Neugestaltung der Schwenninger Museumslandschaft und deren Integration in den Städtebau, die spätestens seit der vergangenen Gemeinderatssitzung wieder in aller Munde ist.
Eigentlich kommt die in Berlin studierte und in Nürnberg promovierte Kunsthistorikerin aus der klassischen akademischen Ecke, hat zuletzt an der Universität Innsbruck als Professorin für zeitgenössischen Kunst gelehrt und zuvor als Stiftungs-Assistenzprofessorin für Kulturelle Topographien Osteuropas im 19. und 20. Jahrhundert an der Universität in Basel gearbeitet, wo sie seit zwölf Jahren lebt.
Thema Zeit steht im Mittelpunkt
Doch seit ihrer Dissertation, die die gebürtige Bulgarin zu Kunst und Nationalismus auf dem Balkan im 19. Jahrhundert verfasst hat, kuratiert sie zudem Ausstellungen zu kunst- und kulturhistorischen Themen, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt. Sie sei begeistert gewesen, als sie von dem für Schwenningen geplanten „Museum der Zeit“ erfahren habe. „Das hat mich bewogen mich zu bewerben“, erklärt die 52-Jährige ihre Motivation. Sie habe viele Kontakte in der nationalen und internationalen Museumswelt, die bereits eifrig Ideen sammelten, um die äußere Hülle des neuen Museums thematisch mit Leben zu füllen.
Erste Hürde ist genommen
Die grobe Richtung für einen neuen Standort dieser äußeren Hülle haben die Stadträte jüngst durch den Auftrag, eine Machbarkeitsstudie auszuarbeiten, vorgegeben – ein „Erfolgserlebnis“, wie Baleva erfreut findet. „Die erste Hürde ist genommen.“ Nachdem der Gemeinderat Anfang des Jahres das ursprüngliche Museums-Großprojekt, das Bürk-Areal, aufgrund zu hoher Kostensteigerung gestoppt hatte, wurden die Pläne für eine Zusammenführung der Schwenninger Museen wieder aufgenommen – allerdings am neuen Standort rund um das Heimat- und Uhrenmuseum am Muslenplatz.
„Erfinden Rad nicht neu“
„Wir erfinden das Rad nicht neu“, betont die Museumsleiterin. Das Grobkonzept habe bereits bestanden, jetzt änderten sich die bauliche Voraussetzung und die Architektur. Geplant wird dabei zusammen mit vielen Personen und Institutionen: unter anderem mit dem Interims-Kulturamtsleiter Andreas Dobmeier, der bereits die ursprünglichen Bürk-Pläne mit auf den Weg gebracht hatte, mit Galerie-Leiter Alejandro Perdomo Daniels, der Stabsstelle Sammlungsbetreuung der Städtischen Museen VS rund um Ina Sahl oder dem GHO.
Genügend Platz für Kunstvermittlung
War es zuvor das Uhrenindustriemuseum, das im Mittelpunkt des Bürk-Areals stand, ist es jetzt das Heimatmuseum, hinter dem sich ein Neubau anschließen soll. Hier sollen Sonderausstellungen des „Museums der Zeit“ sowie der Städtischen Galerie zu sehen sein. Zudem werde die Galerie als Museum für zeitgenössische Kunst endlich ihre Sammlung, die sich bislang im Depot befindet, zeigen können, erklärt Baleva. Unentbehrlich seien mittlerweile auch die entsprechenden Räume für die Museums- und Kunstvermittlung. Man könne das Publikum nicht nur passiv „bespaßen“. „Wir haben eine Bildungsauftrag, unser Wissen, das wir durch Forschung an den Objekten erlangt haben, zu vermitteln.“
Die Verbindung von Bestehendem und Neuen, von einem historischen Haus als Ausgangspunkt, habe sich in anderen Städten, etwa beim Jüdischen Museum in Berlin oder beim Museumsquartier in Osnabrück bewährt. Im Fachwerkhaus am Muslenplatz sieht die Kunsthistorikerin großes Potenzial – obwohl es bekannterweise alt und stark überholungsbedürftig ist.
Vielseitige Geschichte
Bevor hier wie geplant das „Wohnzimmer“ mit Bibliothek, Museumsshop und Café einziehen kann, muss das Museum saniert und unter anderem die Brandmeldeanlage erneuert werden. Auch ein neuer, größerer Eingang ist vorgesehen – in Anlehnung an das Bauernhaus in seinem Ursprungszustand, wie an einem Modell im Museum zu sehen ist. Die Bewahrung der Tradition sei für Schwenningen wichtig, aber auch die der Industriekultur. „Ich bin jemand, der ein großes Interesse für die Industriegeschichte hat“, sagt die Kunsthistorikerin. Und damit meint sie nicht nur die lokale Geschichte Schwenningens vor Ort: So soll das große Thema Zeit auch in Verbindung mit der Migration der damaligen Arbeitskräfte sowie mit anderen Regionen der Welt gestellt werden, die etwa in Verbindung mit der Uhrenindustrie stehen.
