Tom Sturridge hat sich für die Titelrolle in „The Sandman“ gegen viele Mitbewerber durchgesetzt. Foto: Netflix/PR

Auf der Comic Con in San Diego wurde die Vorfreude noch mal kräftig angeheizt: Am 5. August startet Netflix die Serie „The Sandman“. Comicautor Neil Gaiman hat dafür einen guten Tipp.

So radikal ist eine Redewendung selten umgekrempelt worden. „Achtung, da kommt das Sandmännchen“ hieß mal: Jemand hat etwas so Langweiliges abgeliefert, dass man über dem Buch, dem Film, dem Song garantiert einschlafen wird. Als der US-Verlag DC im Januar 1989 den ersten Band von Neil Gaimans Comic „The Sandman“ vorlegte, bekam die Ankündigung des Sandmanns aber prompt eine ganz andere Bedeutung. Wenn wieder ein Monat rum war, wenn die nächste Ausgabe von „The Sandman“ in den Verkauf kam, dann konnte man sicher sein: das Heft würde einen munter machen, vielleicht gar elektrisieren, aufrütteln, einen auf ganz neue Denk- und Lesepfade führen.

Die im März 1996 nach 75 Heften abgeschlossene Saga um den Herrn der Träume war das brillanteste Produkt einer gewagten Offensive. Damals wollten einige Comicmacher beweisen, dass man am US-Markt auch mit anderem als ganz traditionellen Superhelden-Comics erfolgreich sein konnte. Interessanterweise waren viele dieser Systemsprenger gar keine Amerikaner, sondern wie Gaiman auch – Briten.

Witz und Hochmut

Wache Film- und Fernsehmacher interessierten sich damals vom Fleck weg für den Sandmann, für den coolen Gott Morpheus, für eine Dark-Wave-Figur voller Witz, Hochmut, Tragik und Geheimnisse. Im Traumreich dieses Sandmanns war alles lebendig, was sich Menschen je ausgedacht hatten. Und es schlüpfte immer mal wieder aus dem Traumreich zurück in die Menschenwelt und wurde dort unangenehm. Doch wie Jahrzehnte zuvor bei J. R. R. Tolkiens Romankoloss „Der Herr der Ringe“ kamen viele Medienmacher zum Schluss: In einem kalkulierbaren Kostenrahmen war das nicht überzeugend hinzubekommen.

Am 5. August aber ist es nun soweit. Der Streamingdienst Netflix wird seine aufwendig produzierte Serie „The Sandman“ präsentieren – und damit unter anderem die ebenfalls mit Spannung erwartete Amazon-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ kontern, die etwas später startet: am 2. September.

Neil Gaiman war mit an Bord

Beide Serien haben gemeinsam, dass die Fans der Vorlagen zwischen Vorfreude und Besorgnis hin und her gerissen sind: Wird das ein Freudenfest oder ein Abschlachten der ursprünglichen Qualitäten? Auf der San Diego Comic Con wurden am vergangenen Wochenende beide Serien vorgestellt, und für die Qualität von „The Sandman“ gab es da einen ziemlich prominenten Zeugen: Neil Gaiman selbst. Der war als Produzent mit an Bord und gab beispielsweise Hauptdarsteller Tom Sturridge seinen Segen. Man habe zwar nach Sturridge noch eine Menge anderer Kandidaten getestet. Aber: „Am Ende der Prozedur hatten wir eintausend Vorsprechen hinter uns – und Tom war immer noch der Richtige.“

Eine für viele Comicleser gewiss wichtige Info gab es auch: Auf keinen Fall die Abspänne wegknipsen lassen, was Netflix in der Werkseinstellung ja nach fünf Sekunden selbstständig tut. Viel Aufsehen brachten dem „Sandman“-Comic nämlich vor über 30 Jahren die Cover von Ausnahmekünstler Dave McKean. Der stieg nach einer Weile aus, was gar nichts Besonderes war: „The Sandman“ wechselte regelmäßig die Zeichner und bot eine Vielfalt visueller Stile. Aber nun konnten Gaiman und Netflix McKean zurücklocken. Der 1963 geborene Brite hat die Abspänne der „Sandman“-Folgen gestaltet. Und schon das sollte die Vorfreude noch mal erhöhen. Mittelprächtig kann man sich „The Sandman“ eigentlich kaum vorstellen, nur als Großereignis der Streamingwelt oder als Flop des Jahrzehnts.