Die Präsentation der neuen E-Klasse im Jahr 2023 ist ein historischer Akt. Es ist das letzte reine Verbrennermodell von Mercedes-Benz – und soll ausgerechnet im Elektroauto-Wunderland China ein großer Erfolg werden.
Die mobile Karaokeparty im Zeichen des Sterns kann beginnen – jedenfalls in Asien. Dafür schickt Mercedes-Benz die E-Klasse ins Rennen, deren neuestes Modell am Dienstag präsentiert wurde. Auf den Markt in Fernost zielen dabei die bald auch in Peking produzierten Autos, die dort zudem in der sehr gefragten verlängerten Version angeboten werden. So wurden dem Fahrzeugfond neue Dimensionen verliehen. Mithilfe eines groß ausgebreiteten Infotainment-Programms samt Zentralbildschirm kann im hinteren Sitzbereich nun problemlos die in China so beliebte Mitsingveranstaltung über die Bühne gehen.
„Wir stehen für Luxus“, betont Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer, „das wird von uns erwartet, ganz besonders in China.“ Auffällig wird dieser Premiumanspruch bei der neuen E-Klasse vor allem im Cockpit, wo das Touchscreen-Display zu einem Band geworden ist, das sich über die ganze Breite des Fahrzeugs erstreckt. Dazu zwei Bildschirme, der des Beifahrers ist dabei von der Fahrerseite aus nicht einsehbar. Dazu sind bis zu fünf Kameras im Einsatz, darunter eine – dem Trend der Selbstdarstellung folgend – Selfie-Cam. Hingucker sind auch der beleuchtete Rahmen des Kühlergrills und glitzernde Mercedes-Sterne in den Rücklichtern.
Zur Hälfte Plug-in-Hybrid-Modelle
Einzigartig macht die neue E-Klasse aber etwas anderes: Mit ihr wird bei Mercedes-Benz nämlich das große, mit Erfindungsreichtum und Tradition versehene Kapitel Verbrennermotor als ausschließlicher Antrieb zugeschlagen. Zur Markteinführung kombinieren drei von sechs E-Klasse-Versionen die alte und neue Antriebswelt als Plug-in-Hybrid-Varianten, die eine elektrische Reichweite von bis zu 100 Kilometern besitzen.
Wie soll sich dieses Verbrenner-Angebot aber ausgerechnet im Elektroauto-Wunderland China durchsetzen? Bei Mercedes glaubt man daran. In China werde die Entwicklung und Produktion von E-Autos zwar in einer enormen Geschwindigkeit vorangetrieben, wie Markus Schäfer von seinem Besuch bei der Messe „Auto Shanghai“ zu berichten weiß. „Aber die Ladeinfraktur kann nicht mithalten“, wie er sagt. Was zu dem interessanten Ergebnis führen könnte, dass der letzte Mercedes-Verbrenner in China noch einen großen Erfolg einfährt. Oder in Südkorea, wo sich die E-Klasse traditionell einer enormen Beliebtheit erfreut.
In Deutschland rollt die neue E-Klasse von Sommer an in der Sindelfinger Halle 46 vom Band. Einen Preis will der Hersteller noch nicht nennen. Auf die Limousine mit der Typenbezeichnung W214 folgt im Herbst die T-, also die Kombivariante. Schon jetzt ist klar: Es sind historische Modelle.
Als Taxi zu immer neuen Rekorden
Geschichtsträchtig ist die E-Klasse ohnehin. Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sind von jeher Merkmale, die mit diesem Mercedes-Modell in Verbindung gebracht werden. Regelmäßig kommen Fahrzeuge dieser Bauart in die Schlagzeilen, wenn sie wieder einmal unvorstellbare Strecken zurückgelegt haben. Wie im Fall von Gregorios Sachinidis aus dem griechischen Thessaloniki, der es mit seinem 240er-Diesel mit insgesamt 4,6 Millionen gefahrenen Kilometern im Jahr 2004 noch nach Stuttgart geschafft hat, um seinen Wagen dem Mercedes-Museum zu vermachen. Meistens sind es Taxifahrer wie Gregorios Sachinidis gewesen, die mit ihren Dienstfahrzeugen die Ein-Millionen-Kilometer-Grenze durchbrochen und den legendären Ruf der E-Klasse dadurch untermauert haben.
In der Taxi-Ausführung wird das neue Modell allerdings nicht mehr angeboten, das in seiner luxuriösen Endphase endgültig der oberen Mittelklasse entwachsen ist. Dort war dieses Auto einst gestartet, von dem seit 1946 mehr als 16 Millionen Exemplare gefertigt worden sind. Mit der Baureihenbezeichnung W136 war das Fahrzeug zunächst für Rettungsdienst, Polizei und Handwerk im Einsatz. Berühmt auch die Heckflossen-Variante (W110) aus dem Jahr 1961 und die sogenannten Strich-Acht- Baureihen von 1968 (W114/W115). Die 1984 auf den Markt gekommene 124er-Serie erhält 1993 den Namen E-Klasse.
Das vorangestellte „E“ steht allerdings nicht für „Erfolg“, sondern für „Executive“, betont also die führende Stellung. Diese Position wurde zwischenzeitlich durch den Dieselskandal, der auch die E-Klasse betroffen hat, von manchem Kunden in Zweifel gezogen. Auch das gehört zur Geschichte des Unternehmens, das fortan alle Energie in den Batterieantrieb investieren will.