Liz Clara Gonzalez und Jonas Valentin Peuker mögen Nagold, bleiben werden sie aber wohl nicht Foto: Schölzel

Unter Nagolds gut 22 600 Einwohnern befinden sich derzeit zwei junge Erwachsene, die als "Bufdis" im YOUZ arbeiten. Wie wirkt Nagold auf Außenstehende und was braucht es dringend? Die zwei Ortsfremden erzählen.

Nagold - Wohnhaft in der WG im dritten Obergeschoss des YOUZ leben sie nun für ein Jahr in Nagold: Jonas Valentin Peuker, 19 Jahre alt aus Dresden und Liz Clara Gonzalez aus Bayern und ursprünglich Barcelona, 22 Jahre. Hergekommen sind sie, um ihren Bundesfreiwilligendienst in sozialer Arbeit zu absolvieren. Um zehn Uhr morgens kümmern sie sich jeden Tag um das Jugendhaus, damit da alles ordentlich ist, zwischen zwölf und 15 Uhr findet man sie dann bei der Ganztagesbetreuung an der Zellerschule in Nagold. "Wenn ich dann abends Feierabend hab, feile ich weiter an meinem Deutsch", lacht Gonzales. Bei Peuker sieht es da schon entspannter aus: "Im Sommer hatte ich mehr Lust abends noch was zu machen, aber jetzt im Winter eher weniger." Zusammen in ihrer WG schauen sie gerne Filme, puzzeln oder kochen gemeinsam. "Aber manchmal, da chillen wir auch einfach nur in unserem Zimmer", erzählt Gonzales. "Ja, damit wir uns nicht auf den Keks gehen, wir sehen uns ja so schon jeden Tag beim Arbeiten", stimmt der 19-Jährige zu.

YOUZ wirkte sehr einladend

Auf Nagold und das YOUZ sind sie auf der Suche nach einer "Bufdi"-Stelle gestoßen. Wie Emel Napolitano, die Integrationsmanagerin des YOUZ erklärt, gebe es einen Pool von Stellen für ein soziales Jahr, da sei das YOUZ zertifiziert eingetragen. "Mir war klar, dass ich ein Gap-Year machen wollte", erklärt der Dresdener. "Die Anzeige hier war einfach sehr einladend im Gegensatz zu anderen, strikt katholischen, bei denen man – überspitzt formuliert – nur dazu da ist, um die Kirche zu putzen". Auch Gonzalez hat die Stellenanzeige auf den ersten Blick gut gefallen. "Es ist einfach mal was anderes. Ich hab den Ort hier gesehen und dachte mir: cool, anscheinend schneit es hier nicht schon im November, da muss ich hin", lacht die Spanierin.

Vor ihrem Umzug hat Gonzalez bereits in einem kleinen – wie sie selbst sagt – "Dorf" gewohnt, deshalb sei sie von der gemütlichen Innenstadt in Nagold nicht überrascht gewesen. Für Peuker, der in einer Großstadt aufwuchs, war das schon eher eine Umstellung. "Wobei ich sagen muss, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt", gibt Peuker zu. "Nagold ist gar nicht so dorfmäßig wie man vielleicht denkt. Die Kernstadt ist super belebt, modern und aufbereitet". Im Gegensatz zu Dresden konnte er aber sofort einen Unterschied feststellen: "Jeder kennt jeden hier und ist mit jedem in Kontakt, das zu beobachten und nachzuverfolgen ist einfach super lustig."

Die beiden lieben Kleb und Burg

An Nagold lieben die beiden vor allem den Stadtpark Kleb. Gonzalez zeigt sich auch beeindruckt von der Burgruine Hohennagold. "Außerdem kann man im Sommer hier wirklich toll Fahrrad fahren", finden die beiden. Und den hiesigen Dialekt lieben sie. "Das Schwäbisch ist schon herrlich", findet Peuker. Gonzales stimmt dem zu, wobei sie sich manchmal sehr stark konzentrieren müsse, um etwas zu verstehen.

An der eingeschränkten Verkehrsanbindung in größere Städte wie Stuttgart oder Tübingen finden die beiden "Bufdis" jedoch nicht wirklich Gefallen. So müsse man ewig Umwege über Bus und Bahn nehmen, um doch mal etwas Großstadtluft zu schnuppern. Andererseits sagt Peuker auch: "Eigentlich muss ich gar nicht raus. Ich hab ja hier alles."

Das einzige was ihm wirklich fehlt in der Innenstadt, seien alternative Läden wie Second-Hand-Stores oder Bio-Geschäfte. Es gebe zwar einen tollen Wochenmarkt in Nagold, aber "Nagold fehlt ein Einzelhandel mit Geschäften, die es nicht in jeder anderen Innenstadt gibt."

Keine Kontakte zu Gleichaltrigen

Das größere Problem als fehlenden Shopping-Möglichkeiten sind für die zwei "Bufdis" eher die fehlenden Kontakt-Möglichkeiten und Anschluss zu Gleichaltrigen. Ihnen fehle die Vernetzung in der Heimat zu Freunden und Familie, und beide finden speziell für ihre Altersgruppe einfach kein passendes Angebot, um neue Kontakte zu knüpfen. Eine Altersspanne, die nicht mal im YOUZ besonders stark vertreten sei. "Ich hatte Lust auf eine Gruppe hier für Akrobatik", erzählt Gonzalez. "Aber alles was ich gefunden hab, war eine nur für Kinder."

Peuker machte die gleichen Erfahrungen: "Ich wollte mich nach einem Chor umschauen. Aber es gibt entweder einen Kinderchor oder einen für die viel ältere Generation. Dazwischen klafft einfach ein Loch." Ihrer Meinung nach, müssten die Angebote für junge Erwachsene viel mehr gefördert werden. Napolitano sieht das ebenso: "In Nagold gibt es auch viel zu wenig WGs. Wo sollen Azubis, Studenten oder Kurzzeitpraktikanten hier wohnen?", fragt sie sich.

In Großstadt mehr Anschluss – trotz Corona

Corona erschwere das Ganze natürlich noch. "Ich würde mir wünschen, mehr in die Gemeinde eingebunden zu sein", sagt Peuker. Gonzalez nickt. "Da sind wir im Moment einfach abgeschottet."Peuker ist sich sicher, das Problem bestehe in einer Großstadt nicht so ausgeprägt – trotz Pandemie. "Da findet man immer irgendwo ein Fleckchen mit Leuten, die dir gleichgesinnt sind, egal unter welchen Voraussetzungen."

Nach ihrem Bundesfreiwilligendienst in Nagold zu bleiben, können sich beide trotz schöner Innenstadt, dem Kleb und der für sie bereichernden Arbeit im YOUZ aber weniger vorstellen. Beide wollen studieren und wie Peuker "noch etwas von der Welt sehen." Die Arbeit im YOUZ hätte ihren Studiums-Wunsch jedoch definitiv beeinflusst. Beide würden gerne etwas in die Richtung Pädagogik oder Psychologie an einer Uni belegen. Peuker kann sich auch vorstellen, zurück nach Dresden zu gehen. Und Gonzalez? Sie will fürs Studium endgültig weg von kleinen Gemeinden um letztendlich, nach ihrer Zeit in Nagold, mal richtige Großstadtluft zu schnuppern.