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Nach erbittertem Streit einigten sich die 28 Nato-Staats- und Regierungschefs darauf, dass Rasmussen am 1. August das Amt des Niederländers Jaap de Hoop Scheffer übernehmen wird.

Baden-Baden - Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen wird neuer Nato-Generalsekretär. Nach erbittertem Streit einigten sich die 28 Nato-Staats- und Regierungschefs darauf, dass Rasmussen am 1. August das Amt des Niederländers Jaap de Hoop Scheffer übernehmen wird.

"Das ist ein ganz besonderer Moment", sagte de Hoop Scheffer. Er freue sich sehr und sei vollkommen überzeugt, dass Rasmussen der richtige Mann sei, um den Wandel der NATO zu begleiten. Nach einigen Diskussionen herrsche in der Chefrunde jetzt völlige Einigkeit, sagte de Hoop Scheffer.

Nach Angaben des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan erhielt die Türkei dafür Garantien von US-Präsident Barack Obama. Diplomaten berichteten, dass Obama die treibende Kraft war, um Rasmussen doch noch durchzusetzen.

Zuvor hatte sich Erdogan vehement gegen den Dänen gesperrt. Ankara kritisierte die Rolle Rasmussens im Streit um Karikaturen des Propheten Mohammed und die Ausstrahlung eines kurdischen Fernsehsenders in Dänemark.

Am Rande des zweitägigen Gipfeltreffens in Straßburg, Baden-Baden und Kehl lieferten sich Demonstranten auf französischer Seite Straßenschlachten mit der Polizei. In einem Hotel brach ein Feuer aus. Es war unklar, wie viele Menschen im Gebäude waren. Ob Menschen verletzt wurden, war zunächst nicht bekannt. Die Europabrücke über den Rhein wurde gesperrt. Die Polizei stellte in Straßburg bei militanten Nato-Gegnern Schusswaffen sicher. Die scharfen Waffen seien bei Randalierern entdeckt worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa aus französischen Sicherheitskreisen.

Rasmussen sprach von einem "historischen Tag, nicht nur, weil erstmals ein Däne den Posten des Nato-Generalsekretärs einnimmt". Es sei auch ein historischer Tag, weil die Nato, "die erfolgreichste Friedensbewegung, die die Welt je gesehen hat, heute ihr 60. Jubiläum feiert". "Ich werde alles tun, was ich kann, um des Vertrauens gerecht zu werden, das meine Kollegen mir gezeigt haben."

Besonders Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich massiv für Rasmussen eingesetzt. "Zum Schluss hat doch die Kraft gesiegt, Einigkeit zu zeigen, weil die Welt vor so vielen Problemen steht, dass kein Mensch Verständnis hätte, wenn wir es nicht geschafft hätten, uns auf eine Personalie zu einigen", sagte die Kanzlerin. "Ich fahre sehr zufrieden nach Hause."

An dem Streit drohte der Jubiläums-Gipfel fast zu scheitern. Um die Blockade zu lösen, führte Obama zum Schluss ein Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül und Rasmussen, wie Diplomaten sagten. Der US-Präsident sollte zum Abschluss seines gut einwöchigen Aufenthalts in Europa am Samstagnachmittag zum EU-USA-Gipfel nach Prag weiterreisen.

Zunächst war unklar, welche Zusagen genau Ankara erhalten hatte. Die Türkei wolle, dass der kurdische Sender Roj TV geschlossen werde, sagte Erdogan. Rasmussen sagte zu, dass geprüft werde, ob der Sender in terroristische Aktivitäten verwickelt sei.

Edogan forderte zudem, dass die gestörten Beziehungen zu den islamischen Staaten verbessert werden. Türkische Sender berichteten zudem, ein Türke soll einer der beigeordneten Stellvertreter Rasmussens werden. Zuvor hatte die Türkei auch kritisiert, dass Rasmussen im Streit um die Veröffentlichung von Karikaturen in einer dänischen Zeitung nicht eingegriffen hatte. In Deutschland sorgte die vorangegangene Blockadehaltung Ankaras für eine Diskussion über die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei.

Die Ernennung des neuen Generalsekretärs für das Nordatlantische Verteidigungsbündnis beendete die zweitägigen Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen der Nato. Gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy war Merkel Gastgeberin des Gipfels, der am Samstagnachmittag zu Ende ging. In Kehl gingen etwa 4000 Menschen aus Protest friedlich gegen den Militärpakt auf die Straße.

Nach schweren Ausschreitungen auf französischer Seite sperrte die Polizei die Europabrücke über den Rhein, wo die zentrale Großdemonstration starten sollte. Überwiegend schwarz gekleidete Demonstranten warfen dort Steine und Flaschen und feuerten Leuchtraketen ab. Ein altes Zollhaus und ein Informationsbüro brannten lichterloh. Beide waren unbewohnt.

Die Chefrunde einigte sich auch auf eine neue Strategie zu Afghanistan. Das bedeute unter anderem verstärkte Anstrengungen für die Ausbildung von Polizisten und Heeres-Angehörigen, sagte de Hoop Scheffer. "Zu Afghanistan hat der Gipfel seine Aufgabe erledigt", sagte der scheidende Generalsekretär. Merkel zeigte sich froh, dass die US-Regierung sich zur "vernetzten Sicherheit" - also von den Arbeiten am Wiederaufbau des Landes und der militärischen Sicherheit - in Afghanistan bekenne. "Dieses Konzept wird jetzt hundertprozentig mit der neuen Afghanistan-Strategie der USA umgesetzt."

Außerdem wird ein neues "strategisches Konzept" der Nato auf den Weg gebracht. "Wir denken, dass das sehr notwendig ist", sagte de Hoop Scheffer. Die Theorie müsse mit der Praxis in Einklang gebracht werden, vom Kampf gegen die Piraterie über Cyberkrieg bis zu Afghanistan. Das neue "strategische Konzept" solle beim nächsten Nato-Gipfel beschlossen werden. Das "strategische Konzept" definiert die grundsätzlichen Aufgaben, Ziele und Perspektiven des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses. Das letzte wurde 1999 in Washington verabschiedet.