Der Salzgeist und die Salzhansel beim Umzug in Bad Dürrheim. Foto: Narrenzunft Bad Dürrheim

Beim Jubiläumsumzug der Narrenzunft am Sonntag, 9. Februar, gibt es ein in der Region erstmaliges Angebot für Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Zwei Blindenreporter berichten über den Umzug den betroffenen Menschen, was gerade zu sehen ist.

Das Projekt nennt sich Fasnet für alle. Eine tolle und vor allem nicht alltägliche Sache, die auch von der Inklusionsbeauftragten des Landkreises gelobt wurde, informiert die Narrenzunft Bad Dürrheim.

 

Die Fasnet ist bunt. Doch wie kann sie Menschen mit Sehbeeinträchtigung beschrieben werden? Julian Limberger weiß, wie’s geht. Der Lehrer aus Villingen wird als einer von zwei Blindenreportern den großen Jubiläumsumzug der Narrenzunft am Sonntag, 9. Februar, reportieren.

Herr Limberger. Sind Sie eigentlich selbst närrisch?

Ja, sehr sogar! Ich bin zwar in keiner Zunft, aber gehe - seit ich vier Jahre alt bin – jedes Jahr auf mehrere Umzüge. Zuerst in meiner Heimat Freiburg und jetzt in Villingen. Als Grundschullehrer laufe ich natürlich auch beim Kinderumzug in Villingen mit.

Sie beschreiben normalerweise Fußballspiele für Menschen mit Sehbehinderung – wie sind Sie zum Kommentator für Fasnetumzüge geworden?

Seit mehr als zehn Jahren reportiere ich die Spiele des SC Freiburg für Menschen mit einer Sehbehinderung. Im letzten Jahr war ich über diese Tätigkeit zum ersten Mal als Fasnetkommentator in Konstanz im Einsatz. Das hat sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe sehr, dass auch in anderen Städten die Fasnet für alle geöffnet wird. Bad Dürrheim geht da mit einem tollen Beispiel voran.

Haben Sie sich im Vorfeld mit Sehbehinderten ausgetauscht, um herauszufinden, was sie sich wünschen oder wie die Beschreibung eines Umzugs sein muss, damit sie teilhaben können?

Wichtig ist, dass nicht nur der Umzug oder das einzelne Häs beschrieben werden, sondern auch die Zuschauer und das Drumherum. Meine Stimme ist sozusagen das Auge der blinden Menschen. Ich muss also viel sprechen und genau beschreiben.

Und wie beschreiben Sie den Dürrheimer Salzhansel?

Zuerst einmal beschreibe ich den ersten Eindruck der Zunft. Wie viele Salzhansel kommen gerade vorbei. Dann beschreibe ich das Häs. Vom Allgemeinen ins Detail. Am Beispiel des Salzhansels würde ich sagen, dass er ein dreiteiliges Häs aus Hose, Jacke und Kopfteil in Form eines Salzsackes trägt. Die Hästeile sind mit Salzsäckle benäht, am Kopfteil bleiben Ausschnitte für Augen und Mund frei.

Foto: Limberger

Auf den Salzsäckle ist mit grünem Schriftzug „Bad Dürrheimer Salzgeist“ gedruckt. An den Schnurenden befinden sich kleine Glöckle, über das Häs verteilt sind 400 bis 500 Säckle. Der Abschluss des Kopfteils ist vorn mit einer Silberdistel und dem Bad Dürrheimer Wappen bemalt. Vier rote Kordeln halten Vorder- und Rückenteil unter den Achseln zusammen. Es gibt einen Fuchsschwanz an der linken Kopfseite. Die Figur hat schwarze Schuhe und Handschuhe, rote Socken und ein rotes Halstuch. In der Hand hält der Salzhansel eine Miniatur eines Salzkrückles.

Rot, grün, blau – wie erklärt man Menschen, die nicht sehen können, Farben?

