Busverkehr in Offenburg im Ortenaukreis. Foto: imago images/Hanke/Gabriele Hanke via www.imago-images.de

Das Landesverkehrsministerium hat einige Kommunen gefunden, die Vorreiter bei einer möglichen Mobilitätsabgabe sein sollen. Doch der einzige Kreis, der mitmacht, will eigentlich gar keiner sein.

In Europa, insbesondere in Großstädten, wird zur Finanzierung und Lenkung des Verkehrs schon heute extra Geld eingesammelt: Als City-Maut oder etwa in Form einer Arbeitgeberabgabe. Baden-Württemberg arbeitet seit Jahren daran, hier ein Vorreiter für Deutschland zu werden. Der sogenannte Mobilitätspass, der Teil eines von Landesverkehrsminister Winfried Hermann in dieser Woche endgültig auf den -Weg gebrachten Mobilitätsgesetz werden soll, soll den Kommunen neue Wege zur Finanzierung des Nahverkehrs eröffnen.

 

Zusätzlicher Topf für besseren Nahverkehr

Die Kommunen könnten dann eine Abgabe von allen Einwohnern erheben oder lediglich Fahrzeughalter zur Kasse bitten. Es gibt die Option einer Maut oder einer Abgabe der Arbeitgeber für ihre Beschäftigten.

Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann betont, dass das für die Kommunen freiwillig sei: „Sie sind auch frei bei der Auswahl des Modells und bei der Höhe der Beträge. Da die Einnahmen als Gutschrift für eine Nahverkehrs-Zeitkarte zurückgegeben werden, ist der Mobilitätspass ein Anreiz, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.“

Doch das Reformprojekt kommt eher zäh voran. Seit fast fünf Jahren arbeitet das Verkehrsministerium an dem Projekt. In mehreren Runden wurden mit bis zu 21 beteiligten Kommunen das Ganze schon durchgespielt – etwa welche finanziellen Folgen die unterschiedlichen Modelle haben.

Drei Vorreiter testen die Sache nun genauer

Vor Kurzem hat das Ministerium sogenannte Vorreiterkommunen vorgestellt, welche das Konzept jetzt vertieft bis in die praktischen Details durchspielen sollen. Groß war der Andrang offenbar nicht. Von den vier möglichen Plätzen, die das Ministerium anbot, wurden drei vergeben. Mehr Bewerber gab es nicht. „Die Anzahl der Vorreiter ist aus unserer Sicht kein Indikator für die Anzahl der Kommunen, die in Zukunft die Einführung des Mobilitätspasses beschließen werden“, sagt eine Sprecherin des Verkehrsministeriums. Es sei nicht um eine Vorentscheidung, sondern nur um ein „ernstes Interesse an der Klärung weiterführender Umsetzungsdetails“ gegangen. Nach einem Jahr solle daraus ein Leitfaden für andere Kommunen hervorgehen.

Wie überzeugt ist der einzige beteiligte Kreis?

Neben Freiburg und Karlsruhe, zwei Großstädten, die sich seit Langem der Ökologie und der Verkehrswende verschrieben haben, gehört dazu auch der Ortenaukreis. „Für den Ortenaukreis hat der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs höchste Priorität“, so zitierte das Verkehrsministerium in seiner Pressemitteilung den dortigen Landrat Frank Scherer: „Die Ernennung zur Vorreiterkommune in Sachen Mobilitätspass kann uns dabei einen weiteren Schub verleihen.“

Doch wer genauer hinhört, der versteht, was für ein schwieriges Thema der Mobilitätspass im ländlichen Raum bleibt. Von dort kommen bisher am lautesten die skeptischen Stimmen. Das Ganze sei „ergebnisoffen“, sagte auch Scherer. „Bisher haben wir ja noch gar nicht das Grundangebot, das überhaupt die Voraussetzung ist, dass wir einen solchen Pass einführen können“, sagt Alexandra Roth, Dezernentin für Infrastruktur im Kreis. Dieser Grundstandard, die sogenannte Mobilitätsgarantie, sollte beispielsweise flächendeckend tagsüber einen Stundentakt oder besser vorsehen. Hier sei aber zunächst das Land in der Pflicht, denn die zusätzliche Abgabe soll nur Angebote oberhalb dieses Mindeststandards finanzieren.

Wie viel Nahverkehr man will, ist noch offen

Im Ortenaukreis sei man aber nicht ansatzweise so weit, konkret darüber nachzudenken, welches zusätzliches Angebot denkbar sei – geschweige denn, ob es dafür den Mobilitätspass brauche. „Wir wollen erst einmal die Rechtsfragen klären,“ sagt Roth über die Motivation zur Teilnahme. Wie verwaltet man das Mobilitätsguthaben? Was passiert bei einem Umzug? Wer ist zuständig? Laut bisheriger Modellrechnungen würde sich im ländlichen Raum eine Abgabe für alle Einwohner am besten eignen – aber das würde für viele Betroffene sorgen, die nicht den zum Ausgleich gewährten Gutschein für den Nahverkehr nutzen wollen oder können.

Praktische Vorteile stehen im Mittelpunkt

Dass man teilnehme, fuße auf rein praktischen Erwägungen. Man bekomme so genau auf die eigenen Verhältnisse zugeschnittene Informationen. „Und anschließend haben unsere politischen Gremien dann eine gute Entscheidungsgrundlage,“ sagt Roth.

Doch noch ist unklar, wann das Mobilitätsgesetzes überhaupt in Kraft treten kann. Im April hatte der CDU-Koalitionspartner das Gesetz wegen zu viel Bürokratie grundsätzlich infrage gestellt. Auch der Normenkontrollrat, der Gesetze vorher prüft, hatte Bedenken. Trotz der Verabredung im Koalitionsvertrag steht das Gesetz zurzeit nicht oben auf der Agenda der CDU. Ein aktuelles Indiz: Mit ihrem Koalitions-Vetorecht hat sie im Einklang mit anderen Unionsregierungen vor wenigen Tagen Tagen dafür gesorgt, dass auch wegen der Enthaltung von Baden-Württemberg eine ökologisch orientierte Reform der Straßenverkehrsordnung im Bundesrat blockiert wurde. Zum Unmut des grünen Landesverkehrsministers.

Was ist das Mobilitätsgesetz?

Koalitionsvertrag
 Das Gesetz ist der Schlüssel zum im schwarz-grünen Koalitionsvertrag beschlossenen Landeskonzept Mobilität und Klima. Ziel ist, dass der Verkehr im Land weniger CO2 ausstößt – etwa durch mehr öffentlichen Nahverkehr.

Mobilitätspass
 Der so genannte Mobilitätspass, also eine Nahverkehrsabgabe ist eines der zentralen Elemente. Dies soll es den Kommunen erlauben, oberhalb eines Grundstandards zusätzliche Nahverkehrsangebote zu finanzieren.  

Weitere Punkte
 Eine Weitere Vorgabe ist, im Busverkehr schneller als von der EU vorgeschrieben auf alternative Antriebe umzusteigen – was auf Widerstand der Busbranche stößt. Die Kommunen sollen zudem verpflichtet werden, den Radverkehr systematisch auszubauen. Eine ursprünglich geplante Mobilitätsgarantie, die ein flächendeckendes Nahverkehrsangebot vorschreiben sollte, wurde aber abgeschwächt.