Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat die Trainer-Ausbildung auf den Kopf gestellt. Sie ist länger und teurer, zudem wird der Zugang für Trainer ohne Profivita erschwert. Bleiben dadurch Trainertalente auf der Strecke?
Am 17. August steckten Mustafa Ünal und Markus Lang nach dem Abpfiff noch eine Weile die Köpfe zusammen. Dabei ging es nicht nur um den 1:0-Auswärtssieg der Stuttgarter Kickers beim FSV 08 Bietigheim-Bissingen, die Cheftrainer der beiden Fußball-Oberligisten tauschten sich auch über die tief greifende Reform des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in der Trainerausbildung aus. Beide A-Lizenz-Inhaber haben jeweils schon zweimal die Eignungsprüfung für den Lehrgang zur DFB-Fußball-Lehrer-Lizenz (neuerdings Uefa-Pro-Lizenz) bestanden, beide bekamen aber keinen Platz in dem heiß begehrten Kurs.
Und durch die seit diesem Jahr geltenden grundlegenden Neuerungen wird alles noch viel schwieriger. Nur noch 16 statt bisher 25 Auserwählte können pro Jahr die höchste Lizenzstufe des deutschen Trainerwesens erklimmen. Bei bisher schon über 100 Bewerbungen ist das Nadelöhr zweifelsohne noch enger geworden. Leicht frustriert hat Markus Lang daraus bereits für sich die Konsequenzen gezogen: „Es ist aussichtslos, ich werde keinen neuen Anlauf nehmen.“ Sein Kickers-Kollege dagegen gibt nicht auf: „Ich lasse mich nicht entmutigen, zur Not nehme ich für den letzten Ausbildungsschritt den Umweg über den türkischen Verband. Aber mein Ziel bleibt es, die Pro Lizenz in Deutschland zu erwerben.“
Was es für erfolgreiche Oberliga-Trainer wie Ünal und Lang, aber auch Evangelos Sbonias (SG Sonnenhof Großaspach) und Tobias Flitsch (FV Ravensburg/früher Kickers) künftig noch schwerer macht, in den exklusiven Kreis aufgenommen zu werden, ist ihre fehlende Profikarriere als Spieler. Denn in dem neuen, für die Aufnahme relevanten dreigliedrigen Bewertungssystem lässt sich mit höherklassiger Spielererfahrung reichlich punkten. Für eine Saison in der ersten Liga gibt es fünf Punkte, in der zweiten Liga vier und so weiter. Ab der Verbandsliga lassen sich nur noch 0,5 Punkte pro Saison machen. Die maximal erreichbare Punktzahl in dieser Kategorie ist auf 35 beschränkt. Jedoch fallen Spiele im Dress der Nationalelf nicht in diese Beschränkung. Für jedes Länderspiel in einer Herrenmannschaft gibt es nochmals 0,5 Punkte, bei der U21 bis U15 0,25 Punkte pro Spiel.
Studium bringt Punkte
Weiteres Kriterium ist die Trainererfahrung. Pro abgeschlossener Saison gibt es entsprechend des Niveaus eine bestimmte Punktzahl. Als Cheftrainer in einer der vier höchsten Ligen gibt es zum Beispiel 7,5 Punkte pro Saison. Als Cheftrainer in der Oberliga oder Co-Trainer in der Regionalliga bekommt man hingegen nur noch einen Punkt, bei allen weiteren Tätigkeiten 0,5 Punkte. Die dritte Kategorie nennt sich „relevante Bildung“, so bringt ein abgeschlossenes Studium der Sportwissenschaften mit Master 15 Punkte, ein Bachelor zehn. Auch Berufsausbildungen oder Fortbildungen können Punkte bringen.
„Wenn du nicht in allen drei Kategorien auf weit überdurchschnittliche Punktzahlen kommst, hast du keine Chance“, sagt Markus Lang. Da das Bewertungssystem auch für die Zulassung zur A-Lizenz herangezogen wird, sorgt dies für Unmut an der Basis, eine weitere Entfremdung zwischen Profis und Amateuren wird befürchtet. Auch bei Norbert Stippel, dem Sportlichen Leiter des Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) der Stuttgarter Kickers, gehen die Alarmglocken an: „Es besteht die große Gefahr, dass wir hoffnungsvolle Trainertalente verlieren.“ Thomas Krücken, sein Kollege vom VfB Stuttgart glaubt nicht, dass die Kette des Qualitätsnachschubs durch die Reform zwingend unterbrochen wird. Er rechnet damit, dass die Trainer-Asse von morgen „zumindest im Dunstkreis der NLZs“ auftauchen werden.
