Aus unserem Plus-Archiv: Noch nie wurden Impfstoffe so schnell entwickelt wie jene gegen das Coronavirus Sars-CoV-2. Viele Menschen sorgen sich daher um späte Nebenwirkungen. Sind die Vakzine wirklich nicht ausreichend getestet worden? Und wie hoch ist das Risiko, dass die Impfung Langzeitfolgen hat?
Berlin - Die schnelle Impfstoffentwicklung verunsichert manche Menschen. Ihre Befürchtung, die Corona-Impfstoffe seien nicht ausreichend getestet, trifft aber nicht zu. Die rasche Entwicklung und Zulassung der Impfstoffe ist einem beschleunigten Zulassungsverfahren zu verdanken, dem Rolling-Review-Verfahren. Beschleunigt bedeutet dabei nicht, dass die Testphasen verkürzt wurden, sondern dass mehrere Prüfphasen zeitgleich durchgeführt wurden.
Wie bei jeder Impfung reagiert das Immunsystem innerhalb einiger Stunden nach dem Pieks: Manche Menschen reagieren stark auf die Impfung und klagen über Beschwerden wie Schmerzen an der Einstichstelle und im Weiteren über Erschöpfung, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, Fieber und Durchfall. Andere verspüren keine Nebenwirkungen. „Die Erfahrungen mit vielen Impfstoffen über viele Jahre haben gezeigt, dass die meisten Nebenwirkungen kurz nach der Impfung auftreten, innerhalb von Stunden und Tagen, manchmal auch Wochen“, bestätigt auch die Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Susanne Stöcker.
Langzeiterfahrungen fehlen, Langzeitnebenwirkungen sind generell unbekannt
Aber könnte es nicht vielleicht noch nach Jahren zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen? Langzeiterfahrungen mit den Impfstoffen fehlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Das PEI bezieht jedoch eine eindeutige Position: Langzeitnebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt.
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Aber was war vor ein paar Jahren in Skandinavien und Irland infolge der Pandemrix-Impfung gegen die Schweinegrippeviren? In etwa 1300 Fällen trat Monate und Jahre danach die Autoimmunerkrankung Narkolepsie auf, bei der es tagsüber zu wiederholten Schlafattacken kommt. Tatsächlich war dies aber keine Spätfolge, sondern eine seltene, lang anhaltende Nebenwirkung. Sie wurde erst spät entdeckt, obgleich erste Symptome schon wenige Tage und Wochen nach der Impfung auftraten.
Vor der Zulassung des Pandemrix-Impfstoffs wurden auch nur etwa 1600 Menschen damit geimpft. Mit dieser kleinen Zahl an Impflingen ist aber eine seltene Nebenwirkung vorab in der Prüfungsphase nicht zu entdecken. „Dafür braucht es mehrere 100 000 Menschen oder sogar Millionen geimpfter Menschen“, so Stöcker.
Seltene Nebenwirkung beim Impfstoff von Astrazeneca
Ein Beispiel für eine sehr seltene Nebenwirkung des Impfstoffes Vaxzevria von Astrazeneca ist das sogenannte TTS-Syndrom, bei dem wenige Wochen nach der Impfung Blutgerinnungsstörungen und niedrige Blutplättchenspiegel beobachtet wurden. „Aktuell liegt die Häufigkeit, mit der dieses Syndrom beobachtet wird, in Deutschland bei 1:100 000, das heißt, einer von 100 000 erkrankt daran. Das ist in einer klinischen Prüfung unmöglich nachzuweisen“, sagt die PEI-Pressesprecherin.
„Bei den Covid-19-Impfungen gibt es dieses Problem nicht mehr, denn es laufen ja weltweit große Impfkampagnen, und es wurden schon viele Millionen Menschen geimpft.“ Und bereits für die Zulassungsstudie des Biontech-Impfstoffes zum Beispiel erhielten 22 000 Menschen die Impfung.
Bislang wurde auch kein statistisch erhöhtes Risiko für allergische Reaktionen festgestellt. Und eine angebliche Glockengesichtslähmung, die zuerst der Biontech-Impfung zugeschrieben wurde, hatte nichts mit der Impfung zu tun. Wer Bedenken hat, weil dabei erstmals mRNA für den Impfstoff verwendet wird, kann beruhigt sein. Sie stellt nur die Bauanleitung für ein bestimmtes Virusmolekül dar, um das Immunsystem auf diesen Eindringling scharf zu machen. Sie verändert aber nicht das Erbgut der Zelle und ist nach etwas mehr als zwei Tagen komplett abgebaut.