Der Nagolder Albert Häußler litt an Schizophrenie und fühlte sich verfolgt. Er verbrachte den Großteil seines Lebens in Anstalten. Sein Verfolgungswahn bewahrheitete sich auf grausame Weise, als die Nazis ihn als „lebensunwert“ in Grafeneck ermordeten. Ihm wird nun mit einem Stolperstein gedacht. Dies ist seine Geschichte.
Nagold hat seine ersten fünf Stolpersteine bekommen. Vor der Neuen Straße 22 in Nagold wird Albert Häußler gedacht, der dort lebte. Er wurde Opfer der „Aktion T4“, von den Nazis beschönigt als „Euthanasie“ bezeichnet. Dabei wurden Kranke, Menschen mit Behinderung und Homosexuelle als „lebensunwert“ eingestuft und ermordet.
Albert Häußler kam als jüngster von 16 Kindern des Nagolder Metzgermeisters Friedrich Häußler (*1829) und seiner Frau Katharina Häußler, geb. Lutz (*1834) am 13. März 1878 in Nagold zur Welt.
1892 wurde er in Nagold konfirmiert und wurde Friseur. Im Alter von 20 Jahren ging er auf Wanderschaft und hielt sich 1898 in Paris, Biehl und Basel auf. Erstmals äußerte er aus Paris in einem Brief, dass er verfolgt werde. Im Mai 1900 kam er wieder zurück nach Nagold und arbeitete für kurze Zeit an mehreren Stellen.
36 Jahre in Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten
Im September 1900 lief er von zu Hause weg, wurde zwischen Nagold und Tübingen aufgegriffen und in die psychiatrische Universitätsklinik Tübingen eingeliefert. Als er elf Monate später Tübingen verließ, wurde er in die Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten gebracht und mit einer schizophrenen Erkrankung diagnostiziert: „einfache Seelenstörung (Hebephrenie mit voraussichtlich ungünstiger Prognose).“
In Zwiefalten verbrachte Häußler die nächsten 36 Jahre. In den 1930er Jahren erhielt er von Angehörigen zu Weihnachten Pakete zugeschickt, worauf sich die Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten bei seinen Angehörigen bedankte. In einem hieß es: „Ihr Bruder hat sich über Ihre Sendung sehr gefreut. Körperlich befindet er sich sehr wohl, sieht vortrefflich aus und lässt sich nichts abgehen. Sein geistiger Zustand ist im Allgemeinen unverändert geblieben.“
Und weiter: „Zahlreiche Wahnvorstellungen der merkwürdigsten Art beherrschen ihn und lassen ihn oft die sonderbarsten Behauptungen aufstellen. Unter dem Einfluss von Verfolgungsideen und Gefühlstäuschungen gerät er oft in gereizte Stimmung und beginnt heftigst zu schimpfen und laut hinauszuschreien, wodurch er namentlich nachts mitunter erhebliche Störung verursacht. Mit großem Eifer besorgt er Reinigungsarbeiten, ist dabei sehr pünktlich und durchaus zuverlässig.“
Am 16. September 1937 wurde er in die Landesfürsorgeanstalt Markgröningen verlegt. Im Januar 1940 lief die „Aktion T 4“, die Ermordung von Patienten der Heil- und Pflegeanstalten an. Als der erste Transport von Markgröningen losging, ahnte der Leiter der Anstalt, Heinrich Scholder, was mit seinen Patienten geschehen würde. Der aus Iselshausen stammende Scholder, hatte die Anstalt schon 15 Jahre lang geleitet.
Als die erste Todesnachricht von der Schwester einer deportierten Frau eintraf, die bei der Deportation kerngesund war, war ihm klar, was vor sich ging. Anfang September 1940 traf der zweite Transporterlass aus dem Württembergischen Innenministerium in Markgröningen ein. 56 Kranke standen auf der Deportationsliste. Der Landesfürsorgebehörde gelang es, die Zahl der zu verlegenden von 56 auf 31 zu reduzieren.
„Unter den Männern der offenen Abteilung befinden sich fast durchweg alte invalidierte Leute, die zu schweren Arbeiten nicht verwendet werden können.“ Unter diesen 31 Männern befand sich Albert Häußler. Er wurde am 9. September 1940 im zweiten Transport von Markgröningen nach Grafeneck gebracht und dort ermordet.
Todesursache wurde verschleiert
Die Mitteilung des speziell für die Mordaktion eingerichteten Grafenecker Standesamtes verschleierte die Todesursache und den Tag des Todes von Albert Häußler an das Staatliche Gesundheitsamt Nagold: „Wir teilen Ihnen mit, dass der Obengenannte an Schizophrenie litt und hier am 17. September 1940 infolge einer Wundinfektion mit nachfolgender Blutvergiftung verstorben ist.“ Albert Häußler wurde 62 Jahre alt.