Israel griff auch Ziele in der libanesischen Hauptstadt Beirut an. Foto: dpa/Hassan Ammar

Israel greift die Hisbollah im Libanon mit Bodentruppen an, der Konflikt droht zu eskalieren. Was daraus folgen könnte und wie Deutschland reagiert. Ein Überblick.

Die Lage im Nahen Osten beruhigt sich nicht – im Gegenteil: Nach dem Einmarsch Israels in den Süden Libanons wird befürchtet, dass sich der Iran mit einem Angriff auf Israel einmischt. Die Lage droht zu eskalieren. Was tut Deutschland in dieser Situation? Und sollte es sich stärker engagieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie ist die Lage aktuell?

Nach einer Reihe von Luftangriffen in den vergangenen Wochen hat Israel begonnen, Bodentruppen ins nördliche Nachbarland Libanon zu schicken. Die Armee sprach von „begrenzten“ Angriffen in Grenznähe auf Ziele der Hisbollah. Die schiitische Miliz ist ein enger Verbündeter des Iran und schießt seit den Terrorattacken der Hamas im vergangenen Oktober immer wieder Raketen nach Israel. Laut dem UN-Nothilfebüro OCHA sollen in den vergangenen zwei Wochen seit Beginn der israelischen Angriffe mindestens 1000 Menschen ums Leben gekommen sein. Hunderttausende Zivilisten sollen auf der Flucht sein – und auch der libanesische Staat selbst ist zwischen die Fronten geraten. Die regulären Streitkräfte verhalten sich im Krieg zwischen Hisbollah und Israel neutral und zogen sich aus dem Kampfgebiet zurück.

Wie reagiert Deutschland?

Bereits in der vergangenen Woche forderte die Bundesregierung gemeinsam mit der EU, Frankreich, Großbritannien, den USA und anderen Staaten eine 21-tägige Waffenruhe. Diese sollte genutzt werden, um eine diplomatische Lösung zu finden. Bislang war die Mahnung vergeblich. Zudem hat das Auswärtige Amt erklärt, man wolle die Menschen im Libanon unterstützen und versprach 62 Millionen Euro zusätzlicher Hilfen, „mit denen wir Essen und Notunterkünfte für diejenigen bereitstellen, die ihr Zuhause verloren haben“, so ein Sprecher.

Welches konkrete Interesse hat Deutschland an einer Beruhigung der Lage?

Die Sorge ist groß, dass es im Libanon zu einer großen Flüchtlingsbewegung kommt. Nahost-Experte Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) warnt, man müsste damit rechnen, „dass vor Ort eine neue Flüchtlingskrise entsteht, die hier ankommen wird.“ Innerhalb des Landes rechnet man mit einer Million Vertriebenen. Dabei war der Libanon in den vergangenen Jahren selbst Fluchtpunkt für Menschen aus Syrien. Rund 1,5 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge hat das Land nach Angaben der UNO aufgenommen – bei 4,4 Millionen Einwohnern. Inzwischen gibt es Berichte, dass Menschen aus dem Libanon nach Syrien geflohen sind. Lintl verweist auf wirtschaftliche Folgen: So greife die mit der Hisbollah und dem Iran verbündete Huthi-Miliz beispielsweise Handelsschiffe im Suez-Kanal an. Und er erinnert an die humanitäre Lage vor Ort und betont: „Auch aus moralischen Gründen kann Deutschland der Konflikt nicht egal sein.“

Wie könnte Deutschland Einfluss nehmen?

„Deutschland hat in dem Konflikt nur wenig Spielräume und Hebel“, sagt Lintl. „Aktuell liefert Deutschland ohnehin keine Waffen mehr nach Israel.“ Den größten Einfluss Deutschlands sieht er in einer klaren Positionierung. „Die Bundesregierung muss immer wieder daran erinnern, dass Israel zwar das Recht hat, sich zu verteidigen, sich aber dabei an das Völkerrecht halten muss“, sagt Lintl. „Dazu zählt, die territoriale Integrität des Libanons zu wahren. Das muss die Bundesregierung weiterhin einfordern.“ Ähnliches ist auch aus der Ampelkoalition zu hören. „Der Plan für eine 21-tägige Waffenruhe bleibt unverändert richtig“, sagte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag dieser Redaktion. Er gibt aber auch zu: „Der Einfluss auf Premier Benjamin Netanjahu ist allerdings begrenzt.“ Aus Schmids Sicht brauche es dringend eine politische Lösung. Mit Blick auf zurückliegende Konflikte im Nahen Osten sagte er: „Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass selbst erfolgreiche Militärschläge allein nicht dauerhaft zu mehr Sicherheit und Stabilität führen – auch nicht für Israel.“