Dogan Akhanli, Autor und deutscher Staatsbürger, sieht sich von der Türkei verfolgt. Istanbul will seine Auslieferung. Foto: dpa

Die Auslieferung des deutschen Schriftstellers durch Spanien ist möglich, gilt aber als unwahrscheinlich.

Berlin - Der in Spanien festgenommene Kölner Autor Schriftsteller Dogan Akhani ist zwar wieder frei, darf Spanien aber vorerst nicht verlassen, weil die Türkei ein Auslieferungsbegehren gestellt hat. Der ganze Vorgang ist noch immer schwer durchschaubar. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde Akhanli in Spanien festgenommen?
Der spanischen Polizei lag offenbar eine sogenannte „red notice“ von Interpol vor. Das ist ein Ersuchen auf Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung. Interpol hat 190 Mitgliedsstaaten. Ziel ist die bessere Koordinierung kriminalpolizeilicher Zusammenarbeit. Die Organisation verfügt aber über keine eigenen Fahnder und handelt nicht eigenständig. Um mutmaßliche Verbrecher in anderen Ländern aufzuspüren, werden solche „red notices“ von nationalen Polizeien herausgegeben, wie im vorliegenden Fall von der Türkei. Sie sind nicht bindend. Die einzelnen Staaten entscheiden frei darüber, wie sie mit dem Hilfsgesuch umgehen. „Strengstens untersagt“ ist nach Artikel 3 des Interpol-Statutes „jede Betätigung oder Mitwirkung in Fragen oder Angelegenheiten politischen, militärischen, religiösen oder rassischen Charakters“. Menschenrechtler werfen der spanischen Polizei vor, den offensichtlich politischen Charakter der türkischen Anfrage nicht erkannt zu haben.
Was wird Akhanli vorgeworfen?
Akhanli flüchtete 1991 vor dem Militärregime nach Deutschland. In seinen in Deutschland entstandenen Romanen setzt er sich als einer der ersten türkischen Künstler ausführlich mit dem türkischen Völkermord an den Armeniern auseinander, was ihn in der Türkei böse Verunglimpfungen eintrug. Ihm wurde 2010 in der Türkei vorgeworfen, Kopf einer Terrororganisation zu sein. Außerdem sollte er laut Anklage 1989 in einen Raubüberfall verwickelt gewesen sein, bei dem ein Mensch ermordet wurde. Akhanli wurde aber von einem Istanbuler Gericht freigesprochen. Menschenrechtler halten den politischen Hintergrund der Anklage für offenkundig. 2013 wurde der Freispruch wieder aufgehoben. Damals wurde ein sofortiger Haftbefehl erlassen, der auch Grundlage der „red notice“ an Interpol war. Dieses Ersuchen ist offenbar auch die Grundlage des Handelns der spanischen Behörden.
Wäre so etwas in Deutschland möglich?
Nein. Das zeigt der Umgang mit der auch an Deutschland ergangenen „red notice“ von 2013. Das Bundeskriminalamt entschied im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesamt für Justiz, Akhanli nicht zur nationalen Fahndung auszuschreiben. Eine Auslieferung an die Türkei hätte ohnehin nie im Raum gestanden. Akhanli hat längst die deutsche Staatsbürgerschaft. Artikel 16 des Grundgesetzes legt eindeutig fest: „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden.“ Ausnahmen sind bei EU-Staaten oder an einen internationalen Gerichtshof möglich. Beide Fälle sind hier nicht gegeben.
Warum jetzt und warum Spanien?
Da offenbar nur das alte Hilfegesuch von 2013 vorliegt, liegt die Vermutung nahe, dass die Türkei Akhanli bespitzeln ließ und die spanischen Behörden gezielt über seinen Urlaub im Land unterrichtete. Ein Vorgang, der – wenn er sich bestätigt – das diplomatische Klima zwischen Ankara und Berlin weiter vergiften kann.
Darf Spanien Akhanli an die Türkei ausliefern?
Theoretisch ja. Allerdings stehen dem so viele Gründe entgegen, dass eine Auslieferung sehr unwahrscheinlich ist. Spanien, die Türkei und Deutschland haben alle das europäische Auslieferungsübereinkommen ratifiziert, in dessen Artikel 3 es unmissverständlich heißt, dass die Ausslieferung nicht bewilligt werde, „wenn der ersuchte Staat ernstliche Gründe hat, anzunehmen, dass das Auslieferungsersuchen wegen einer nach gemeinem Recht strafbaren Handlung gestellt worden ist, um eine Person aus rassischen, religiösen, nationalen oder auf politischen Anschauungen beruhenden Erwägungen zu verfolgen oder zu bestrafen. . .“.
Wer entscheidet über die Auslieferung?
Zunächst hat die Türkei 40 Tage Zeit, um gegenüber einem spanischen Richtergremium die Berechtigung ihres Anliegens zu beweisen. Dabei hat der Beschuldigte das Recht auf Gehör. In diesem Verfahren kann auch die Bundesregierung ihre Sicht geltend machen. Die letzte Entscheidung ist dann aber eine politische, muss also von der spanischen Regierung gefällt werden. Auch die guten spanisch-deutschen Beziehungen machen eine Auslieferung unwahrscheinlich.