Die Violinistin Alexandra Soumm brillierte in der "Havanaise" (Habanera) von Camille Saint-Saëns. Foto: Thomas Fritsch

Das Sinfoniekonzert setzte einen Schlussstrich unter die Pandemie-Nachwirkungen im Nagolder Musikleben und stieß auf eine ungewöhnlich starke Resonanz – nicht nur unter Musikliebhabern.

Nagold - In vielen Aspekten war das Gastspiel der Württembergischen Philharmonie Reutlingen in der Nagolder Stadthalle ein spektakuläres und enthusiastisch bejubeltes Ereignis.

Im Herbst vergangenen Jahres übernahm die gebürtige Französin Ariane Mathiakh den Posten des Generalmusikdirektors des Reutlinger Orchesters und gab ihren musikalischen Einstand in der Nagolder Stadthalle. Als Zeichen ihrer heimatlichen Verbundenheit nahm sie in das Konzertprogramm ausschließlich instrumentale Werke französischer Komponisten auf.

Gleich in der Suite aus dem Ballett "Les animaux modèles" von Francis Poulenc fiel die textgetreue, intuitive und sehr persönliche Interpretationsrichtung sowie Präzision und Anmut von Mathiakh auf. Jede Geste, jeder kleinster Wink der Dirigentenhand zeugte von hoher technischer Kompetenz, künstlerischer Sensibilität und ausgesprochener Empathie den Orchester-Partnern gegenüber.

Mit offenkundiger Sympathie

Vertrauensvoll, mit großem Respekt und offenkundiger Sympathie erfüllten die Instrumentalisten alle musikalischen Wünsche ihrer neuen Chefin auch in den von Claude Debussy für Orchester instrumentierten Klavierstücken "Gymnopédies" von Eric Satie. Aus introvertierter Zärtlichkeit, Farbenspielen und unzähligen Nuancen der Dynamik tauchte ein meditatives Klangbild auf, das die Vorstellungskraft der Zuhörer anregte und für Regungslosigkeit im Raum sorgte.

Mit suggestiver Ausdruckskraft

Die Violinistin Alexandra Soumm brillierte in der "Havanaise" (Habanera) von Camille Saint-Saëns mit technischer Fertigkeit und suggestiver Ausdruckskraft, dann steigerte und bekräftigte sie ihr künstlerisches Potenzial in der Rhapsodie "Tzigane" von Maurice Ravel. Teils leidenschaftlich verträumt, stellenweise mit beinahe hexenhafter Besessenheit erklang die virtuose Solo-Einleitung. Der nach und nach einschleichende obsessiv-temperamentvolle Tanz funkelte dann sowohl in der Solostimme als auch in der Orchesterbegleitung von technischen Raffinessen, farbenfrohen Kontrasten, französischem Esprit und ungarischer Lebensfreude. Als Zugabe kredenzte die in Paris lebende Russin den ersten Satz aus der 7. Fantasie für Violine Solo von Georg Friedrich Telemann.

Grandios interpretiert

Geradezu grandios interpretierte das Orchester die Suite "Bacchus et Ariane" von Albert Roussel. Die Ausdruckspalette schien auch hier unerschöpflich und reichte von subtiler Poetik bis hin zu energiegeladener, hinreißenden Dramatik. Voller Elan folgten die Instrumentalisten den Impulsen der Dirigentin und in symbiotischer Zusammenarbeit lebten sie auch eigene Emotionen aus.

Es kommt eher selten vor, dass das Publikum einem Sinfoniekonzert geradezu euphorisch begegnet und nicht nur einen Solisten, sondern auch ein ganzes Orchester bejubelt. Offensichtlich berührte die Musik sehr die Gemüter der Zuhörer und der Schlussbeifall bewegte die Reutlinger, die feurige "Farandole" von Georg Bizet als Zugabe zu spielen. Damit bewies die Philharmonie endgültig, dass sie sich mit der Mathiakh an der Spitze gerade auf der Startbahn zu einem Höhenflug befindet.