Zwei Stränge der Ausbildung
Ein Grund dafür ist die mit der Reform ebenfalls verbundene strukturelle Trennung der Ausbildung zwischen Erwachsenfußball Leistungssport und Jugendbereich. Jeder Anwärter kann sich entscheiden, ob seine Trainerkarriere beim Nachwuchs oder bei den Aktiven machen möchte. „Ich halte diese Splittung für sinnvoll und zeitgemäß. Im Erwachsenenfußball ist das Ausbildungsmodul Medienarbeit wichtiger als beim Nachwuchs, wo wiederum etwa die Psychologie eine noch größere Rolle spielt“, sagt Krücken. Bisher durchliefen alle Trainer den gleichen Bildungsweg. Es gab nur wenig Möglichkeiten der Individualisierung und Differenzierung. „Nun soll der Mensch im Mittelpunkt stehen. Das heißt, dass wir von den Spielern und Trainern ausgehen, Dinge ableiten. Nicht wie bisher umgekehrt“, erklärt Markus Nadler, Abteilungsleiter für Aus-, Fort- und Weiterbildung beim DFB.
Damit verbunden sind deutliche Kostensteigerungen. Die DFB-Elite-Lizenz kostete im alten Format zwischen 1700 und 2200 Euro, je nach Standort. Die neue B+-Lizenz kostet circa 3900 Euro. Noch größer ist die Diskrepanz auf der nächsthöheren Lizenz-Stufe. Die alte A-Lizenz kostete etwa 3000 Euro, die neue A-Lizenz etwa 9500 Euro. Nadler begründet die Kostensteigerung wie folgt: „Für mehr Detailtiefe bei den Inhalten brauchen wir deutlich mehr Zeit. Dies können wir nur durch höhere Umfänge und längere Ausbildungsdauer erreichen. Für mehr Individualisierung brauchen wir deutlich mehr Ausbilderkapazität pro Teilnehmer. Das bedeutet: Qualitätserhöhung heißt auch Kostenerhöhung.“ Richtig tief in die Tasche greifen muss man als Teilnehmer bei der Pro-Lizenz – 19 000 Euro werden fällig, hinzu kommen Verpflegung und Unterkunft. Eine schöne Stange Geld, die oft aber von den Arbeitgebern (Vereine oder Verbände) übernommen wird.
Druck standhalten
Das größte Schwierigkeit für einen Oberligatrainer wie Mustafa Ünal bleibt die Hürde der Zulassung – da dem 38-Jährigen die Punkte aus einer Profikarriere fehlen. Ist das gerecht? „Ein reicher Schatz an Profi-Erfahrung ist hilfreich, und ich sage auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein guter Spieler ein guter Trainer wird, ist höher, als dass ein schlechter Spieler ein guter Trainer wird“, meint der badische Verbandsportlehrer Rainer Scharinger, „aber noch wichtiger ist, dass man das Spiel verstanden hat, soziale Kompetenz mitbringt und vor allem dem täglichen Leistungsdruck standhält.“
Dies hat Ünal in seiner Zeit als Oberliga-Cheftrainer schon bewiesen. Und würde er mit den Kickers den Durchmarsch in die dritte Liga schaffen, dürfte er die Blauen auch ohne Pro Lizenz trainieren – da er gemäß DFB-Ausbildungsordnung sofort einen Platz im Fußball-Lehrer-Lehrgang bekommen würde. Doch davon ist Ünal mit den Kickers noch zwei Aufstiege entfernt.
Fußball-Lizenzen und ihre Kosten
Lizenzen
B-Lizenz
Einstieg in den leistungsorientierten Fußball. Die Ausstellung der B-Lizenz obliegt weiterhin den Landesverbänden, in Württemberg geschieht dies in der Sportschule Ruit, im Badischen ist die Sportschule Schöneck Anlaufpunkt und im südbadischen Verbandsgebiet geht es nach Steinbach.
B-+Lizenz
Die B+-Lizenz bereitet durch ihre Schwerpunktthemen die Teilnehmer auf die leistungsbezogene Förderung junger Talente in den Leistungszentren und DFB-Stützpunkten vor.
A-Lizenz
Die A-Lizenz richtet sich an Erwachsenentrainer im Leistungsfußball.
A+-Lizenz
Die A+-Lizenz bereitet durch ihre Schwerpunktthemen die Teilnehmer auf die Förderung junger Talente im Hochleistungs- und Übergangsbereich der Leistungszentren vor.
Pro-Lizenz
Die Ausbildung für Trainer im Hochleistungsbereich. Sie ist als Äquivalent zum bisherigen Fußball-Lehrer zu sehen.
Kosten
Die DFB-Elite-Lizenz kostete im alten Format zwischen 1700 und 2200 Euro, je nach Standort. Die neue B+-Lizenz kostet circa 3900 Euro. Noch größer ist die Diskrepanz auf der nächsthöheren Lizenz-Stufe. Die alte A-Lizenz kostete circa 3000 Euro, die neue A-Lizenz circa 9500 Euro. Richtig tief in die Tasche greifen, muss man als Teilnehmer bei der A+-Lizenz. Diese kostet circa 18 000 Euro. Für die Pro-Lizenz werden 19 000 Euro fällig, hinzu kommen Verpflegung und Unterkunft. Die höchste Ausbildung dauer zwölf bis 15 Monate mit circa 15 integrierten Präsenz- und Anwendungsphasen. (jüf)