Die Neckardole verläuft zwischen der Alten Herdstraße und der Roßbergstraße, wo sie in das Rückhaltebecken mündet. Quelle: Unbekannt

Der Neckar wurde 1960 auf einer Gesamtlänge von 3,5 Kilometern verdolt und wird bis heute auf 1,4 Kilometer als Abwasserkanal genutzt. Die sogenannte Neckardole ist allerdings dringend sanierungsbedürftig. Und das wird wohl richtig teuer.

VS-Schwenningen - Bereits im Mai 2021 wurde die Situation dem Technischen Ausschuss erläutert und der Gemeinderat beschloss die Planung der notwendigen Sanierung. Die Stadtverwaltung bezifferte die Maßnahme damals mit vorläufig vier bis fünf Millionen Euro – ohne zu wissen, ob das tatsächlich reichen wird. In der Sitzung des Technischen Ausschusses am Dienstagabend wurde nun schnell klar: Es reicht nicht. Im Gegenteil, denn eine aktuelle Kostenberechnung, angelehnt an das Preisgefüge mittelständischer Unternehmen mit ausreichender Erfahrung bei einer Betoninstandsetzung von geschlossenen Bauwerken im Betrieb, ergab ein Bruttoinvestitionsvolumen von rund 8,5 Millionen Euro.

Was im ersten Moment nach einer Kostenexplosion und einer absoluten Fehleinschätzung aussieht, muss allerdings relativiert werden. Denn in der Berechnung von Februar 2021 waren einige Nebenkosten, welche die Maßnahme mit sich bringen wird, überhaupt nicht berücksichtigt. So wird bereits aus der Sitzungsvorlage deutlich, dass die Stadtverwaltung durchaus mit Mehrkosten gerechnet hat. So heißt es: "Die Kosteneinschätzung vom 22.02.2021 beinhaltete lediglich die Kosten für die reinen Betoninstandsetzungsarbeiten in der Neckardole. Jedoch wurde bereits damals auf weitere Kosten für Wasserhaltung, Sicherheitsmaßnahmen, Aufteilung der Betoninstandsetzung in Bauabschnitte sowie Vergrößerung der Einstiegsschächte hingewiesen."

Zahlreiche Arbeiten in neuer Kostenberechnung enthalten

In der nun vorliegenden Kostenberechnung sind folgende Arbeiten berücksichtigt: Oberbodenarbeiten, Erdarbeiten, Entwässerungskanalarbeiten, Mischwasserüberleitung, Beleuchtung und Belüftung EX-geschützt, Verstärkung der Innenwände (Betonabbruch, Bewehrungsarbeiten und Betonierarbeiten), Erneuerung des Handlaufes, Ausbreitung der Einstiegsschächte, Entsorgung PCB-haltiges Fugenmaterial, Aufstellung von Sicherungsposten, Nebenkosten, Fremdüberwachung und Qualitätssicherung. Außerdem weist die Verwaltung darauf hin, dass sich derzeit deutliche Kostenerhöhungen aufgrund von Auslastung, Herstellungskosten und Rohstoffknappheit abzeichnen. Die Kostenberechnung enthalte deshalb im Zusammenhang mit zu erwartenden Preissteigerungen einen Risikozuschlag von sechs Prozent.

Alfredo Vargas und Rolf König von der beauftragten Firma Weber Ingenieure stellten dem Gremium den Ablauf der Betoninstandsetzung vor. Die Vorgehensweise umfasse eine Untergrundvorbereitung mittels Hochdruckwasserstrahlen, anschließend werden bis zu 15 Millimeter abgetragen, die korrodierten Bewehrungsstähle werden freigelegt, gestrahlt und mit einem Korrosionsschutz versehen. Betonausbruchstellen werden verstärkt, Fugenabdichtungen erneuert. Wichtig sei für diese Maßnahme, dass möglichst wenig Niederschlag während der Arbeiten fällt.

