Podiumsdiskussion mit Reiner Stoll (von links) und Andreas Kubesch, Sabine Holmgeirsson vom NABU, Moderator Björn Ahsbahs, Andreas Blaurock sowie Karl-Friedrich Günther, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Calw. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder Bote

Podiumsdiskussion: Volksbegehren Artenschutz erhitzt die Gemüter / Neubulacher Bürgersaal brechend voll

Die große Zahl an Interessierten sprengte nahezu das Fassungsvermögen des Bürgersaals im Rathaus Neubulach. Grund war eine Podiumsdiskussion zum Volksbegehren Artenschutz "Rettet die Bienen", veranstaltet durch "Neubulach Naturnah".

Neubulach. Rund 70 Gäste hatten sich im Bürgersaal eingefunden. Die Platzkapazität war bereits kurz vor Veranstaltungsbeginn erschöpft und so verteilten sich die Gäste auf Tischen sitzend oder stehend, um der rund zweistündigen Veranstaltung mit kurzen einleitenden Worten und anschließender Podiumsdiskussion zu folgen. Die Redezeit der Gäste im Saal war dabei recht knapp bemessen.

Zunächst erläuterte die NABU-Fachbeauftragte für Wildbienen und Pflanzenschutz, Sabine Holmgeirsson, das von den beiden Berufsimkern David Gerstmeier und Tobias Miltenberger initiierte Volksbegehren Artenschutz "Rettet die Bienen". Hierzu wurde vom Landeskabinett im Oktober ein Eckpunktepapier verabschiedet. Allerdings ruht das Volksbegehren bis 14. Dezember. Bis dahin können jedoch noch weitere Unterschriften gesammelt werden. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft steht dabei im Fokus. Er soll in der Landwirtschaft zurückgehen, auch zum Schutz der Streuobstwiesen. Mit dem Volksbegehren, so Holmgeirsson, habe man zur Zielerreichung einen Maßnahmenkatalog angestoßen, das Eckpunktepapier sei weitreichender als das Volksbegehren.

Riesiger Strukturwandel wird ausgelöst

Karl-Friedrich Günther, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Calw ist sich sicher, dass ein Gesetzesentwurf einen riesigen Strukturwandel auslösen wird. Viele Landwirte werden aufhören, da sie in die Defensive gedrängt werden. Der Bauernverband, so Günther, versuche zwar abzumildern, aber ein Paket für die Landwirte zu schnüren, sei sehr schwierig. Er präsentierte die zehn Forderungen, die seitens der Bauern an den Landtag herangetragen werden. Beispielsweise der flächendeckende Erhalt der Landwirtschaft mit Förderung der Artenvielfalt und Strategien zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln, aber auch die Einrichtung eines Kulturlandschaftsrates.

Podiumsteilnehmer Andreas Kubesch, Stadtrat Neubulach, fand es erstaunlich, dass ein solcher Zehn-Punkte Kata-log vorgelegt wurde. "So weit waren wir bei diesem Thema noch nie", lautete sein Kommentar zu den Forderungen, die schon erledigt sind. Der Neubulacher Stadtrat Andreas Blaurock wird das Volksbegehren indes nicht unterschreiben und bemängelte gleichzeitig, dass in den vergangenen 30 Jahren die Entwicklung komplett "verpennt" wurde. Vielen Menschen sei die Komplexität des Themas gar nicht bekannt.

Glyphosat-Einsatz alle drei Jahre wäre machbar

Reiner Stoll, ebenfalls Neubulacher Ratsmitglied, sieht einen rund 30-prozentigen Artenrückgang im Wald – dieser werde immer dunkler. Alt- und Totholzkonzepte sollen zu einer ungestörten Entwicklung beitragen. Karl-Friedrich Günther erläuterte die Flächenförderung in der Landwirtschaft, die kleine Betriebe bevorzuge, da die ersten 40 Hektar höher gefördert werden. Das Land verliere landwirtschaftliche Betriebe, so Kubesch.

Aus seiner Sicht wäre ein Glyphosat-Einsatz alle drei Jahre in Ordnung, während die jährliche Düngung ein Problem darstelle. Aus dem Publikum kam der Einwand, dass alle auf dem Podium keine Ahnung hätten. Günther sah die Landwirte als die Getriebenen, mit der Wahl zwischen "Pest und Cholera". Falls die fehlenden Stimmen noch erreicht werden, ist das Volksbegehren die schärfere Variante, sagte Günther und "es gibt nichts mehr zu verhandeln, da die Eckpunkte bereits feststehen".

Holmgeirsson sagte dazu, dass das Papier nicht nach unten korrigiert, aber verhandelt werden kann. Günther beschwerte sich darüber, dass die Umweltverbände und die Ministerien miteinander reden, aber die Bauernverbände bei diesen Gesprächen nicht involviert sind. Blaurock wünscht sich Konzepte zum Erhalt der Kulturlandschaft, ähnlich der sogenannten "Käsestraße" im österreichischen Vorarlberg.

Anwesende Bauern zeigen sich enttäuscht

Kubesch plädierte für eine schrittweise Marktentwicklung in Richtung Bio, beispielsweise mit 30 Prozent Bioprodukten in Schulmensen. Aus den Reihen der Gäste meldete sich Karl-Heinz Schwämmle vom Eierhof in Neubulach zu Wort und kreidete dem Podium an, dass die Diskussionen ohne die Landwirte geführt würde.

Er sprach Halbwahrheiten an und klagte, dass "alles auf dem Rücken der Bauern ausgetragen werde". Flächenversiegelungen und geringere Erträge durch Biolandwirtschaft kamen ebenso zur Sprache wie der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe, die zwar wachsen, aber ständig weniger werden. Die anwesenden Bauern zeigten sich enttäuscht über das Volksbegehren, das einer Ideologie grüner Politiker entspräche. Ein Nebenerwerbsbauer wünschte sich gemeinsame Überlegungen, um zu entscheiden, was getan werden könne. Viele Faktoren seien am Bienensterben verantwortlich und auch er sah die Landwirte, da schwächstes Glied in der Kette, als die Getriebenen, nach dem Motto "wachsen oder weichen".

Zum Schluss thematisierte ein Gast noch die neue Funktechnologie 5G, wonach erst die Bienen, dann die Menschen sterben würden, so seine Aussage. Moderiert wurde die Veranstaltung durch Björn Ahsbahs, ebenfalls Neubulacher Stadtrat. Veranstalter Siegfried Beck bedankte sich für die intensive Diskussion. "Es wurde ein angestrebter Dialog aufgenommen", sagte Beck und stellte klar, dass "es nur gemeinsam vorangehen" könne.