Die Flutkatastrophe im Juli 2021 verursachte Schäden von insgesamt rund 40 Milliarden Euro. Foto: dpa/Marius Becker

Die Debatte über eine Pflichtversicherung nimmt Fahrt auf – mit erheblicher Relevanz für alle Bürger. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Die Bundesländer machen sich für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden stark. Der Bund ist noch skeptisch. Das ist derzeit eine der heißesten Debatten im politischen Berlin – mit erheblicher Relevanz für alle Bürger. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist das Problem? Viele Menschen in hochwassergefährdeten Regionen sind nicht gegen Naturkatastrophen wie Flutschäden versichert. Durch die erheblichen Schäden, die ihren Häusern und Gebäuden drohen, können sie in den Ruin getrieben werden oder sie sind im Schadenfall abhängig von staatlichen Ad-hoc-Hilfen. Das Problem wird aufgrund des Klimawandels nicht mehr verschwinden. Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) erwartet je nach Modell, dass sich die Schäden durch Hochwasser bis 2100 verdoppeln oder sogar verdreifachen werden. Allein die Kosten der Ahrtal-Flut belaufen sich auf rund 40 Milliarden Euro.

Wie hoch ist die Abdeckung durch Versicherungen? Sie ist in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich. Während in Baden-Württemberg 94 Prozent aller Wohngebäude gegen elementare Naturgefahren versichert sind, beträgt die Quote in NRW nur 56 Prozent, in Sachsen 51 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern nur 33 Prozent. Insgesamt sind in Deutschland nur 52 Prozent der Gebäude derart versichert.

Wo liegen die am meisten gefährdeten Gebiete? Hier gibt es ein klares Süd-Nord-Gefälle. In Bayern liegen nach Angaben des GDV 65 517 Adressen in hochwassergefährdeten Gebieten, in Schleswig-Holstein nur 1481. Baden-Württemberg (54 593) und Sachsen (34 671) sind hier ebenfalls weit oben in der Tabelle.

Warum sind die Zahlen so niedrig? Elementarschäden durch Naturkatastrophen sind in der Regel nicht Teil der allgemeinen Wohngebäudeversicherung. In den Hochrisiko-Gebieten würde eine Versicherung mit hohen Prämien und Eigenanteilen verbunden sein. Manche Versicherer machen aufgrund der notwendigen hohen Prämien – auch aus Imagegründen – gar keine Angebote. Andererseits sind manche Eigentümer in Gefahrenzonen auch einfach zu sorglos oder verlassen sich im Falle des Falles auf staatliche Hilfen.

Wie verläuft die politische Debatte? Die Kampflinie verläuft zwischen dem Bundesrat einerseits und der Bundesregierung andererseits. Die Länder haben sich einstimmig für eine solidarische Pflichtversicherung ausgesprochen, die bundesweit gelten soll. „Der mit der Einführung einer Pflichtversicherung verknüpfte Solidargedanke erfordert eine zeitgleiche, flächendeckende und einheitliche Vorgehensweise“, heißt es in einem Beschluss von März. Die Bundesregierung ist bislang zögerlich.

Am deutlichsten hat sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) zu Wort gemeldet. Er führt an, dass die Prüfung und Umsetzung einer solchen Pflichtversicherung für 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland viel zu aufwendig wäre und erhebliche Bürokratie schaffen würde. Außerdem würde das Wohnen damit überall teurer, denn Vermieter könnten die Kosten an die Mieter weiterreichen. Die SPD-Bundestagsfraktion könnte sich mit einer Solidarversicherung anfreunden. Die Union hat im Bundestag einen Antrag eingebracht, der vorsieht, „dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit einer Elementarschadenabsicherung angeboten wird, die nach Belehrung über die Konsequenzen abgewählt werden kann“.

Welche Modelle sind grundsätzlich denkbar? Die prinzipielle Frage lautet Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht. Es geht also darum, wer die Versicherung anbietet. Den meisten Bundesländern schwebt eine Versicherung vor, bei der die Eigentümer verpflichtet werden, einen Versicherungsvertrag mit einem öffentlich-rechtlichen Träger abzuschließen, der als Monopolversicherer auftritt. Der Vorteil: Das Prämienniveau könnte niedriger als bei eine privaten Lösung liegen, da der Anbieter keine Werbekosten hat und keine Gewinne ausschüttet. Der Nachteil: hoher Verwaltungsaufwand, viel Bürokratie.

 Bei der Versicherungspflicht müssen die Eigentümer eine Elementarschadenversicherung abschließen und können dabei zwischen zwischen verschiedenen privaten Anbietern wählen. Vorteil: Mehr Wahlfreiheit, mehr individuelle Ausgestaltungen etwa abhängig von Präventionsmaßnahmen und Bereitschaft zu mehr Eigenleistungen. Nachteil: Hier wäre noch viel zu klären. So müsste der Versicherungspflicht auch ein Kontrahierungszwang der Versicherer gegenüberstehen – d. h. entsprechende Versicherungen anzubieten und abzuschließen. Und die Frage steht im Raum, ob die privaten Versicherer nicht eine Art staatlich garantierten Rückversicherungsfonds bräuchten, um bei hohen Schäden auch solvent zu sein.

Wie geht es weiter? Im Juni wollen die Bundesländer mit Bundeskanzler Scholz über das Thema reden. Das Mindestziel der Länder ist es, die Versicherer auf das Angebot einer Elementarschadenversicherung zu verpflichten. Womöglich erhält dadurch der Vorstoß der Union neue Aktualität.