Das sagen die Gremiumsmitglieder

Dietmar Wildi (CDU) ließ sich von der Kostenberechnung noch nicht überzeugen. Er bilanzierte nach dem Vortrag lediglich: "Da die Kalkulation und die Maßnahme auf vier Jahre angelegt ist, werden wir wohl schauen müssen, was letztlich an Kosten herum kommt." Ulrike Salat (Grüne) wurde ebenfalls deutlich: "Die 8,5 Millionen Euro werden nicht das Ende der Fahnenstange sein, da mache ich mir nichts mehr vor." Gleichzeitig hinterfragte Salat die gesamte Maßnahme und wollte wissen, ob die geplante Maßnahme tatsächlich Stand der heutigen Technik sei? Oder anders gefragt: "Müssen wir die Neckardole sanieren oder gibt es eine andere Lösung?"

Rolf König erläuterte zur Technik: "Wenn eine Brücke 60 Jahre alt ist, muss diese auch saniert werden. Gleiches gilt für den Kanal. Der hat jetzt 60 Jahre funktioniert und wird dieses in Zukunft am besten wieder tun, wenn man ihn wieder so herstellt, wie er war." Die Materialien, die verwendet werden sollen, seien Stand der heutigen Technik und funktionieren, erklärt König.

Kosten beschäftigen die Stadträte

Andreas Flöß von den Freien Wählern brachte die Hauptursache auf den Punkt: "Unsere heutigen Probleme hängen an einer unterlassenen Instandsetzung der letzten 20 Jahre." Nichtsdestotrotz haben die Freien Wähler aber die Sorge über die Verlässlichkeit der Kostenberechnung. "Wir möchten und können einem Projektbeschluss heute nicht zustimmen, weil wir nicht wissen wie die Sicherheiten abgedeckt sind." Er schlug vor, erst einen kleinen Teil zu sanieren, um die Kosten pro Laufmeter zu berechnen.

Rolf König versuchte Flöß diese Verunsicherung zu nehmen. "Wir machen das nicht zum ersten Mal und die Kostenberechnung ist nicht irgendwie aufgestellt. Wir werden damit hinkommen." Natürlich sei durch die Bauzeit von vier Jahren ein Risikofaktor vorhanden, allerdings werde man sich nach jedem Bauabschnitt zusammensetzen und die Kosten vorstellen.

Alternativen scheint es nicht zu geben

Edgar Schurr (SPD) wollte wissen, ob der Einbau eines Parallelkanals ein Thema gewesen ist und ob das statt einer Sanierung möglich wäre. Auch Olaf Barth (AfD) fehlte der Alternativvorschlag in der Sitzungsvorlage. "Selbst wenn eine Alternative teurer wäre, dann wäre sie immerhin berücksichtigt." So fragte auch Frank Bonath (FDP), ob "ein Kanal im Kanal" keine Option sei. Doch diese Hoffnung musste ihm Rolf König gleich wieder nehmen: "Die Statik müsste dennoch erhalten werden, also der Beton trotzdem saniert werden." Der Bau eines Kanals im Kanal würde somit deutlich teurer werden.

Und auch Thomas Fricke von der Abteilung Wasserwirtschaft im Grünflächen- und Tiefbauamt machte deutlich, dass es keine Alternative zur Sanierung gibt. Und ergänzte: "Mit jedem Monat, in dem wir hier nichts machen, geht Abwasser in den Untergrund." König verschärfte die Aussage sogar noch: "Wir begehen eigentlich eine Umweltstraftat, weil wir wissen, dass da Abwasser abgeht. Wir sollten da dringend anfangen", appellierte er an das Gremium und drängte auf ein Bewilligung der Maßnahme.

Letztlich blieb auch dem Gremium keine Alternative, denn die Gefahr, die vom Zustand der Neckardole ausgeht, erfordert ein Handeln. Deshalb empfiehlt das Gremium mit zwölf Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und drei Enthaltungen dem Gemeinderat, kommende Woche die Maßnahme zu beschließen.