Corona-bedingt fand in diesem Jahr die Fasnet nur auf Sparflamme statt. Die Dormettinger Narren hatten auf den neuen Marktplatz eingeladen und tanzen mit den Zuschauern um den Narrenbaum. Foto: Engelhardt

Über der Narrenzunft Dormettingen "Rutsch nom" hängt nach wie vor das Damoklesschwert. Eine finale Entscheidung wird es wohl am 21. September geben. Der Verein befindet sich seit einiger Zeit in der Schieflage.

Dormettingen - Schon seit mehr als zwei Jahren hat die Zunft Probleme. Es gelang ihr bislang nicht, Mitglieder für die vakanten Posten in der Vorstandschaft zu gewinnen. Aus diesem Grund wandte sich auf Bitte des Vereins im März dieses Jahres Bürgermeister Anton Müller an die Bevölkerung. In einem flammenden Appell forderte der Schultes gleich zweimal hintereinander die Fasnetsbegeisterten im Ort auf, sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, Verantwortung zu übernehmen und so den Verein am Leben zu halten. Sollte ein Neubeginn nicht gelingen, stehe die Auflösung der Zunft im Raum.

Auf Nachfrage berichtet Müller, dass sich auf seinen letzten Aufruf eine Person gemeldet habe, die aktuell versuche, eine neue junge Mannschaft zu bilden. Entsprechende Gespräche fänden statt. Allerdings würden diese zögerlich verlaufen, "und es ist auch noch nicht absehbar, ob sie zum Erfolg führen werden". Er hoffe, dass sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung im September Kandidaten zur Wahl stellen. Noch sei er skeptisch. Anton Müller: "Es ist also absolut nicht absehbar, in welche Richtung es bei der Narrenzunft geht."

Chance für Neue

Seit der letzten Generalversammlung, die im Juli stattfand, sind die Klotzmesser führungslos. "Wir haben uns dazu entschieden, uns alle erst mal nicht wieder zur Wahl aufstellen zu lassen, um niemanden zu bremsen, der eventuell aufgrund der aktuellen personellen Besetzung nicht in das Vorstandsteam eintreten möchte", heißt es in einen Schreiben, das vor wenigen Wochen alle Mitglieder erhalten haben. Es bestehe somit die "großartige Chance" für einen Neustart. Zu wissen, dem Verein könne das Aus drohen, stimme alle traurig. Man habe aber die Hoffnung, dass die Fasnet in Dormettingen weiterlebe.

"Aushängeschild" des Rings

Daran ist auch dem Präsidenten des Zollern-Alb-Rings viel gelegen. Bei seinem Besuch in Dormettingen vor zwei Jahren betonte Walter Sieber, dass die Narrenzunft "Rutsch nom" ein Aushängeschild für die Vereinigung sei.

Neu zu besetzen sind mindestens zwei Personen im Vorstandsteam und die Ämter des Kassierers und des Schriftführers. Außerdem werden weitere Beisitzer und ein Kassenprüfer gesucht. Die außerordentliche Mitgliederversammlung, bei der Wahlen stattfinden sollen, wurde auf Mittwoch, 21. September, terminiert. Beginn ist um 20 Uhr im Bürgersaal.

Jubiläumsjahr

Aktuell zählt die Narrenzunft 310 Mitglieder. Wenn Corona nicht dazwischengefunkt hätte, wären 2022 wohl gleich zwei Jubiläen groß gefeiert worden: die Zunftgründung vor 25 Jahren und der 50. Geburtstag des Klotzmessers.

Fasnet wird in Dormettingen aber schon viel länger gefeiert. Wie alt sie genau ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Der Mangel an geschichtlichen Fakten liegt wohl in der um 1722 in der Kirchenchronik erwähnten Feuersbrunst, die auch das Haus des Stiftungspflegers Wilhelm Pfaff ergriffen hatte und bei der Kirchenpflegeakten vernichtet wurden. 1838 wird das vergebliche Bemühen der Ortsbehörde geschildert, das Fasnetstreiben abzustellen, "weil solche Umtriebe ausgeartet, schädlich und verderblich sind".

Fasnacht ist bezaubernd

Das Von-Haus-zu-Haus-ziehen mit Masken ist ab 1865 ausdrücklich erwähnt, ebenso die Aufführung des Theaterstücks über den Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini. 1866 verbot der Gemeinderat auf Betreiben des Königlichen Oberamts Rottweil die Narretei erneut. Fasnetshungrige überredeten laut Chronik im Jahr 1874 den neuen Pfarrverweser Wilhelm Baur, gewisse Fasnetsspiele wiederzuzulassen. Zwischen den beiden Weltkriegen zogen die Dormettinger einzeln und in Gruppen durch den Ort. In den Wirtschaften wurde "gewelscht". 1921 heißt es in der Dorfchronik: "Fasnacht ist bezaubernd für das junge Volk und sonstigen Lebemännern, dass alles Verbote seitens der Regierung beiseitegeschoben werden."

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fasnet im Wechsel vom Musikverein, dem TSV und dem Gesangverein "Singkreis" organisiert. In der Zeit schufen sich immer mehr Dormettinger eigene Fuchswadel – die älteste Narrenfigur im Ort – an. Weil die Arbeit für einen Verein nicht mehr zu stemmen war, bildete sich 1966 die "Koalition für Fastnachtsangelegenheiten" unter Leitung von Pius Matt. 1972 gründeten Mitglieder des Musik- und Sportvereins die Fasnetgesellschaft "Rutsch nom" mit Pius Matt als Präsidenten. Bei der ersten Versammlung wurde der von Elfriede Edelmann, Oskar Bertsch, Kajetan Hoch und Pius Matt kreierte Klotzmesser der Bevölkerung vorgestellt. 1976 trug der Musikverein, der zum Klotzmesser passende Uniformen erhalten hatte, den von Dirigent Wilhelm Pfaff komponierten Narrenmarsch erstmals vor.

Freundschaftsring mitbegründet

Die Dormettinger waren 1977 an der Geburtsstunde des Narrenfreundschaftsrings Zollern-Alb beteiligt und richteten 1982 das vierte Ringtreffen aus. 1986 trat der Musikverein aus der Fasnetgesellschaft aus, was aber nicht das Aus für die Narretei bedeutete. Unter der Führung von Ernst Erler gründete sich ein Jahr später die Narrenzunft "Rutsch nom", die seit 1991 ihr Domizil im Dorfgemeinschaftshaus hat. In der Anfangszeit des neuen Vereins wurde der Fuchswadel in die Zunft integriert und der Waldmeister als Einzelfigur geschaffen.