Die Wildnis fehlt noch, doch das Etikett Nationalpark klebt bereits an der Region: Blick vom Schliffkopf in Richtung Horinsgrinde Foto: dpa

Trotz bereiter Begeisterung über den Start des Nationalparks: Es gibt sie noch, die Kritiker des Naturschutzprojekts. CDU-Landrat Klaus Michael Rückert will sie ins Lager der Befürworter hinüberziehen.

Trotz bereiter Begeisterung über den Start des Nationalparks: Es gibt sie noch, die Kritiker des Naturschutzprojekts. CDU-Landrat Klaus Michael Rückert will sie ins Lager der Befürworter hinüberziehen.

Seebach - „Unser Nationalpark“ sollen die Baden-Württemberger in fünf Jahren sagen, hat sich der Freudenstädter Landrat Klaus Michael Rückert vorgenommen – auch jene, die mit dem grün-roten Projekt bisher noch über Kreuz liegen. Sein eigener Kreistag zum Beispiel segelt auf Gegenkurs. Dennoch hat der bekennende Parkfan Rückert jetzt für die Spitze des Nationalparkrats kandidiert – und wurde jetzt einstimmig gewählt.

Das kann nur ganz im Sinn von Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) sein. Denn wenn es überhaupt einem Politiker gelingt, die in der Region weit verbreiteten Vorbehalte auszuräumen, dann einem mit CDU-Parteibuch. Auch Rückerts Stellvertreter im Gremium hat übrigens ein solches: Der Forstwissenschaftler Thomas Waldenspuhl, der seit dem 1. Januar gemeinsam mit dem Biologen Wolfgang Schlund die Verwaltung des Parks leitet, ist CDU-Stadtrat in Hausach.

Nicht zufällig vermeiden die Verantwortlichen derzeit alles, was nach grün-rotem Ökodiktat riechen könnte. Selbst das offizielle Motto des Nationalparks ist weichgespült: „Eine Spur wilder.“

Eine Spur? Die Menschen sollten nicht glauben, dass ihnen die Wildnis brachial vor die Nase gesetzt werde, erläuterte Rückert den Spruch am Donnerstag im Naturschutzzentrum Ruhestein, wo die Parkverwaltung fürs Erste ihren Hauptsitz hat. Man müsse die Menschen mitnehmen, die Interessen ausgleichen, Ängste zerstreuen.

Alle Hände voll zu tun

Dass seine Parteifreunde im Landtag eine völlig andere Strategie verfolgen und Fraktionschef Peter Hauk sogar erwägt, das Projekt bei einem Regierungswechsel zu stoppen, gefällt Rückert denn auch überhaupt nicht: „Ich halte das, was die CDU-Fraktion macht, nicht für hilfreich.“ Notwendig sei eine konstruktive Begleitung, sagte Rückert, dessen Vater Wolfgang Rückert übrigens Finanzstaatssekretär in der Regierung Erwin Teufel war.

So ist also derzeit rund um den Ruhestein viel von Mehrwert, von Chancen und von Aufbruch die Rede. Es sei eine harmonische Sitzung gewesen, berichtete Bonde zufrieden – wohl wissend, dass etwa mit dem Forbacher Bürgermeister Kuno Kußmann (CDU) auch entschiedene Gegner im Nationalparkrat sitzen.

Das Gremium, das in diesem Jahr siebenmal zusammentreten will, hat alle Hände voll zu tun. Zunächst muss ein umfassender Managementplan entwickelt werden, eine Art Betriebshandbuch, in dem zum Beispiel jene Zonen ausgewiesen sind, in denen man die Natur völlig sich selbst überlässt.

Aber auch über Verkehr, Tourismus, Borkenkäferbekämpfung und Infrastruktur muss entschieden werden – etwa darüber, wo das Besucherzentrum und die Portale entstehen. „Nach 23 Tagen kann das noch nicht fertig sein“, sagte Schlund.

CDU bleibt skeptisch

Die ersten 40 von insgesamt 89 Beschäftigten haben Anfang Januar bereits ihre Arbeit aufgenommen. Es sind im Wesentlichen Förster, Waldarbeiter und Mitarbeiter des Naturschutzzentrums, die zur neuen Behörde übergewechselt sind.

Die restlichen Stellen sollen im Lauf der nächsten Monate und Jahre ausgeschrieben werden. Daneben gibt es laut Schlund bereits rund 100 Initiativbewerbungen von Menschen, die im Park mitarbeiten möchten. Schon jetzt würden fast täglich Schulklassen und andere Gruppen geführt, sagte der Verwaltungschef. Für Ende Februar kündigte er das erste Jahresprogramm an mit einem großen Angebot an Veranstaltungen.

Die CDU verfolgt das alles mit anhaltender Skepsis. Das erste Zusammentreten des Nationalparkrats ändere nichts daran, dass es bisher keinen Plan gebe, wie man das Projekt mit Leben erfülle, sagte der forstpolitische Sprecher Patrick Rapp. „Wir warten mit Spannung auf Konzepte etwa in den zentralen Bereichen des Tourismus oder des Verkehrs.“ Und ebenso gespannt sei er, so Rapp, wie die Regierung dies bezahle – vor allem im nächsten Doppelhaushalt.

Eine Stange Geld wird es auch kosten, den vom Hotelier Meinrad Schmiederer (Dollenberg) angeregten Tierpark zu schaffen. „Wir haben Interesse daran, dass sich so etwas etabliert“, sagte Bonde, der von Investoren gehört haben will. Doch davon ist Schmiederer nichts bekannt. Der Hotelier bekräftigt jedoch: „So, wie der Nationalpark jetzt geplant ist, bringt er keine touristische Verbesserung.“ Die Gäste wollten Attraktionen sehen – doch die biete der Nationalpark erst einmal nicht. Überhaupt kann er die Euphorie nicht so richtig teilen. Auch dass die Wirtschaft nicht im Nationalparkrat vertreten ist, hält Schmiederer für kein gutes Signal.