Nach dem Mord an einer 37-jährigen Psychotherapeutin am Dienstag vergangener Woche in Offenburg gibt es neue Erkenntnisse. Der verdächtige 42-Jährige hat sich allerdings noch nicht zum Tatvorwurf geäußert hat – was die Ermittler besonders fordert.
Die Ermittlungen in dem Tötungsdelikt laufen weiter und werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen, teilten die Offenburger Staatsanwaltschaft und Polizei am Donnerstag gemeinsam mit, gaben gleichzeitig aber neue Details bekannt – zur Tat und zum keine 24 Stunden danach festgenommenen Tatverdächtigen. Im Vordergrund stünde nun die Rekonstruktion des Tatgeschehens, um die bislang gesicherten Spuren beweiskräftig mit dem Tatverdächtigen in Zusammenhang zu bringen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem in Frankreich geborenen und zuletzt in Offenburg lebenden Deutschen Mord vor. Die Tat sei heimtückisch, aus dem Hinterhalt erfolgt, das Opfer nichts ahnend gewesen. Für ein Sexual- oder Raubdelikt gebe es nach derzeitigem Ermittlungsstand laut Staatsanwaltschaft indes keine Hinweise.
Schwangerschaft des Opfers steht im Fokus der Ermittler
Neben dem Tatvorwurf des Mordes prüfen die Ermittler ebenfalls, ob der Beschuldigte den Tatbestand eines Schwangerschaftsabbruchs erfüllt hat. Wie berichtet, erwartete das Opfer ein Kind – inwieweit der 42-Jähriger davon allerdings Kenntnis hatte, sei aktuell noch unklar, heißt es.
Dem Opfer war der Tatverdächtige, der im Alter von 22 Jahren in Frankreich seinen Nachbarn getötet hat und dafür elf Jahre in Haft saß, laut Polizei Ende 2023 in einer Offenburger Klinik zum ersten Mal begegnet. Dort war die 37-Jährige die behandelnde Psychotherapeutin. Bereits damals sei der Mann durch aggressives Verhalten gegenüber seiner Therapeutin aufgefallen. Später, nach einem Stellenwechsel der Frau in eine Praxis in der Offenburger Hauptstraße, habe sich „ein auffälliges Verhalten“ fortgesetzt, hatte Oberstaatsanwältin Iris Janke bereits am Donnerstag vergangener Woche gegenüber der Presse erklärte. Zweimal hatte sich die Stadt Offenburg deswegen bemüht, den Tatverdächtigen in eine Psychiatrie einweisen zu lassen, beide Male verhinderten Gutachten „wegen fehlender Eigen- oder Fremdgefährdung“ die Unterbringung.
Aber: Das Verhalten des 42-Jährigen hatte, wie die Behörden nun mitteilten, im Juni des vergangenen Jahres sowohl eine Gefährder- als auch eine Gefährdetenansprache (siehe Info) durch die Polizei zur Folge. Nacht aktuellem Ermittlungsstand hätten sich „noch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass zwischen Opfer und mutmaßlichem Täter“ anschließend „noch irgendeine Verbindung bestanden hat“.
Aufgrund der „therapeutischen Vorbeziehung“ und den dabei „entwickelten Aggressionen“ beim Tatverdächtigen nehmen Polizei und Staatsanwaltschaft dennoch an, dass der 42-Jährige sein Opfer gezielt aufgesucht und getötet hat.
Opfer wurde um 18.30 Uhr erstmals gesehen, aber erst um 19.15 Uhr gemeldet
Wie mehrfach berichtet, war die 37-Jährige am Dienstagabend vergangener Woche mit schwersten Stichverletzungen in einem Hinterhof bei der Unionrampe, nahe ihres Arbeitsplatzes, gefunden worden. Nach den ersten Ergebnissen der rechtsmedizinischen Untersuchung gehen die Ermittlern davon aus, dass die Frau auch dann nicht zu retten gewesen wäre, wenn sie bereits um 18.30 Uhr, als sie erstmals auf dem Boden liegend gesehen worden sein soll, ärztliche Hilfe erhalten hätte. Tatsächlich hatte sich eine Zeugin erst gegen 19.15 Uhr bei der Polizei gemeldet. Die Obduktion hatte ergeben, dass massiver Blutverlust und Organversagen zum Tod der Frau geführt hatten. Auch „leichte Abwehrverletzungen“ an den Armen der Getöteten hatte die Gerichtsmedizin festgestellt.
Für die weitere Rekonstruktion des Verbrechens ließen die Ermittler nun unter anderem Bildaufnahmen anfertigen, um den Tatort virtuell darzustellen. Demnach fanden dort am Montag dieser Woche in Zusammenarbeit mit Spezialisten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg „weitere kriminaltechnische Nacharbeiten“ statt, auf die die Polizei und die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung jedoch nicht weiter eingingen.
Die Wohnung des 42-jährigen Tatverdächtigen in der Offenburger Weststadt ist nach Angaben der Behörden nach wie vor beschlagnahmt. Allerdings hätten – „entgegen anderslautenden Informationen“ – in dem Haus neben der Festnahme im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt keine weiteren Polizeieinsätze stattgefunden.
Gefährder- und Gefährdetenansprache
Eine Gefährderansprache kann die Polizei als vorbeugende Maßnahme zur Bekämpfung von Straftaten einsetzen. Damit wird den Adressaten mitgeteilt, dass sie unter polizeilicher Beobachtung stehen. Ziel der persönlichen Ansprache ist eine Änderung des Verhaltens der Gefährder. Dagegen soll die Gefährdetenansprache laut Polizeigesetz potenziell gefährdete Personen darüber aufklären, dass sie als Opfer der drohenden Straftat in Betracht kommen.