Manche Menschen sind erst im Laufe Ihres Lebens erblindet, sie haben also eine genaue Vorstellung was grün und rot bedeutet. Andere wiederum haben nur durch Erzählungen eine innere Vorstellung. Sie lernen die Unterscheidung durch Vergleiche mit spürbaren Gegenständen, zum Beispiel für Rot steht etwa Hitze und Blau für Wasser.

Werden Sie versuchen, das Geschehen beim Umzug neutral zu beschreiben oder wird da richtig kommentiert, also auch lobend oder kritisch, eventuell überspitzt und ironisch?

Natürlich dürfen Spaß und Wortwitz an der Fasnet nicht zu kurz kommen. Mir ist es aber wichtig, das Geschehen so genau wie möglich zu beschreiben. Die Bewertung des Häs oder der Zunft im Allgemeinen sollten die sehbehinderten Menschen selbst für sich entscheiden, ich beschreibe ihnen das Häs so genau wie möglich.

Werden Sie eher über das Häs oder das Verhalten der Narren sprechen? Oder über beides?

Auf jeden Fall über beides. Sollten zum Beispiel Narren ein Kunststück aufführen oder ihre Scherze treiben, wird das natürlich auch beschrieben. Schön wäre es sicherlich, wenn die Narren auch die Menschen mit Sehbehinderung mit einbeziehen. Etwa, indem sie Schemen und Häs berühren dürfen.

„Üben“ Sie diese Aufgabe? Also bitten Sie jemanden, die Augen zu schließen und sich vorzustellen, was Sie beschreiben?

Natürlich bereite ich mich auf diese verantwortungsvolle Arbeit vor. Meine Freunde durften schon meine Beschreibungen zeichnerisch festhalten. Meiner Meinung nach scheiterte es aber an deren zeichnerischen Fähigkeiten (lacht). Aber im Ernst, es bedarf einer gewissen Vorbereitung, aber das Reportieren des Umzuges soll auch spontan und authentisch klingen. Ich verlasse mich da auch auf meine Erfahrung als Blindenreporter und mein echtes Interesse an der Fasnet.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie auf die Fasnet für alle?

Ich bekomme durchweg positives Feedback. Viele Menschen freuen sich, dass die Fasnet die Teilhabe aller Menschen ermöglicht.

Wie kann in Ihren Augen Menschen mit Behinderungen in Narrenzünften die Teilhabe ermöglicht werden?

Der erste Schritt ist, dass man Sie am Umzug teilhaben lässt - und zwar aktiv, so wie es die Bad Dürrheimer Zunft mit der Blindenreportage macht. Als zweiter Schritt ist die aktive Einbindung in Zünfte nötig. Auch Menschen mit einer Sehbehinderung können sich super im Vereinsleben einbringen.

Verraten Sie uns: Auf welche Figur freuen Sie sich beim großen Jubiläumsumzug am meisten?

Das ist schwer zu sagen, ich freue mich auf den gesamten Umzug. Jede Figur hat Ihre Besonderheit. Meine Stimme freut sich sicherlich auch über musikalische Gruppen, dann kann ich die Gruppe kurz beschrieben und dann mit den Zuschauern gemeinsam zur Musik tanzen.

Fasnet für alle

Idee
Fasnet für alle wurde von den Konstanzer Fasnachtsvereinen ins Leben gerufen. Neben den Reportagen für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen werden etwa bei den Umzügen betreute Plätze für Rollstuhlfahrer angeboten. Beim großen Umzug des Landschaftstreffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte am 9. Februar in Bad Dürrheim geht die Fasnet für alle nun auch auswärts. Die Resonanz auf das Angebot war so groß, dass die Plätze für die Fasnet für alle bereits belegt sind.

Zur Person
Julian Limberger ist 34 Jahre alt. Er arbeitet als Grundschullehrer in Villingen und als Blindenreporter beim SC Freiburg. Nebenberuflich ist er Moderator und Standup-Comedian bei der Comedy Night in Villingen.