Rund 11 000 Porträts gehören nun zur Sammlung der National Portrait Gallery. Nicht bei allen ist die Kunst wichtig, sondern wer darauf zu sehen ist. Foto: /Poppy Andrews

Die Londoner National Portrait Gallery feiert nach drei Jahren Umbauzeit ihre Wiedereröffnung mit einer beeindruckenden Sammlung sowie Werken von Paul McCartney. Ein Besuch am Trafalgar Square.

Prinzessin Kate und Paul McCartney haben sich vergangene Woche im Museumsshop der National Portrait Gallery getroffen. Sie, die Kunstliebhaberin und Schirmherrin des wiedereröffneten Museums, er, der Beatle, der seit Donnerstag seine Fotografien aus den Jahren 1963 und 1964 ausstellt. Dieses Zusammentreffen sagt viel über den Stellenwert der Londoner National Portrait Gallery aus – und über deren Inhalte. In dem spektakulär aber doch sachte renovierten Museum gibt es alles, was England ausmacht: Royals, Beatles. Vor allem zeigt es den Hang der Briten zur kultigen Verehrung ihrer nationalen Celebrities.

 

48 Millionen Euro Umbaukosten

Das Haus, das ausschließlich Porträtbilder zeigt, wurde in den vergangenen drei Jahren für rund 48 Millionen Euro umgebaut. Und ist jetzt weit mehr als die kleine Schwester der benachbarten imposanten National Gallery am Trafalgar Square. Der Architekt Jamie Fobert hat Wände umgesetzt, Flächen freigeschaufelt, und den Eingang neu gestaltet. Was früher eher wie der Hintereingang zur National Gallery wirkte, ist nun standesgemäß: Große schwere Bronzetüren zeigen an, dass hier auch inhaltlich ein frischer Wind weht, man sich neu positionieren, ja erfinden möchte.

Die britische Künstlerin Tracey Emin hat 45 Frauenköpfe in die großen Eingangstüren skizziert, damit soll sich jede Frau gleich beim Betreten der Gallery wiederfinden. „Represantation matters“, dieser Slogan, der noch nicht zur leeren Phrase verkommen ist, dass Repräsentation wichtig ist, klopft gleich am Eingang an.

Die Sammlung will aktueller, diverser und weiblicher sein

1856 wurde die National Portrait Gallery gegründet. Traditionell wurden die großen Persönlichkeiten gewürdigt. Jetzt soll die Sammlung auch Größen der britischen Gegenwart zeigen, zudem diverser, weiblicher und eben inklusiver sein.

In den Gängen ist es trubelig, aber britisch anständig, ein älterer Herr führt an den Gegenwartsporträts vorbei und erklärt am Beispiel von Kate Tempest, was „Pronomen“ sind und welches Geschlecht sie anzeigen können. Und ja: Die neuen Toiletten sind für alle.

Inhaltlich aber könnte der Start kaum erwartbarer sein: Eine riesige Fotografie von König Charles macht den Anfang. Dann aber folgen überraschende Personen der gegenwärtigen Zeitgeschichte: Von den Tudors bis zu Ed Sheeran. Der sozial engagierte Fußballspieler Marcus Rashford, die Fußballspielerin Lucy Bronze und auch ein famoses, gemaltes Porträt der „Vogue“-Chefin Anna Wintour von Alex Katz. Nicht immer ist die Kunst des Porträts wichtig, sondern wer darauf zu sehen ist.

Rund 11 000 Porträts gehören zu dem Haus

Hinauf und rein in die britische Historie führt eine sehr lange Rolltreppe. Die Räume leuchten knallbunt: satt Fliederfarben, klassisches British Racing Green und dunkles Kirschrot. Spektakulärster Neuzugang ist „Portrait of Mai“ des Malers Joshua Reynolds, 60 Millionen Euro wurden dafür bezahlt. Zum ersten Mal in der britischen Geschichte wurde eine „person of colour“ mit Erhabenheit und Würde dargestellt. Auch die Geschichte der Kolonialisierung können sie nicht aussparen, die Krisen der Krone werden nicht umschifft.

Rund 11 000 Porträts kann die National Portrait Gallery nun in ihrer Sammlung halten, viele Stunden kann man in den Gängen und dem eher nicht so repräsentablen Treppenhaus verbringen. Man freut sich über das kubistische Kunstwerk von William Roberts, das John Maynard Keynes und Lydia Lopokova zeigt, staunt immer wieder über die großartige britische Pophistorie, ist verwundert, dass Königin Elizabeth nur in zwei Bildern erscheint, und entzückt, dass Frauen eigener Platz eingeräumt wird. Allesamt tolle Porträts von sehr unterschiedlichen Menschen: Da ist die Menschenrechtsaktivistin Malala Yousafzai, ein Gemälde der Sängerin Amy Winehouse, entstanden kurz nach ihrem Tod im Jahr 2011 oder die Schwarz-Weiß-Passfotos des Models Kate Moss.

König Charles und Königin Elizabeth, Amy Winhouse, die Beatles und Kate Moss

Und auch wenn das Museum mit einer Sonderausstellung der Fotografin Yevonde wiedereröffnet wurde, so sind es die bisher nicht gezeigten, intimen Fotografien von Paul McCartney, die die Massen anziehen. Es war um das Jahr 2000, als McCartney die rund tausend Fotografien der Jahre 1963 und 1964 wiederentdeckte. Und was ist das für schönes, historisches Material von vier Buben, die auszogen und den großen Wahnsinn fanden. In Schwarz-Weiß sind da Backstage-Szenen in Liverpool und London festgehalten, die Fab Four reisen nach New York, Washington und Miami.

McCartney zeigt oft seine drei Bandkollegen, und genau das, was den Fans verwehrt bleibt: die andere Seite. Die kreischenden Mädchen fotografiert durch die Rückscheibe eines Autos, Pressemenschen und Polizisten. Angekommen in Miami, legt McCartney den Farbfilm ein – und fotografiert Pilzköpfe in Pools und unter Palmen. Es sind mehr als Urlaubsschnappschüsse, die nicht nur britische Zeitgeschichte schrieben. Perfekt für diesen neuen, alten Ort am Trafalgar Square.

Der Ort und die Schau

Gallerie
 Die National Portrait Gallery ist nach dreijähriger Umbauzeit jetzt wiedereröffnet. Wie bei so vielen Museen in London ist hier der Eintritt zur Hauptsammlung frei, um allen den Zugang zu Kultur zu ermöglichen.

Beatles-Ausstellung
  Die Sonderausstellung Paul McCartney „Photographs 1963–64: Eyes of the Storm“ ist noch bis zum 1. Oktober zu sehen. Weitere Informationen gibt es hier.