So sah sich der Dichter selbst: Selbstporträt 1887. Foto: Rilke Archiv Gernsbach/DLA

„Rainer Maria Rilke oder Das offene Leben“: Auf der Grundlage bislang unbekannter Quellen wirft die Leiterin des Deutschen Literaturarchivs, Sandra Richter, einen neuen Blick auf den Dichter im Kontext seiner Zeit.

An der italienischen Adria führt ein schöner Wanderweg über schroffe Kalkfelsen entlang nach Duino, zu dem Schloss, in dem der Dichter Rainer Maria Rilke an seinen berühmten Elegien geschrieben hat. Zu den Besonderheiten der Passage zählt, dass bei entsprechendem Wetter an jeder Biegung ergriffene Pilger im hohen Ton schwer verständliche Verse über den Strom vorüberwalzender Reisegruppen schleudern. Dass das Schöne des Schrecklichen Anfang sei, findet hier seine eigentümliche Bestätigung. Man darf die Szene als emblematisch für das Ineinander von Entrücktheit und Gefälligkeit, Preziosität und Popularität, Priestertum und Profanation betrachten, mit dem man es bei dem Dichter zu tun bekommt, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird.