Regionale und lokale Prominenz mit Exponaten der Ausstellung "Wir schaffen was". Foto: Geideck Foto: Schwarzwälder Bote

Flüchtlinge: Die Aufgaben der Freundes- und Arbeitskreise Asyl haben sich geändert – die Notwendigkeit ihrer Existenz nicht

Die turbulenten Jahre 2015 und 2016 sind vorbei, es ist ruhiger geworden um die Freundes- und Arbeitskreise Asyl im Landkreis Calw. Und dennoch werden sie weiterhin dringend benötigt. Das wurde zuletzt wieder beim Ehrenamtsfest in Neubulach deutlich.

Neubulach. Das Fleisch auf dem Grill brutzelt genüsslich vor sich hin, Kinder toben umher, es wird viel gelacht auf dem Sportplatz des SC Neubulach. Es wirkt beinahe, als würde hier ein runder Geburtstag gefeiert. Dabei ist es noch nicht einmal fünf Jahre her, als sich Hunderttausende auf den Weg in Richtung Deutschland machten und auch im Landkreis Calw die Freundes- und Arbeitskreise Asyl alle Hände voll zu tun hatten, eine Ausnahmesituation zu managen. Die Bilder aus dieser Zeit, als Fabrikhallen mit Feldbetten zu Notunterkünften umfunktioniert wurden und Flüchtlinge vor den Bamf-Gebäuden Schlange standen, gehören heute allerdings nicht mehr zum Alltag. Und so könnte man meinen, dass das Ehrenamtsfest der Freundes- und Arbeitskreise Asyl, das das Landratsamt in Neubulach organisiert hat, ein heiteres Kaffeekränzchen ist. Alle Probleme gelöst – oder?

Nerviger Papierkram

Wer Günter Stricker und Else Furthmüller-Meyer vom Arbeitskreis Asyl aus Calw zuhört, der merkt schnell: Es geht zwar nicht mehr ganz so turbulent zu, doch auch im Kreis Calw ist das Engagement der Ehrenamtlichen weiterhin bitter nötig. "Am Anfang ging es mehr um Sprachkurse", sagt Fricker, Vorsitzender des Calwer Arbeitskreises Asyl. Jetzt, wo sich die meisten Flüchtlinge auf Deutsch verständigen können, sorgen er und seine Mitstreiter dafür, dass sich die Neubürger auch im Alltag zurechtfinden. Beim Ausfüllen von Formularen helfen, zum Arzt begleiten, bei der Job- und Wohnungssuche unterstützen – das ist nicht nur zeitintensiv, sondern könne einen auch schon mal zur Weißglut bringen. "Der Papierkram nervt am meisten", ärgert sich Stricker, "selbst für uns Deutsche sind die Formulare manchmal so kompliziert, dass sie unausfüllbar sind." Die klare Forderung: eine leichtere Sprache.

Eigene vier Wände

Umso leichter fällt Stricker und Furthmüller-Meyer der Umgang mit den Flüchtlingen selbst. "Die Leute sind sehr daran interessiert, vom Jobcenter loszukommen und auf eigenen finanziellen Beinen zu stehen", beobachtet Furthmüller-Meyer. Auch eigene vier Wände sei für viele ein entscheidendes Element, sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. 60 bis 70 Wohnungen haben Stricker und sein Verein in Calw bereits vermittelt. Zudem wurden kürzlich vier Flüchtlinge mithilfe des Arbeitskreises Asyl bei der Calwer Stadtverwaltung eingestellt.

Gleiche Probleme

Mohammed Al Fashtaki, Malek Abo Qassim und Jandar Basem sind ebenfalls zum Neubulacher Sportplatz gekommen, auf dem die vom ehemaligen, aus Gündringen stammenden Bundesliga-Profi Eberhard Carl trainierte Flüchtlingsmannschaft des Landkreises Calw gerade ein Fußballspiel bestreitet. Die drei Syrer kamen mit der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland, sprachen anfangs kein Wort Deutsch, waren auf die Hilfe der Freundes- und Arbeitskreise Asyl angewiesen. Vier Jahre später sind sie selbst ehrenamtliche Helfer und dabei vor allem als Dolmetscher im Einsatz. "Die Leute, die nach Deutschland kommen, haben hier erst mal viele Probleme. Und genau diese Probleme hatten wir ja auch", sagt Jandar Basem. Mohammed Al Fashtaki ergänzt: "Wir haben die Erfahrung."

Als Dolmetscher beschränkt sich die Arbeit der drei Syrer daher nicht nur auf das reine Ausfüllen von Formularen. Oft hören sie auch einfach nur zu, wenn ihre Landsleute mit ihnen ihre Sorgen teilen. Besonders der Familiennachzug sei ein großes Problem. Der laufe viel zu schleppend und sorge für viel Frust – denn ohne die eigenen Frauen und Kinder, die noch in der alten Heimat warten, falle das Ankommen in Deutschland schwer.

Gute Zusammenarbeit

Als Behörden-Schelte wird das Ehrenamtsfest in Neubulach aber nicht genutzt – im Gegenteil. Stricker sagt: "Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und dem Jobcenter läuft sehr gut." Anwesend sind daher nicht nur die ehrenamtlichen Helfer, sondern auch die elf hauptberuflichen Integrationsmanager des Landratsamtes. Ex-Bundesliga-Profi Eberhard Carl ist einer von ihnen, eine andere ist Stefanie Breton. Auch für sie stehen die Themen Ausbildung, Wohnung und Gesundheit inzwischen im Mittelpunkt ihrer Arbeit. "Wir arbeiten nach dem Motto: Hilfe zur Selbsthilfe. Wichtig ist, dass die Leute auf eigenen Füßen stehen", beschreibt Breton, die aber genau wie die ehrenamtlichen Helfer eingestehen muss: "Auch wir kämpfen mit den Formularen. Das ist manchmal eine Sisyphusarbeit."

Gesellschaftliche Bewegung

Dankende Worte findet der Erste Landesbeamte Frank Wiehe in Neubulach sowohl für die Ehrenamtlichen als auch die Hauptamtlichen. "2015 und 2016 war nur zu schultern wegen wahnsinnig engagierter Mitarbeiter und vor allem wegen dem großen Engagement der Bevölkerung", meint Wiehe und unterstreicht: "Es ist eine gesellschaftliche Bewegung entstanden, auf die wir stolz sein können. Es geht darum, dass wir vernünftig miteinander umgehen und uns keinen Stereotypen hingeben." Auch sein eigenes Landratsamt lobt der Erste Landesbeamte: "Die Mitarbeiter machen sehr viel mehr, als sie laut ihrer Stellenbeschreibung müssten."

Neubulachs Bürgermeisterin Petra Schupp schließt sich diesen Worten an: "Bei der Integration brauchen wir einen langen Atem. Die Helfer haben viel Herzblut, Engagement und auch eigenes Geld eingesetzt, damit wir eine Einheit werden. Danke für den Einsatz für die gute Sache."

Volle Motivation

Worte, die die Freundes- und Arbeitskreise Asyl im Landkreis Calw freuen. Denn da es stiller um sie geworden ist, sind sie auch kleiner geworden. Der Calwer Arbeitskreis Asyl hatte 2015 noch 50 bis 60 Mitglieder. Heute ist er auf die Hälfte zusammengeschrumpft. "Aber wir sind immer noch eine starke Gruppe", versichert Stricker, der immer noch mit voller Motivation dabei ist. Denn: "Es geht um den sozialen Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt."