Das neue Nationalparkzentrum auf dem Ruhestein im Schwarzwald wird am Freitag übergeben. Foto: Braun

Neubau am Ruhestein ist fertig. Regulärer Betrieb erst 2021. 100.000 Gäste pro Jahr.

Baiersbronn/Seebach - Der Bau des neuen Nationalparkzentrums und des Verwaltungsgebäudes auf dem Ruhestein hat eine Summe von etwa 35,5 Millionen Euro gekostet. Er soll in Zukunft rund 100.000 Besucher im Jahr in die Region bringen. Nun wird das Gebäude an den Nationalpark Schwarzwald übergeben. Die Leiterin der Besucherzentren im Nationalpark, Ursula Pütz, schildert erste Eindrücke vom neuen Verwaltungsgebäude und der Dauerausstellung.

Noch ist die alte Villa Klumpp, die mit ihren knarrenden Treppen und ihrem rustikalen Ambiente einen altertümlichen, aber heimeligen Charme versprüht, Sitz der Verwaltung. "Ende November wird der große Umzug beginnen, und wir sind alle schon sehr aufgeregt", sagt Ursula Pütz.

Natürlich hätte man die Übergabe gerne groß und mit viel Öffentlichkeit gefeiert, doch wegen der Corona-Pandemie gehe der Wechsel vom Bauherrn, dem Land Baden-Württemberg, zum neuen Verwalter, dem Nationalpark Schwarzwald, still und leise vor sich.

"Wir haben ein Stufenkonzept erarbeitet, das zunächst den Umzug vorsieht und dann ab Dezember bis Ende Februar 2021 eine Art Testbetrieb", erklärt sie. In diesem Testbetrieb können Gruppen und ausgewählte Einzelpersonen aus den Nationalparkgemeinden, die sich dafür bewerben können, die neue Dauerausstellung und das Gebäude besichtigen. Ziel sei es, zu sehen, ob der Ablauf passe und was noch verbessert werden kann. Hinzu komme die Einhaltung der Corona-Abstands- und Hygieneregeln. "Jeder Besucher der Testgruppen wird auch nach möglichen Verbesserungen befragt, sodass wir nach der Testphase ein gut funktionierendes Konzept an der Hand haben."

Geplant sei Anfang März der Start des regulären Betriebs, allerdings nur mit maximal 400 Besuchern am Tag und nicht mit 800, die ohne die Corona-Einschränkungen täglich kommen könnten. Insgesamt rechne man mit 100.000 Besuchern pro Jahr, die in einer modernen und zeitgemäßen Ausstellung vieles über Wald, Tiere und Natur erfahren können.

"Es ist toll geworden; schon wenn man in das Foyer eintritt, hat man den Eindruck, mitten im Wald zu stehen, denn die riesigen Glasfronten lassen direkt in die Tannenspitzen blicken", beschreibt Pütz den Bau. Die Dauerausstellung ist mit dem neuesten Stand der Technik ausgestattet, Lichtstimmungen vermitteln verschiedene Tages- und Nachtzeiten, nachgebildete Landschaften immer neue Eindrücke. "Der Protagonist, der Wald selbst, spricht zu den Besuchern und erzählt vieles über sich und die Artenvielfalt, die er beherbergt", beschreibt es Ursula Pütz.

Neben Dauerausstellung gibt es einen Skywalk

Bei den ausgestellten präparierten Tieren seien richtige Künstler am Werk gewesen. Wissen werde multimedial vermittelt. An vielen Stellen gebe es auch die Möglichkeit, Dinge anzufassen und aktiv zu erleben. "So werden zum Beispiel Buchseiten durch Animation auf einmal lebendig, und die gezeigten Landschaften ändern ihre Ansicht." Es werde für Jung und Alt viel zu entdecken geben, neben den Waldstimmungen und den -ereignissen werde auch ein Eintauchen in den Mikrokosmos vermittelt.

Neben der Dauerausstellung gibt es einen Skywalk, auf dem die Besucher sozusagen in den Wald laufen können. Ein Kino mit 80 Sitzplätzen und zahlreiche Nebenräume für Veranstaltungen sind ebenfalls entstanden. Ab März wird auch das Café mit rund 70 Sitzplätzen öffnen, das an einen Betreiber verpachtet wurde; und ein Shop mit Infostand wird ebenfalls zum Angebot des neuen Nationalparkzentrums gehören.

"In den Wald eintauchen" – das nennt Ausstellungsmacher Friedo Meger als Obertitel für den Gestaltungsentwurf, mit dem das Hamburger Team von "Kunstraum" im März 2015 einen Wettbewerb mit bundesweit 30 Teilnehmern für sich entscheiden konnte. Dahinter verbirgt sich die Idee, anhand des mehrere Jahrhunderte währenden Lebenszyklus’ einer Tanne den Besuchern den Lebensraum Wald näherzubringen.

Klassischer Uwald statt "Plantage"

Meger, geschäftsführender Gesellschafter der Kunstraum GfK mbH mit Sitz in Hamburg, hat sich tief in das Thema einarbeitet und spricht häufig von der "Lebensgemeinschaft Wald". Den bewirtschafteten Wald herkömmlicher Art nennt er "Plantagen". Ziel des Nationalparks sei es dagegen, das Schutzgebiet zwischen Plättig, Ruhestein und Alexanderschanze "in die Form eines klassischen Urwalds zurückzuversetzen". In der Ausstellung soll es auch um Eigentümlichkeiten und Kuriositäten gehen. Etwa das Phänomen, dass nicht nur Tiere miteinander kommunizieren, sondern auch Pflanzen – durch Geruchsstoffe, Botenstoffe, sogenannte Terpene. "Der Wald ist sehr viel mehr als das, was man oberflächlich sieht", sagt Meger.

In den drei jeweils bis zu 60  Meter langen Bau-Riegeln des Besucherzentrums, die von der architektonischen Anordnung und Konstruktion wie zufällig übereinander geworfene Baumstämme wirken, sollen auf 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche die jeweiligen Lebenszyklen erklärt werden.

Das Leben einer Tanne werde präsentiert in einer bildlichen Mischung aus real gedrehten Filmszenen und am Computer entstandenen Animationen, erklärt Meger. Der schätzungsweise bis zu 200 oder mehr Jahre alt werdende Baum ist in dem Film-Plot 45 Meter lang. Von dem etwa 1,5 Meter im Durchmesser messenden abgebrochenen Stammfuß, der als reales Objekt in die Ausstellung eingefügt wurde, bis hinauf zur Krone.

"Die Geschichte, die wir erzählen, ist die einer Tanne, die so ungefähr um das Jahr 1450 gekeimt ist", berichtet Meger. Während der größte der Ausstellungsbereiche – im Bauriegel A – von der toten Tanne und dem daraus resultierenden Leben dominiert wird, beschäftigt sich ein zweiter Bereich mit den "Störungen", die einen Wald verändern. Etwa die verschiedenen Jahreszeiten oder heftige, orkanartige Stürme wie Orkan Lothar Ende Dezember 1999. Dieser Teil befindet sich im Bauriegel B.

Die drei Bauriegel sind jeweils leicht geneigt

Was Veränderungen und "Störungen" angeht, sagt Meger, könne man schon jetzt viele Details in der realen Natur beobachten. "Dadurch dass der Wilde See schon seit über 100 Jahren als Bannwald nicht bewirtschaftet wird, findet man dort Arten und Urwaldrelikte, die man im normalen Wirtschaftswald nicht findet." Im Bauriegel C geht es unter die Erde, allerdings nicht baulich. Thema sind die Lebewesen unter der Erde und die besagten Lebensgemeinschaften zwischen Bäumen und Pilzen.

Die Ausstellungsmacher, die für ihr 2015 prämiertes Vorhaben mit dem Höchstbetrag durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert werden, waren auch mit Tücken der eigenwilligen Architektur des Besucherzentrums konfrontiert.

Die drei Bauriegel sind jeweils leicht geneigt. "Das war eine Herausforderung, eine Ausstellung in Räumen, die nicht komplett barrierefrei sind", sagt Meger. An der Konzeption – an der mit Ideen auch das Nationalparkteam mitwirkte – hatten sich seit 2015 kleinere Details geändert. "Die Ausstellung soll Lust machen rauszugehen, einzutauchen in den Wald", meint Meger.

Derweil scheint es um die Gegner des Nationalparks relativ still geworden zu sein. Wolfgang Tzschupke, Forstwissenschaftler und Freudenstädter Stadtrat, war und ist einer der entschiedensten Gegner des Nationalparks Schwarzwald. Die Nationalparkgegner hätten akzeptiert, dass es bei den gegebenen politischen Bedingungen keinen Sinn macht, weiter auf die Straße zu gehen, sagt Tzschupke, der weiterhin die Auffassung vertritt, dass es für einen solchen Nationalpark keine überzeugenden wissenschaftliche Gründe gab und gibt. Morgen bei der Schlüsselübergabe wird man dagegen andere Überzeugungen hören.

Weitere Informationen: In einem Livestream am Freitag, 16. Oktober, ab 14.30 Uhr hat die Öffentlichkeit die Gelegenheit, die feierliche Übergabe des Nationalparkzentrums, an der unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) teilnimmt, mitzuerleben und einen Blick in das Gebäude zu werfen. Die Übergabe wird im YouTube-Kanal des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg übertragen und ist abrufbar unter dem Link youtu.be/bEw0iJOGSeU