Auf dem Glatteis: Für die Autoindustrie gibt es im Jahr 2023 eine Menge Aufgaben zu bewältigen. Die Transformation ist dabei nur noch eine Aufgaben unter mehreren. Foto: dpa-tmn

Die Modelloffensive von Autoherstellern in Deutschland bei vollelektrischen Fahrzeugen gewinnt 2023 weiter an Fahrt. Was Porsche und andere Autobauer planen.

Der Ukraine-Krieg hat die Welt in Aufruhr versetzt, was für eine global agierende Branche wie die Autoindustrie besonders fordernd ist. Ein Blick in das Autojahr 2023.

Welche neuen Modelle kommen 2023 auf den Markt?

Lange hat es gedauert, doch nun dürfte die Modelloffensive von Herstellern in Deutschland bei vollelektrischen Fahrzeugen an Fahrt gewinnen. Opel etwa will mit der Produktion des Astra Electric beginnen, der mit einer beachtlichen Reichweite von 416 Kilometern den Umstieg erleichtern soll. Volkswagen will die elektrischen Kompakt-Geländewagen Porsche Macan und Audi Q6 e-tron an den Start bringen, die allerdings unter den Software-Problemen des VW-Konzerns leiden. Läuft aber alles gut, könnte der Audi im Herbst vorgestellt werden – und der Porsche wenig später.

Bei Mercedes ist die neue E-Klasse, die 2023 auf den Markt kommt, das letzte Modell, das auf einer reinen Verbrenner-Plattform gebaut wird. Die rein elektrische E-Klasse ist in Form des EQE bereits auf dem Markt. Auch BMW schickt mit dem 5er einen Veteranen ins Rennen; er kommt bereits in der achten Generation. In dritter Generation kommt der VW Tiguan auf den Markt – mit Verbrenner- und Hybridmotorisierung. Auch hier ist mit dem ID.4 ein in der Größe entsprechendes E-Modell schon auf dem Markt.

Wie entwickeln sich die Autopreise?

Die Verkaufszahlen von Autos in Deutschland wachsen zwar, aber sie bleiben weit hinter dem zurück, woran sich die Branche gewöhnt hatte. Trotzdem steigen die Preise. Immer wieder fehlen Bauteile – und nicht nur Chips. Längst sind die Autohersteller dazu übergegangen, die knappen Bauteile in die teureren und gewinnträchtigeren Modelle einzubauen und dadurch Gewinne, Umsätze und Preise zu steigern: Ob Ford Fiesta, Audi A1 oder Q2 – reihenweise streichen die Hersteller ihre Einstiegsmodelle und erhöhen so die Autopreise.

Die sozialen Folgen werden innerhalb dieses Kalküls nicht immer berücksichtigt. „Viele Städte würden mehr Kleinwagen begrüßen, aber für viele Hersteller rechnet sich deren Herstellung nicht mehr“, sagt Peter Fuß, Autoexperte der Unternehmensberatung EY. BMW-Chef Oliver Zipse sagt, es sei eine „gefährliche Sache“, wenn der Autobesitz nur noch für reiche Leute möglich sei.

Welche Bedeutung hat das Elektroauto?

Längst steigt die Zahl der neuen Elektrofahrzeuge exponentiell. Unternehmen, die ihre Klimabilanz verbessern wollen, zählen ebenso zu den Käufern wie Privatleute, die angesichts der steigenden Zahl von E-Fahrzeugen im Straßenbild ihre bisherigen Befürchtungen beiseite wischen – und die sich ein solches Auto leisten können. Das wird künftig deutlich schwieriger, denn zum Jahreswechsel sinkt die Förderung deutlich.

Die Teuerung könnte noch verstärkt werden, weil durch den schnellen Hochlauf des E-Marktes der Bedarf an Batterien stark steigt, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Duisburger Forschungszentrum CAR. Allerdings könne hier auch ein gegenläufiger Effekt einsetzen, denn durch den Rückzug mancher Hersteller aus dem Kleinwagen- und dem Kompaktsegment entstünden Lücken für andere Anbieter. In südeuropäischen Märkten etwa gebe es einen hohen Bedarf an kleinen, erschwinglichen Autos, und mit den daraus resultierenden Kostenvorteilen könnten sie die Preise unter Druck bringen und das Angebot an kleinen Fahrzeugen wieder ausweiten.

„Viele chinesische Hersteller drängen gerade nach Europa“, sagt Peter Fuß und berichtet von einem riesengroßen Interesse dortiger Hersteller, sich über den Markteintritt in Europa beraten zu lassen. Längst seien die Zeiten vorbei, da man über chinesische Hersteller milde lächelte. Einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC zufolge könnte die EU schon in wenigen Jahren mehr Autos einführen als exportieren – vor allem aus China.

Welche Perspektiven gibt es für die Arbeitsplätze in der Branche?

Die Betriebsräte der Autoindustrie haben schon einfachere Zeiten erlebt. Einerseits hängen die meisten Jobs nach wie vor am Verbrenner, andererseits hat die Europäische Union dieser Technologie mit dem Jahr 2035 ein Ablaufdatum verpasst – jedenfalls für ihre Mitgliedsstaaten. Die Autohersteller stellen sich darauf ein und forcieren die Elektroautos, die aber pro Stück für wesentlich weniger Arbeitsplätze stehen.

Mercedes investiert derzeit massiv in die E-Mobilität im Stammwerk Untertürkheim und knüpft dessen Zukunft ebenso an den Erfolg der E-Strategie wie die des gesamten Unternehmens.

Schwierig ist die Lage bei den Zulieferern, die zwischen steigenden Kosten und rigiden Einkäufern der Autohersteller gefangen sind und die mit begrenzten Mitteln eine Transformation stemmen müssen, die bei spezialisierten Lieferanten teilweise noch anspruchsvoller ist als bei den Herstellern. Auf deren Hilfe können aber nur diejenigen hoffen, die von strategischer Bedeutung sind – oder deren kurzfristiger Ausfall Produktionsstörungen verursachen würde. Letztere werden jedoch nur so lange über Wasser gehalten, bis man Ersatz gefunden hat.

Wie ist die Autoindustrie auf ihren Auslandsmärkten aufgestellt?

Hoffen müssen die Beschäftigten dieser Branche auch darauf, dass ein großes Risiko der deutschen Autoindustrie nicht eintritt. Denn jedes dritte Auto wird in China verkauft, wenn auch vorwiegend aus dortiger Produktion. Ohne China als Absatzmarkt wären die deutschen Hersteller nur ein Schatten ihrer selbst; gleichzeitig sind die politischen Beziehungen zu dem Land angespannt.

Das gilt inzwischen auch für die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA. Dort wird mit massiven Subventionen versucht, die Produktion von E-Autos und Batterien ins Land zu ziehen. So etwas hatte noch nicht einmal US-Präsident Donald Trump gewagt. Nur wenn es Europa gelingt, gegenzuhalten oder aber die USA umzustimmen, wird sich verhindern lassen, dass die E-Produktion abwandert, noch ehe sie richtig begonnen hat.