Die Welt der Zahlen soll sich auch dem vermeintlich schwächeren Geschlecht erschließen. Foto: dpa

Mangelndes Selbstbewusstsein bei Mädchen führt zu schlechteren Leistungen in Mathe.

Stuttgar - Damit Schülerinnen in Mathematik bessere Ergebnisse erzielen, muss der Schulunterricht anders gestaltet werden, sagt Mathematiklehrerin Elisabeth Frank. Die Studiendirektorin aus Stuttgart fordert einen stärkeren Bezug zum Alltag und weniger Frontalunterricht.

Mathematik ist eines der Fächer, in dem Abiturienten die schlechtesten Ergebnisse erzielen. Besonders Mädchen kämpfen damit. Schon in der Grundschule gehen die Matheleistungen von Jungen und Mädchen auseinander. Am Ende der zehnten Klassen haben männliche Schüler einen erheblichen Vorsprung gegenüber ihren Klassenkameradinnen. Zu diesem Ergebnis kommt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Für die Studie wurden Ergebnisse der Pisa-Studie 2003 ausgewertet. Dass es in Deutschland noch Aufholbedarf gibt, wird im internationalen Vergleich deutlich. "Nur in einem knappen Fünftel der Länder gibt es Geschlechterunterschiede in den Naturwissenschaften", betont die Stuttgarter Mathematiklehrerin Elisabeth Frank in einem Beitrag für das "Physic Journal".

Grund für den Leistungsunterschied seien nicht unterschiedliche Begabungen, sagt sie, sondern kulturelle und soziale Einflüsse. Bis heute ist das Vorurteil weit verbreitet, dass Jungs Naturwissenschaftler und Techniker sind, Mädchen sich hingegen für Literatur und Sprachen interessieren. Das führt laut ZEW so weit, dass Mädchen von ihrer eigenen mathematischen Leistungsfähigkeit wenig überzeugt sind. Außerdem zweifeln die Schülerinnen oft daran, dass sie von den mathematischen Kenntnissen aus der Schule im Berufsleben profitieren können. Das schlage sich in den Schulnoten nieder.

Wie viel Mädchen sich in Mathe zutrauen, hänge vom Bildungsstatus der Eltern ab, sagt die Stuttgarter Mathematikerin. Töchter aus Akademikerhaushalten halten oft mit ihren männlichen Klassenkameraden mit. Das ZEW vermutet, das es in höher gebildeten Familien weniger Vorurteile hinsichtlich der mathematischen Begabung gibt. Damit Mädchen langfristig in Mathe bessere Ergebnisse erzielen, sei eine Förderung von Anfang an nötig, betont Elisabeth Frank. "Schon im Kindergarten und in der Grundschule muss die Begeisterungs- und Lernfähigkeit von Kindern für den naturwissenschaftlich-technischen Bereich ausgeschöpft werden", findet Studiendirektorin Frank. Besonders seien die Lehrer gefordert. "Immer noch stellen sich die Lehrkräfte zu wenig den Ergebnissen der Geschlechterforschung", kritisiert Frank. Der Unterricht müsse mehr auf die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Jungen und Mädchen ausgerichtet sein.

Wenn der Mathematikunterricht stärker im Zusammenhang mit dem Alltag steht, könnten Mädchen mit dem Schulfach mehr anfangen. Auch die Art des Unterrichts müsse mädchenfreundlicher sein: Mehr Partner- und Gruppenarbeit stärken das vermeintlich schwächere Geschlecht, so Frank. In ihrem eigenen Unterricht stellt sie berühmte Mathematikerinnen und Naturwissenschaftlerinnen vor. So wird den Schülerinnen vor Augen geführt, dass auch Frauen in diesem Berufsfeld erfolgreich sein können. Eine einfache Idee, um Mädchen im Matheunterricht zu stärken, wäre, mehr Lehrerinnen einzusetzen. Tatsächlich habe das Geschlecht der Lehrer aber keinen Einfluss auf die Leistungen der Schülerinnen, so die Ergebnisse der ZEW.

Bereits heute fehlen in Baden-Württemberg mehr als 13.000 Ingenieure

Abgesehen von schlechten Schulnoten an sich haben mangelnde Matheleistungen von Mädchen eine weitreichende Folge. Wer schon in der Schule mit einem Fach zu kämpfen hat, wird später kaum einen Beruf in dem Feld ergreifen. Die negative Einstellung gegenüber der Mathematik setzt sich so oft von der Grundschule bis zur Studienwahl fort.

Bisher arbeiten nach Angabe des Wirtschaftsministeriums in Stuttgart nur vier Prozent der erwerbstätigen Frauen im Südwesten in einem sogenannten Mint-Beruf. Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Immerhin 26 Prozent der Studentinnen studieren ein solches Fach. "Wir wollen erreichen, dass mehr Frauen ein Mint-Fach studieren und mehr Absolventinnen in einen Mint-Beruf wechseln", sagt Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU). Bereits heute fehlen in Baden-Württemberg mehr als 13.000 Ingenieurinnen und Ingenieure. Die demografische Entwicklung werde den Fachkräftemangel noch erheblich verschärfen. "Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den Anteil und die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den Mint-Berufen zu erhöhen", sagt Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP).

Die Mathematiklehrerin Elisabeth Frank fordert, dass Elternhaus und Schule die Mädchen im mathematischen Bereich besser unterstützen müssten. Nur so werde verhindert, dass Mädchen sich durch ein veraltetes Rollenbild in der Berufswahl einengen lassen. "Mädchen können sich nur in einem Klima entfalten, in dem sie sicher sein können, dass ihre Fähigkeiten geschätzt und erwünscht sind", sagt Frank.