Der Narrensprung ist für Lisa (Mina-Giselle Rüffer) nicht der einzige Grusel. Foto: ZDF / Jan Hromadko / Bavaria Fiction

Pünktlich zu Halloween zeigt ZDFneo schaurige Geister und den realen Horror der Konversionstherapie. Der heimliche Star der Serie ist der Schwarzwald – ohne Bollenhut, aber dafür mit Teufelsmaske.

Im Schwarzwald gibt es noch echtes Landleben, wahre Familienliebe und unschuldige Flirts im Kuhstall. Jedenfalls in der Vorstellung des deutschen Fernsehens. Egal ob in der „Schwarzwaldklinik“ oder im „Schwarzwaldhof“ – es gibt ganz viel „Schwarzwaldliebe“.

 

Die ZDFneo-Miniserie „Was wir fürchten“ kommt hingegen ohne Bollenhut und Milchmelk-Romantik aus. Regisseur Daniel Rübesam setzt auf eine andere Seite des Schwarzwalds. Statt sonniger Almen wird der dunkle Wald zur Kulisse. Nur in wenigen Serien und Filmen erfährt die Düsternis des deutschen Südwestens solche Anerkennung. Dabei machen das dichte Unterholz, die Provinzialität samt Schützenverein und Schwulenhass sowie der Grusel des Narrensprungs den Schwarzwald in der Serie zu einer perfekten Kulisse für Horror.

Grusel im Schwarzwald

Lisa (Mina-Giselle Rüffer) und ihre Mutter Franka (Marie Leuenberger) ziehen von Stuttgart in das fiktive Örtchen Großstetten im Schwarzwald. An ihrer neuen Schule fand ein Jahr zuvor ein Amoklauf statt, der den Ort noch immer im Griff hält. Bei der Gedenkfeier nimmt sich ein Polizist, der damals im Einsatz war, das Leben. Franka beginnt als neue Polizeichefin zu ermitteln. Lisa wird derweil von unheimlichen Erscheinungen heimgesucht, die Welt der Toten nimmt Kontakt zu ihr auf. Beide stoßen auf neue Spuren. Simon (Paul Ahrens) erlebt einen anderen Horror. Als sein Vater Karl (Peter Jordan), der örtliche Pfarrer, herausfindet, dass sein Sohn homosexuell ist, zwingt er ihn zu einer Konversionstherapie, die ihn „heilen“ soll.

Wie gut die Mischung aus Horror und Coming-of-Age funktionieren kann, beweisen Klassiker wie die Stephen-King-Verfilmung „Carrie“, „Buffy“ oder der Serien-Hit „Wednesday“. Auch „Was wir fürchten“ gelingt es, das Grauen einzufangen, das zwischen Schulsport und Oberstufenparty lauert. Die Serie bietet echte Schockmomente, die jedoch stets angekündigt werden. Sie ist daher für echte Horrorfans geeignet, aber auch für all jene, die wie Mr. Bean Gruselfilme nur aushalten können, wenn sie sich eine Popcorntüte über den Kopf stülpen.

Krude Therapie

In den Szenen um Simon bedarf es jedoch keiner Untoten, um einem die Haare zu Berge stehen zu lassen. Die pseudowissenschaftliche Konversionstherapie hat zum Ziel, die „Krankheit“ Homosexualität zu „heilen“. Feinfühlig gibt die Serie Einblick in die Auswirkungen der Therapie, die in Deutschland erst im Jahre 2020 an Minderjährigen verboten wurde. In einem Haus mitten im Schwarzwald sollen Simon und seine Leidensgenossen bei Schießübungen und Bootcamps zu „echten“ – das heißt heterosexuellen – Kerlen gemacht werden. Und wenn das nicht hilft, gibt es ja immer noch Elektroschocks.

Der Blick auf Homophobie und die Aufarbeitung eines Verbrechens durch die Linse des Horrors überzeugt. Das Klischee der Visionen aus dem Totenreich („Ich kann es nicht genau beschreiben, aber ich seh‘ Dinge, schreckliche Dinge“) wird so mit neuem Leben gefüllt. Die dichte Crime-Story tragen besonders die beiden talentierten Nachwuchs-Schauspieler mühelos über sechs Folgen. Im Finale wartet eine überraschende Wendung. Dass ein Großteil der Dreharbeiten gar nicht im Schwarzwald stattfand, sondern in Prag und Umgebung, ist vielleicht gut – der echte Schwarzwald wäre womöglich zu unheimlich gewesen.

Was wir fürchten: Die Serie ist in der ZDF-Mediathek verfügbar.