UIM für sechs Monate zu
Überhaupt sind die Themen Kulturgeschichte und plurale Kulturen für die Bulgarin wichtig. Derzeit steckt sie zusammen mit den UIM-Ehrenamtlichen in den Planungen zur Feier des 30-jährigen Bestehens des Uhrenindustriemuseums am 10. November. Das soll ganz im Zeichen der multikulturellen Bevölkerung, die Schwenningens Stadtbild prägt, stehen. Nach Jubiläumsfeier und Finissage der aktuellen Ausstellung „Abseits des Rasens“ wird das Uhrenindustriemuseums erst einmal für sechs Monate dicht gemacht, blickt Martina Baleva voraus. In dieser Zeit wird es saniert und mit neuen Wasserleitungen ausgestattet. Eine „Mammutaufgabe“ für das Museumsteam, so Baleva, weil auch die Museumsmaschinen eingehaust werden müssten. „Das Museum wird danach im neuen Glanz erstrahlen“, ist sie sich sicher.
Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen wichtig
Denn bestehen soll das Uhrenindustriemuseum in der Württembergischen Uhrenfabrik weiterhin, auch wenn sich das kulturelle Leben künftig hauptsächlich am Muslenplatz abspielen wird. Auf der bisherigen Sonderausstellungsfläche soll sich die Werkstatt ausbreiten und zur lebendigen Schau-Werkstatt werden. Die zahlreichen Ehrenamtlichen, die rund um die Werkstatt tätig sind, prägten das Uhrenindustriemuseum enorm, betont Baleva, daher müsse man alle in ihren Bedürfnissen sehen. Der Museumswecker, der in der Werkstatt gefertigt wird, sei also nicht nur ein Markenzeichen für das Uhrenindustriemuseum, sondern auch für das Engagement der Ehrenamtlichen.
Die Museumsleiterin ist optimistisch, was den – schnellen – Fortschritt des Museumsprojekts angeht, auch in Bezug auf die finanzielle Seite. Bisher sei nur grob geplant worden, jetzt gelte es, die Pläne auf die Machbarkeit und auf das Budget herunterzubrechen. Aus Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht wurden, habe man gelernt. Es sei der Auftrag, aber auch das Risiko, finanziell nun richtig zu haushalten.
„Kulturelle Symmetrie“
Und was verspricht sich Martina Baleva vom neuen Museumsquartier? „Es ist eine offensichtliche Chance, den Platz und die Innenstadt wiederzubeleben und lebenswerter zu machen.“ Und das gelte im Übrigen auch für die zahlreichen Studenten, die für das kulturelle Angebot begeistert werden sollen. Zudem geht es der Kunsthistorikerin darum, mit Blick auf Ausstattung und Angebot die „kulturelle Symmetrie“ zwischen den beiden Stadtbezirken wiederherzustellen.
So geht es mit den Schwenninger Museen weiter
Uhrenindustriemuseum
Zum 30-jährigen Bestehen des UIM findet am Sonntag, 10. November, parallel zum Schwenninger Verkaufsoffenen Sonntag ein Museumsfest statt. Die Besucher erleben Maschinenvorführungen an Stationen im historischen Maschinensaal, Uhrenmontage mit eigenem Zifferblatt, Jazz-Musik sowie Filmvorführungen. Im Zuge der Sanierung der Württembergischen Uhrenfabrik schließt das UIM für rund ein halbes Jahr.
Heimat- und Uhrenmuseum
Das Museum ist schon seit mehreren Jahren von der Schließung bedroht und aus brandschutzrechtlichen Gründen nur eingeschränkt nutzbar. Zuletzt war es durch die Initiative des Heimatvereins beziehungsweise der Schwenninger Stadtführer einmal pro Monat für Besucher geöffnet. Nun aber bleibt es komplett geschlossen, berichtet Museumsleiterin Martina Baleva. Zu groß sei ihr als Verantwortliche das Risiko eines möglichen Vorfalls. Mit der Vorsitzenden des Heimatvereins, Annemarie Conradt-Mach, habe sie entsprechende Gespräche geführt, diese hätte Verständnis gezeigt – mit der Hoffnung auf die mögliche Integration des – zu sanierenden – Heimatmuseums in das neue Museumsquartier am Muslenplatz.