Die Gemeinschaftsschule Neubulach ist der Pionier im Kreis Calw – hier der Chemieunterricht einer 9.Klasse. Foto: Schwarzwälder-Bote

Ausbildung: Gemeinschaftsschulen sehen sich Vorurteilen ausgesetzt / "Erleben, wie gut es funktioniert"

Eine Schule mit Kuschelecken und Räumen, in denen jeder machen kann, was er will? Mitnichten. Gegen diese Polemik wehren sich nun die Verantwortlichen der Gemeinschaftsschulen (GMS) im Kreis Calw.

 

Kreis Calw/Neubulach. "Die Schullandschaft wird durch die Erweiterung mit Gemeinschaftsschulen nicht übersichtlicher, aber wir stellen fest, dass viele Eltern noch nicht wissen, welche Inhalte sie hat und wie ihr System funktioniert", fasst Neubulachs Bürgermeisterin Petra Schupp den Hintergrund eines gemeinsamen Pressegesprächs zusammen.

Gleichzeitig zeigt sie sich erfreut darüber, dass mit der Zellerschule in Nagold zum neuen Schuljahr die vierte GMS im Landkreis an den Start geht. "Damit breitet sich das Angebot flächendeckender aus und steht den Schülern wohnortnah zur Verfügung", sagt Schupp und verweist auf die bereits bestehenden Pendants in Althengstett und Ebhausen, während die Neubulacher Einrichtung seit fünf Jahren Pionierleistungen auf diesem Sektor erbringt. Vertreter aller dieser Schulen hatten zum gemeinsamen Pressegespräch eingeladen.

Lehrer wissen um Stärken und Schwächen der Schüler

"Wir erleben in der Praxis, wie gut es funktioniert und halten es für wichtig, sowohl Gemeinsamkeiten mit anderen Schularten, als auch die zentralen Unterschiede darzustellen", unterstreicht Neubulachs GMS-Leiter Dominik Bernhart.

Wie in den klassischen Haupt- und Realschulen oder dem Gymnasium sei auch die Schülerschaft der GMS heterogen. Statt der Noten arbeiten die Pädagogen in der neuen Schulart aber mit Lernentwicklungsberichten. "Sie vermitteln den Eindruck, dass die einzelne Person noch gesehen wird, und die Lehrer um die Stärken und Schwächen unserer Kinder wissen", würdigt der Elternbeiratsvorsitzende Achim Bott diese Methode.

"Dadurch kann man genau erkennen, wo noch Probleme bestehen und sie gezielt angehen, während eine Note das Zusammenspiel aller Themen darstellt", sehen Ronja und Helen aus der achten Klasse die Berichte auch für sich als Vorteil an. Sie können je nach persönlicher Neigung in der GMS in einzelnen Fächern auf verschiedenen Niveaus – nämlich von der Hauptschule bis zum Gymnasium – arbeiten.

Zwar sind die Noten auf Antrag natürlich erhältlich, ausgewiesen werden sie aber erst in Richtung Prüfung. "Derzeit läuft der erste Prüfungsdurchgang für den Hauptschulabschluss bei uns und die Ergebnisse sind gut", freut sich Bernhart.

"Es ist wichtig, dass die Schüler keinen Frust erfahren. Und wir haben Lehrer, die sich dafür Zeit nehmen, weshalb wir uns auch für die Stellenbesetzungen Zeit nehmen", betont Hartmut Weber, Rektor der GMS in Althengstett, der unter anderem von Coaching-Gesprächen zwischen den Pädagogen und einzelnen Schülern berichtet, um schrittweise die nächsten Ziele zu erreichen – "eben leistungsorientiert" und so entgegen jeder Polemik.

"Das ist das eigentlich Revolutionäre daran, dass Lehrer die eigene Praxis hinterfragen und weiterentwickeln", sagt Nagolds Finanzbürgermeister Hagen Breitling, der der selbstständigen Zielsetzung der Schüler in der GMS einen gewissen Charme attestiert.

Allen Schülern im ländlichen Raum eine Chance bieten

Es habe viel mit Haltung und Förderung zu tun und den Schülern etwas zuzutrauen, so das Fazit der Rektoren. "Gegenüber den herkömmlichen Schulen, in denen Fachwissen gefragt ist, fördert die Gemeinschaftsschule Nachweise des selbstständigen Arbeitens und lenkt die Aufmerksamkeit auf die ganzheitliche Wahrnehmung der einzelnen Schüler", argumentiert Matthias Fröhlich, Schulleiter der GMS in Ebhausen.

Für die Zellerschule in Nagold ist die Einrichtung der GMS ein konsequenter Schritt. "Für uns ist es eine Frage dessen, wie man mit den individuellen Voraussetzungen der Schüler umgeht, denn Ganztagsbetrieb und Mensa sind bei uns bereits Standard", fasst deren Rektor Ulrich Schubert zusammen.

"Ein breites und attraktives Bildungsangebot ist von großer Bedeutung und auch eine Verpflichtung der kommunalpolitisch Verantwortlichen, mit den notwendigen Räumen und Ausstattung im ländlichen Raum allen Schülern Chancen zu bieten", bekräftigt Volker Schuler, Bürgermeister von Ebhausen.

Alle Gemeinschaftsschulen werben dafür, sich in den jeweiligen Einrichtungen selber ein Bild des Systems zu machen und im Rahmen der Tage der offenen Türen Begegnungen mit Lehrern und Schülern zu suchen.