Seit Juni ist die Notfallpraxis in Nagolds Klinik zu. Folge: explodierende Patientenzahlen. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte etwas anderes behauptet.
Die Debatte war hitzig im Vorfeld der Schließung der Notfallpraxis am Nagolder Krankenhaus. Die Politik im Raum Nagold lief – wie auch an anderen Standorten, die von einer Schließung der Notfallpraxis betroffen waren – heiß. Der Effekt war gleich Null. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ließ sich nicht von ihren Plänen abbringen. Das Argument, dass durch eine Schließung der Praxis die Patientenzahlen in die Höhe schießen würden, wischte die KV beiseite. Einen solchen Anstieg werde es nicht geben, hieß es von der KV.
Dass die KV mit dieser Behauptung falsch lag, das belegen die aktuellen Zahlen, die jetzt Nagolds Krankenhausdirektorin Alexandra Freimuth der Öffentlichkeit zugänglich machte. Lag man in der Notaufnahme in Nagold früher auf dem Niveau von 17 000 Patienten im Jahr, liegt man inzwischen in Nagold um einiges höher, bei etwa 25 000 Patienten im Jahr.
Menschen kommen wegen absoluten Lappalien in die Klinik
Dazu kommt, dass man am Klinikum Nagold seit Monaten improvisieren muss, denn das Krankenhaus wird derzeit bei vollem Betrieb saniert und erweitert. Das hält aber die Patienten nicht von einem eigenständigen Gang ins Krankenhaus ab. Besonders am Wochenende gebe es aktuell merklich mehr Patienten – etwa 30 Patienten mehr als im Durchschnitt am Wochenende.
Das liegt unter anderem daran, dass die Menschen wegen absoluten Lappalien in die Klinik kommen – um Krankmeldungen oder Rezepte zu bekommen etwa. Freimuth macht eines in aller Deutlichkeit klar: „Rezepte und Krankschreibungen dürfen wir überhaupt nicht ausgeben.“
„Von wunderbar sind wir weit weg“
Schon jetzt ist also die Behauptung der KV in Bezug auf die Patientenzahlen widerlegt. „Wenn die KV meint, alles laufe nach der Schließung wunderbar, dann kann ich nur sagen: Von wunderbar sind wir weit weg“, ärgert sich Freimuth.
Doch es dürfte noch schlimmer kommen, davon ist man im Nagolder Krankenhaus überzeugt. Der Grund: Ende November wird auch die Notfallpraxis am Herrenberger Krankenhaus von der KV dichtgemacht. Das wird, da ist man sich in Nagold sicher, noch viel mehr Patienten nach Nagold bringen. Angesichts dessen macht sich die Krankenhausdirektorin so ihre Gedanken: „Das betrachten wir mit Sorge, da wir uns vor allem um die schwer kranken Patienten kümmern möchten.“
KV reagiert nicht auf die Probleme am Standort Nagold
Die Argumente aus dem Klinikverbund und speziell aus Nagold verhallen derweil bei der Kassenärztlichen Vereinigung ungehört. In einer aktuellen Pressemitteilung der KV zur Situation im Kreis Calw sind die gestiegenen Patientenzahlen in Nagold und die Auswirkungen der bevorstehenden Schließung in Herrenberg überhaupt kein Thema.
In der KV-Bereitschaftspraxis in Calw seien „ausreichend Kapazitäten vorhanden“, so dass Patienten ohne lange Wartezeiten behandelt werden könnten. An den Wochenenden und Feiertagen seien zudem rund um die Uhr Ärzte im Einsatz, die medizinisch erforderliche Hausbesuche vornehmen. Über die 116 117 könne auch eine telemedizinische Beratung veranlasst werden. „Zahlreiche Besuche in einer Bereitschaftspraxis können so vermieden werden“, heißt es in der schriftlichen Mitteilung der KV in Stuttgart.