Diese Tankstelle in Stuttgart-Heslach nutzen Autofahrer häufig als Abkürzung Foto: Petsch

Autofahrer in Heslach kürzen den Weg durch eine Tanke ab - zum Ärger des Betreibers und vieler Kunden.

Stuttgart - Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – so scheint es zumindest bei der Shell-Tankstelle beim Südheimer Platz zu funktionieren. Viele Autofahrer, die von der B 14 aus Richtung Viereichenhau-Tunnel kommen, wollen sich ein paar hundert Meter Fahrt auf öffentlicher Straße sparen – und missbrauchen deshalb das Gelände der Spritstation als Abkürzung zur Böblinger Straße und umgekehrt. Der reguläre Weg führt über den Abzweig der Böblinger von der Burgstallstraße am Vogelrain in den Stadtteil Heslach. „Die Autos rasen teils so schnell vorbei, dass tankende Mütter Angst um ihre Kinder haben“, sagt Tankstellenchef Omar Abdallah.

Obwohl auf dem Privatgelände nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist, brausen viele der Abkürzenden mit bis zu 40 Kilometern pro Stunde an den Zapfsäulen vorbei. Rund 150 Fahrzeuge kürzen täglich über die Tankstelle ab, wobei die Fahrer nachts besonders aufs Gaspedal treten.

Ernsthafte Gefahr droht, wenn Autofahrer aus Heslach kommend von der Böblinger Straße aus zur Tankstelle einschwenken und anschließend nach links abbiegen – verbotenerweise über eine durchgezogene weiße Linie. Unfälle habe es bisher keine gegeben, kritische Situationen dafür umso mehr, berichtet Abdallah. Das Stuttgarter Ordnungsamt räumt ein, dass die Durchfahrt verlockend sei, um Staus vor dem Tunnel halbwegs zu umgehen. Wer erwischt wird, muss laut Straßenverkehrsordnung jedoch mit 20 Euro Strafe rechnen. Je nach Gefährdung addieren sich dazu noch einmal bis zu 15 Euro.

Inzwischen bleiben Kunden der Tankstelle fern

Die Beschwerden der Kunden häufen sich, mindestens vier am Tag muss sich Omar Abdallah anhören. Inzwischen blieben Kunden der Tankstelle fern, da sie sich durch die Raserei gefährdet fühlten.

Offenbar brettern nicht nur ortsansässige Autofahrer illegal an den Zapfsäulen vorbei. „Wenn der Tunnel gesperrt ist, schlängeln sich viele Autos über unser Gelände“, berichtet Abdallah. Vermutlich angeleitet durch Navigationsgeräte in ihren Fahrzeugen. Offenbar Geräte der Hersteller Tomtom und Navgear zeigen das private Tankstellengelände als öffentliche Durchgangsstraße an. Zumindest bei einem Hersteller ist der Fehler bekannt: „Ich habe bei Tomtom angerufen und das Problem gemeldet“, sagt Michael Schmieder, der das Abkürzen schon seit langem beobachtet. Zwar habe man zugesagt, den Fehler zu beheben, doch bis jetzt sei nichts geschehen. „Mehr als melden kann man es ja nicht.“ Schmieder, so sagt er, hat auf die illegale Abkürzung inzwischen mehrfach hingewiesen.

Bernd Eichenauer, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde innerhalb der Stadtverwaltung, glaubt die Hintergründe zu kennen: „Bis eine Meldung umgesetzt wird, können bis zu 19 Monate ins Land gehen.“ Denn die Hersteller von Navigationsgeräten bezögen ihr Kartenmaterial von großen Kartenherstellern, die Aktualisierungen in bestimmten Zeitabständen vornähmen.

Das Ordnungsamt muss tatenlos zusehen

Im Ordnungsamt weiß man um die Situation in Heslach: „Man beobachtet das Abkürzen immer wieder“, sagt Bernd Eichenauer. Dennoch sei seine Dienststelle weitgehend zur Untätigkeit verdammt. Was auf dem Areal der Shell-Tankstelle vor sich gehe, sei, da es sich um Privatgelände handle, durch das Privatrecht geregelt. „Solange der Betreiber das Durchfahren duldet, kann man nichts tun“, sagt Eichenauer. Eingreifen könne er nur bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, wie etwa beim Überfahren der durchgezogenen Linie oder beim Missachten des Abbiegegebots. Das Abkürzen selbst sei nicht ordnungswidrig.

Bisher sprachen die Angestellten der Tankstelle die Raser aktiv auf ihre Unsitte an. „Ich stand auch schon draußen, aber die Fahrer sagten nur ,Ja, ja‘ und fuhren das nächste Mal wieder über unser Gelände“, berichtet Omar Abdallah. Aus Furcht, auch jene als Kunden zu verlieren, konnte er sich bisher nicht zu mehr durchringen. Derart in der Zwickmühle setze Abdallah lieber auf Fingerspitzengefühl. Auf den Mineralölkonzern Shell konnte er bisher noch nicht wirklich zählen. Er sei sich nicht sicher , ob das Unternehmen etwas gegen den Missstand unternehmen werde. Murat Altuntas, Geschäftsführer der Firma, die die Tankstelle betreibt, ist es bisher lieber, wenn die Autos ungehindert an den Tanksäulen vorbeifahren können. „Ich finde das nicht schlimm“, sagt er. Durch Tolerieren ließen sich womöglich Kunden gewinnen, glaubt er. Schriftliche Beschwerden habe es bisher keine gegeben.

Gegen eine Beschilderung von Frühjahr an hat er freilich nichts einzuwenden. Vier neue Verbotstafeln sollen Autofahren demnächst vom Abkürzen abhalten. Die Hinweise „Durchfahrt verboten“ und „Privatgelände“ sind dabei ganz im Sinn des Ordnungsamts. „Ich wäre gleich dabei“, sagt Bernd Eichenauer. Die Kosten fürs Aufstellen muss der Tankstellenbetreiber trotz amtlichen Segens allerdings selber tragen.